Antragstellerin: Tanja Zerl

Förderung: Promotionsstipendiatin der Stiftung zur Förderung der Archäologie im rheinischen Braunkohlenrevier (Antrag Nr. 193) von 2007 bis 2009


Einleitung und Forschungsstand

Die rheinischen Lössbörden zwischen Köln, Aachen und Erkelenz zählen zu den fruchtbarsten Landschaften im westlichen Europa. Aufgrund dessen wird diese Region seit der Jungsteinzeit ununterbrochen von bäuerlichen Gesellschaften bewohnt und genutzt.

Seit Jahrzehnten finden hier zahlreiche archäologische Ausgrabungen im Vorfeld der Tagebaue statt, weshalb die Region zu einer der bestuntersuchtesten in Europa zählt. Bei diesen Ausgrabungen werden neben der Dokumentation und Bergung der archäologischen Funde und Befunde auch repräsentative Ausschnitte des (archäo-)biologischen Fundmaterials für weitere Untersuchungen entnommen, mit denen es möglich ist, Einblicke in den Alltag der ehemaligen Bevölkerung zu erhalten.

Während der letzten vier Jahrzehnte wurden zahlreiche bronze- und eisenzeitliche Fundstellen aus der rheinischen Lössbördenzone von Dr. Karl-Heinz Knörzer und dem Labor für Archäobotanik der Universität zu Köln archäobotanisch bearbeitet. Leider fehlt es bis heute an einer Synthese dieser nur zum Teil publizierten Ergebnisse (u.a. Knörzer 1971, ders. 1980, Meurers-Balke et al. 2001). Im Rahmen einer Dissertation ist es nun möglich, auf den schon vorhandenen Datenbestand zuzugreifen und diesen durch weitere archäobotanische Untersuchungen zu ergänzen. Für die eigenen Analysen wurden die im Rheinischen Amt für Bodendenkmalpflege eingelagerten Bodenproben aus metallzeitlichen Siedlungen aus der Braunkohlentagebauregion gesichtet, ausgewählt und aufbereitet. Diese Vorarbeit wurde im Rahmen eines zweijährigen, durch sie Stiftung zur Förderung der Archäologie im rheinischen Braunkohlenrevier geförderten Projektes von 2004 bis 2006 finanziert. Besagte Stiftung unterstützte zudem das beschriebene Dissertationsvorhaben durch ein Stipendium für weitere zwei Jahre.

Datengrundlage

Die meisten der in diese Analyse einbezogenen Fundplätze liegen in der rheinischen Braunkohlentagebauregion; zusätzliche Daten stammen aus archäologischen Untersuchungen, die in der östlich angrenzenden Kölner Bucht durchgeführt wurden. Um einen diachronen Überblick der archäobotanischen Daten zu ermöglichen, wurde die untersuchten Fundplätze in fünf voneinander zu differenzierende chronologische Gruppen eingeteilt, welche sich an Arbeiten zur Siedlungsentwicklung in dieser Region anlehnen (Simons 1989). Es stehen Pflanzenspektren aus über 60 Siedlungen aus dem Arbeitsgebiet für eine umfassende Untersuchung der metallzeitlichen Landwirtschaft zur Verfügung.

Fragestellung

Neben der Vorstellung des archäobotanischen Datenbestandes aus den metallzeitlichen Fundstellen hat das vorgestellte Dissertationsvorhaben folgende Ziele:

  • Rekonstruktion des landwirtschaftlichen Alltags der in den letzten zwei vorchristlichen Jahrtausenden in den rheinischen Lössbörden ansässigen Bevölkerung.
  • Synchroner und diachroner Vergleich der archäobotanischen Daten in Verbindung mit den archäologisch fassbaren Siedlungsmustern und –strukturen. Eine Frage ist u.a., ob die Entwicklung von der früheisenzeitlichen Streusiedlung zur späteisenzeitlichen Dorfstruktur (Simons 1989) auch mit einer wirtschaftlichen Veränderung einhergeht.
  • Untersuchung des Einflusses der metallzeitlichen Landwirtschaft auf die Bodenentwicklung.
  • Ein Vergleich der metallzeitlichen Landwirtschaft in den rheinischen Lößbörden mit zeitgleichen Komplexen anderer Regionen, welche zum gleichen „Kulturkreis“ zu zählen sind. Hierfür liegen u.a. umfassenden Untersuchungen zur vorrömischen Landwirtschaft Hessens und Mainfrankens (Kreuz 2005), Analysen aus eisenzeitlichen Fundstellen des Mittelrheingebietes (Kroll 2001, Herbig 2008, Zerl 2005, dies 2007) sowie die umfangreichen archäobotanischen Untersuchungen im Rahmen des DFG-Schwerpunktprogramms „Zur Genese und Entwicklung ‚frühkeltischer Fürstensitze’ und ihres territorialen Umlandes“ (z.B. Kreuz/Schäfer 2008, Fischer er al. 2010) zur Verfügung.
  • Klärung, welche Stellung die rheinischen Landwirtschaft im Vergleich zur südlich anschließenden Mittelgebirgsregion und der nördlicher gelegenen Tiefebene einnimmt. Kann in der vorrömischen Eisenzeit die Untersuchungsregion als Übergangszone zwischen dem „keltischen“ Süden und den eher „germanisch“ geprägten Regionen in Westfalen und/oder den Niederlanden angesprochen werden? Für eine solche Untersuchung kann u.a. auf unpublizierte Daten für das „germanische“ Westfalen zugegriffen werde, welche durch das Labor für Archäobotanik der Universität zu Köln zur Verfügung gestellt werden.


Literatur

Herbig 2008: Chr. Herbig, Archäobotanische Untersuchungen in der frühlatènezeitlichen Siedlung in Ochtendung "Am Oberholz", Kreis Mayen-Koblenz. In: Ber. Arch. Mittelrhein u. Mosel 13 (Trier 2008) 217-230.

Fischer er al. 2010: E. Fischer, M. Rösch, M. Sillmann, O. Ehrmann, H. Liese-Kleiber, R. Voigt, A. Stobbe, A.J. Kalis, E. Stephan, K. Schatz, A. Posluschny, Landnutzung im Umkreis der Zentralorte Hohenasperg, Heuneburg und Ipf. Archäobotanische und archäozoologische Untersuchungen und Modellberechnungen zum Erntepotential von Ackerbau und Viehzucht. In: D. Krausse (Hrsg.), „Fürstensitze“ und Zentralorte der frühen Kelten. Abschlusskolloquium des DFG-Schwerpunktprogramms 1171 in Stuttgart, 12.–15. Oktober 2009 (Stuttgart 2010) 195–266.

Knörzer 1971: K-H. Knörzer, Eisenzeitliche Pflanzenfunde im Rheinland. Bonn. Jahrb. 171, 1971, 1‑8.

Knörzer 1980: K.-H. Knörzer, Subfossile Pflanzenreste au der jüngerlatènezeitlichen Siedlung bei Laurenzberg, Gem. Eschweiler, Kr. Aachen. Bonner Jahrb. 180, 1980, 442‑457.

Kreuz 2005: A. Kreuz, Landwirtschaft im Umbruch? Archäobotanische Untersuchungen zu den Jahrhunderten um Christi Geburt in Hessen und Mainfranken. Ber. RGK 85, 2004 (2005) 97–292.

Kreuz/Schäfer 2008: Al. Kreuz, E. Schäfer, Archaeobotanical consideration of the development of Pre-Roman Iron Age crop growing in the region of Hesse, Germany, and the question of agricultural production and consumption at hill fort sites and open settlements. Veget. Hist. Archaeobot. 17, 2008, 159–179.

Kroll 2001: H. Kroll, Die Pflanzenfunde von Wierschem. In: C.A. Jost, Die späthallstatt- und frühlatènezeitlichen Siedlung von Wierschem, Kreis Mayen-Koblenz. Ein Beitrag zur eisenzeitlichen Besiedlung an Mittelrhein und Untermosel. Ber. Archäol. Mittelrhein u. Mosel 7; Trierer Zeitschr. Beih. 25 (Trier 2001) 153–546.

Meurers-Balke et al. 2001: J. Meurers-Balke, K. P. Wendt, K. van Zijderveld, Siedlungsstellen der vorrömischen Eisenzeit – zur Umweltarchäologie des Indetals. Arch. Rheinland 2000 (2001) 55‑58.

Simons 1989: A. Simons, Bronze- und eisenzeitliche Besiedlung in den Rheinischen Lößbörden. Archäologische Siedlungsmuster im Braunkohlengebiet. BAR Internat. Ser. 467 (Oxford 1989).

Zerl 2005: T. Zerl, Archäobotanische Auswertung der verkohlten Großreste. In: H. Fehr und H.-E. Joachim, Eine frühletènezeitliche Siedlung in Kerben, Kr. Mayen-Koblenz. Arch. Ber. Mittelrhein u. Mosel 10 (Trier 2005) 258–268.

Zerl 2007: T. Zerl, Die pflanzlichen Reste vom „Münsterer Weg“ (Ochtendung, Kreis Mayen-Koblenz). Arch. Ber. Mittelrhein u. Mosel 12 (Trier 2007) 43–50.