„Fremde“ Objekte in der Bronzezeit: Funktions- und Bedeutungswandel von Artefakten

Antragsteller: Prof. Dr. Rüdiger Krause

Förderung: DFG im Rahmen des Graduiertenkolleg 1576  „Wert und Äquivalent“ von 2013 bis 2016

Wissenschaftliche Mitarbeiter: Lukas Wiggering M.A.

Kooperationspartner: Prof. Dr. Rupert Gebhard, Archälogische Staatssammlung München


 

Spätestens mit dem Beginn der Bronzezeit in Mitteleuropa  muss von einem Aufkommen von weiträumigen, interkulturellen Verbindungen ausgegangen werden. Insbesondere mit dem ostmediterranen Raum lässt sich ein zum Teil intensiver Kontakt feststellen. Neben einem Tausch von Rohstoffen, es sollen nur Bernstein und Zinn genannt werden, muss auch ein Verhandeln von Artefakten ebenso von Ideen und Vorstellungen angenommen werden. Besondere Zeugnisse dieses weiträumigen Kontaktes sind als „fremd“ anzusprechende Objekte. Diese „Importe“ sind für den mitteleuropäischen Kulturkreis überwiegend Artefakte, die von ihrer Typologie her eher Formen des ägäisch-ostmediterranen Raums zugeordnet werden können. Jedoch sind sie in der Regel lokal gefertigt.

Als prominente Beispiele hierfür können mehrere Objekte aufgeführt werden. Aus einem frühbronzezeitlichem einem Hortfund der Aunjetitzer Kultur bei Khyna, Sachsen, stammt eine geschlitzte Klinge oder Lanzenspitze (Abb. 1 a). Dieser besteht größtenteils aus Bronzeobjekten, die für Mitteldeutschland als typisch anzusehen sind. Die geschlitzte Klinge ist für diesen Raum jedoch singulär. Parallelen lassen sich aber in der Ägäis finden. Die Metallzusammensetzung des Exemplars von Khyna verweist hingegen auf einen Ursprung in Mitteleuropa (Coblenz 1986; Gerloff 1993, 62; Genz 2004). Ein weiteres Beispiel aus der Frühbronzezeit entstammt dem Hortfund von Melz II, Mecklenburg-Vorpommern. Hier liegt neben acht Stabdolchen eine Nackenkammaxt (Abb. 1 b) vor. Diese lässt sich dem karpatenländischen Raum zuweisen, wurde jedoch in Manier der mitteleuropäischen Stabdolche geschäftet (Schoknecht 1972, 237-239; Krause 2003, 247f ).

 

Abb. 1: a) geschlitzete Klinge aus Khyna. b) Nackenkammaxt aus dem Depot II von Melz

R. Krause, Zur Entwicklung der fürhbronzezeitlichen Metallurgie nördlicher der Alpen, Abb. 18, S. 183; In: B. Hänsel (Hrsg.), Mensch und Umwelt in der Bronzezeit Eutopas, (Kiel 1998), 163-192

 

Besonders betont werden müssen darüber hinaus die Bernsteinsiegel und Goldbleche aus der mittelbronzezeitlichen Siedlung auf dem Bernstorfer Berg. Die beiden Siegel aus Bernstein  sind dabei mit einer bildlichen Darstellung eines bärtigen Gesichts sowie mit Bildzeichen (Abb. 2 a), welche als Linear A- bzw. B- Schrift (Abb. 2 b-c) des minoischen bzw. mykenischen ostmediterranen Raums zu lesen sind, verziert (Gebhard – Rieder 2002).

 

Abb. 2: a/b) Bernsteinobjekt 1, Bernstorf; c) Bernsteinobjekt 2, Bernstorf, mit Linear B Schrift

R. Gebhard – K. H. Rieder, Zwei bronzezeitliche Bernsteinobjekte mit Bild- und Schriftzeichen aus Bernstorf (Lkr. Freising), Germania 80, 2002, 115–133, Abb. 5, S. 121

und

R. Gebhard – K. H. Rieder, Zwei bronzezeitliche Bernsteinobjekte mit Bild- und Schriftzeichen aus Bernstorf (Lkr. Freising), Germania 80, 2002, 115–133, Abb. 6 a, S. 123

 

Der mehrteilige Goldblechfund kann aufgrund seiner Zusammensetzung, nicht zuletzt wegen des Diadems (Abb. 3), als Trachtbestandteile eines Idols gedeutet werden. Insbesondere das Diadem verweist aufgrund seiner Form auf den ostmediterranen bzw. vorderasiatisch/orientalischen Raum, kann aber aufgrund seiner Verzierungen als in regionaler Handwerkertradition gefertigt angesprochen werden (Gebhard 1999). Den vorgestellten Objekten ist gemein, dass sie in das lokale Formenspektrum eingebettet waren bzw. durch dieses Beeinflussung erfuhren, gleichzeitig aber noch ihre Abstammung aus fremden Regionen erkennbar blieb. Dies legt die Vermutung nahe, dass mit ihnen mehr als nur der rein materielle Wert als solches ausgetauscht wurde.

 

Abb. 3: Diadem aus Goldblech, Bernstorf

R. Gebhard, Der Goldfund von Bernstorf, Bayerische Vorgeschichtsblätter 64, 1999, 1–18, Tafel 4

 

Im Rahmen eines Stipendiums des Graduiertenkollegs „Wert und Äquivalent“ an der Goethe-Universität Frankfurt soll sich unter dem Arbeitstitel „‘Fremde‘ Objekte in der Bronzezeit: Funktions- und Bedeutungswandel von Artefakten“ dieser Thematik gewidmet werden. Entsprechend muss die Frage nach dem Umfang des Austausches, der Übernahme und Wandlung von Werten bzw. des Wertverständnis und den damit verknüpften geistig-religiösen Vorstellungen zwischen dem östlichen Mittelmeer und Mitteleuropa nachgegangen werden. Ausgangspunkt der Untersuchungen sind dabei die Funde von Bernstorf. Zunächst soll ihre Rolle in der Region sowie Parallelen im östlichen Mittelmeer – für das kronenartige Diadem aus Bernstorf lassen sich ähnliche Funde aus den Schachtgräbern Mykenes finden (Gebhard 1999, 10-13) – genauer gefasst werden. Des Weiteren muss untersucht werden inwiefern diese Objekte Eingang in die Trachtelemente der europäischen Kulturgruppen dieser Zeit gefunden haben und ob ähnliche Elemente mit einer möglichen sakralen Bedeutung im Fundgut festzustellen sind. Zudem gilt es zu analysieren, wie sich der Wertetransfer aus Richtung Mitteleuropa hin zum östlichen Mittelmeer niederschlägt. Dabei kann dem baltischen Bernstein eine wesentliche Rolle zukommen.

 

 

Literaturverzeichnis

 

Coblenz 1986
W. Coblenz, Ein frühbronzezeitlicher Verwahrfund von Khyna, Kr. Delitzsch, Arbeits- und Forschungsberichte zur sächsischen Bodendenkmalpflege 30, 1986, 37–88

Genz 2004
H. Genz, Griechische Lanzenspitzen in Mitteldeutschland?, in: H. Meller (Hrsg.), Der geschmiedete Himmel. Die weite Welt im Herzen Europas vor 3600 Jahren ; [Begleitband zur Sonderausstellung, Landesmuseum für Vorgeschichte, Halle (Saale) vom 15. Oktober 2004 bis 24. April 2005 ; Dänisches Nationalmuseum Kopenhagen vom 1. Juli 2005 bis 22. Oktober 2005 ; Reiss-Engelhorn-Museum, Mannheim vom 4. März 2006 bis 9. Juli 2006] (Stuttgart 2004) 186–187

Gerloff 1993
S. Gerloff, Zu Fragen mittelmeerländischer Kontakte und absoluter Chronologie der Frühbronzezeit in Mittel- und Westeuropa, Prähistorische Zeitschrift 68, 1993, 58–102

Gebhard 1999
R. Gebhard, Der Goldfund von Bernstorf, Bayerische Vorgeschichtsblätter 64, 1999, 1–18

Gebhard – Rieder 2002
R. Gebhard – K. H. Rieder, Zwei bronzezeitliche Bernsteinobjekte mit Bild- und Schriftzeichen aus Bernstorf (Lkr. Freising), Germania 80, 2002, 115–133

Krause 2003
R. Krause, Studien zur kupfer- und frühbronzezeitlichen Metallurgie zwischen Karpatenbecken und Ostsee, 2000 24 (Rahden/Westf 2003).

Schoknecht 1972
U. Schoknecht, Ein neuer Hortfund von Melz, Kreis Röbel, und die mecklenburgischen Stabdolche, Bodendenkmalpflege in Mecklenburg 1971, 1972, 233–253