Antragsteller: Prof. Dr. Rüdiger Krause

Förderung: FWF im Rahmen des SFB HiMAT der Universität Innsbruck „Die Geschichte des Bergbaus in Tirol und seinen angrenzenden Gebieten- Auswirkungen auf Umwelt und Gesellschaft“ von 2007 bis 2010; Aufarbeitung noch nicht abgeschlossen.

Wissenschaftliche Mitarbeiter: Franziska Würfel M.A. (Friaga Wald, Bodaweg), Dr. Astrid Röpke (Bodenkunde/Mikromorphologie/Palynologie)

Kooperationspartner: Prof. Dr. Klaus Oeggl (Institut für Botanik der Universität Innsbruck), Dr. Mag. Stefan Schwarz (Institut für Botanik der Universität Innsbruck), Dr. Joachim Lutz (Curt-Engelhorn-Zentrum Archäometrie gGmbH Mannheim), Martin Schaich M.A. (ArcTron GmbH in Altenthann), Dr. Arno Patzelt (Terrana Geophysik in Mössingen).


Das Montafon, eine in Westösterreich gelegene inneralpine Tallandschaft, ist eine Modellregion für Untersuchungen zur prähistorischen Siedlungsdynamik. Vor dem Hintergrund der am Bartholomäberg und im Silbertal gelegenen Kupfer- und Eisenerzlagerstätten und deren postulierten prähistorischen Nutzung stehen vor allem Fragen zur ältesten Besiedlungsgeschichte, zu den Anfängen und der Motivation der Besiedlung, aber auch zur Wirtschaftsweise im Zentrum der Untersuchungen.

Bis zur Entdeckung der ersten prähistorischen Siedlung im Friaga Wald in der Gemeinde Bartholomäberg im Jahre 1999 galt das Montafon als eine in der Vorgeschichte unbesiedelte Region. Zahlreiche bronze- und eisenzeitliche Einzelfunde belegen die prähistorische Nutzung der Tallandschaft und frühe Wegverbindungen vom Bodenseerheintal und dem Walgau über das Montafon nach Süden. Vegetationsgeschichtliche Untersuchungen (Prof. Dr. Klaus Oeggl) an drei Mooren am Bartholomäberg (Garsella, Tschuga und Brannertsried) zeigen, dass bereits seit dem Neoltihikum eine regelmäßige Nutzung der Tallandschaft erfolgte, die jedoch erst ab der Frühbronzezeit (18./17. Jh. v. Chr.) archäologisch belegt werden kann.

 

Abb. 1 Bartholomäberg, Friaga Wald. Topographischer Plan der prähistorischen Siedlung im Friaga Wald mit den Grabungsschnitten 2000-2003 (Graphik Forschungsprojekt Montafon).

 

Ausgangspunkt der archäologischen Untersuchungen am Bartholomäberg war die prähistorische Höhensiedlung im Friaga Wald. Die 90 x 50 m große Siedlungsanlage liegt auf 940 m NN am südöstlichen Rand der Bergterrasse Platta und umfasst drei künstlich geschaffene Siedlungsplateaus. Im Zuge der zwischen 2000 und 2003 durchgeführten Ausgrabungen wurden auf den drei Plateaus sieben Sondagen angelegt, die zur Klärung der Besiedlungsstruktur, zum Aufbau der Befestigung und zur Stratigraphie der Kulturschichten beitrugen. Den bemerkenswertesten Befund stellt der Schuttwall einer bis zu 3 m breiten zweischaligen und in Trockenbautechnik errichteten Mauer dar, die die Siedlung im Norden gegen den Berghang schützte und im Süden das zentrale Siedlungsareal auf dem mittleren Plateau nach Süden sicherte. Beide Mauern datieren an den Beginn der älteren Mittelbronzezeit (16./15. Jh. v. Chr.).

 

Abb. 2 Bartholomäberg, Friaga Wald. Schnitt 4, Kampagne 2003. Blick auf den knapp 3 m breiten Fundamentsockel der Befestigungsmauer.

 

Im Bereich des zentralen Siedungsareals auf dem mittleren Plateau wurde ein 1,4 m mächtiges Kulturschichtpaket freigelegt, das vier aufeinanderfolgende Siedlungsphasen enthielt, die anhand von 14C-Daten und Funden in die Früh- und Mittelbronzezeit (18./17. Jh. v. Chr. und 16./15. Jh. v. Chr.) sowie in die ältere und jüngere Eisenzeit (7./6. Jh. v. Chr. und 5/4. Jh. v. Chr.) datiert werden können und in denen neben Feuerstellen auch Fundamentreste von Häusern in Form langer Reihen von Unterlagsteinen, Punktfundamente oder einzelne Auflagesteine zum Niveauausgleich für Holzkonstruktionen und steinverkeilte Pfostenstellungen aufgedeckt werden konnten. Obgleich die vegetationsgeschichtlichen Ergebnisse eine Siedlungskontinuität im Montafon belegen, ist aufgrund fehlender Kulturschichten zwischen der Mittelbronze- und der älteren Eisenzeit in der Höhensiedlung im Friaga Wald von einer ca. 1000jährigen Siedlungsunterbrechung auszugehen. Aus den Pollenprofilen ist aber ersichtlich, dass nicht nur eine kontinuierliche, sondern auch eine intensivere Besiedlung des Schrunser Beckens in der Mittelbronze- und Eisenzeit stattgefunden haben muss. Zudem geben Siedlungsgröße und die reichen Kupfererzvorkommen am Bartholomäberg und im Silbertal Hinweise darauf, dass es sich bei der befestigten Höhensiedlung im Friaga Wald um einen zentralen Ort mit weiteren unbefestigten Siedlungen im Umfeld handeln könnte.

 

Abb. 3 Bartholomäberg, Bodaweg. Bronzezeitlicher Siedlungsplatz. Vor dem geomagnetischen Plan ist die großräumig erforschte Siedlungsfläche dargestellt, deren westlicher Bereich durch eine Senke gekennzeichnet ist, die wiederum von Felsformationen begrenzt wird. Ein Großteil der freigelegten Brandgruben zeichnete sich bereits in der Geomagnetik ab.

 

Umfangreiche Begehungen und Prospektionen führten im Jahr 2003 zur Entdeckung einer weiteren prähistorischen Siedlung am Bartholomäberg. Auf einer Verebnung südlich des Bodawegs ca. 980 m NN und 430 m nordwestlich der Siedlung im Friaga Wald wurden auf Grundlage der geomagnetischen Prospektion und der Verteilung der festgestellten Anomalien zwischen 2005 und 2008 sieben Sondagen von ca. 5-6 m breite und 30-50 m Länge mit einer Fläche von rund 1580 m2 freigelegt. Ein großer Teil der Siedlungsreste war in eine flache Mulde zwischen zwei Felsformationen im Norden und im Süden eingebettet. Bodenkundliche Untersuchungen (Dr. Astrid Röpke) zeigen, dass es sich bei den erhalten gebliebenen zwei Kulturschichten um die Reste kolluvialer Ereignisse handelt, die über archäologische Befunde in die jüngere Mittelbronzezeit (14./13. Jh. v. Chr.) datiert werden können. In das bis zu 30 cm mächtige Kolluvium waren zahlreiche Gruben eingetieft. Besonders auffällig waren hier unterschiedlich große Siedlungsgruben, die mit Brandschutt aufgefüllt waren und die entsprechend der Art und Weise ihrer Verfüllung in unterschiedliche Gruppen gegliedert werden konnten. Die Gruben waren mit sehr viel Holzkohle, Asche sowie zahlreichen faust- bis kopfgroßen Steinen verfüllt gewesen. Die fehlende Brandrötung am Grubenboden weist darauf hin, dass der Brennvorgang selbst an anderer Stelle stattgefunden haben muss. Die ehemalige Funktion, in deren Zusammenhang die Gruben bzw. ihre Verfüllungen standen, ist nach wie vor unklar. Verschiedene naturwissenschaftliche Untersuchungen weisen darauf hin, dass die verlochten Brandreste zusammen mit den stark erhitzten Steinen mit Trocknungsvorgängen von Früchten und Getreide in Verbindung gebracht werden können (Dr. Stefan Anton Schwarz). Ein denkbarer Zusammenhang mit metallurgischen Prozessen, wie etwa dem Erhitzen von Erzen, ließ sich durch Schwermetallanalysen von Bodenproben aus den Brandgruben, deren Umfeld und außerhalb der Grabungsfläche nicht verifizieren (Dr. Joachim Lutz). 

 

Abb. 4 Bartholomäberg, Bodaweg. Schnitt 1, Brandgrube 12, Kampagne 2005.

 

Unterhalb des Kolluviums und über dem anstehenden Boden wurden außerdem Reste einer älteren Siedlungsphase identifiziert, die anhand mehrerer 14C-Daten an Holzkohlen in die jüngere Frühbronzezeit (18./17. Jh. v. Chr.) zu datieren ist.  

Weitere Prospektionen auf dem Gewann Dünglers Ebnis am Bartholomäberg erbrachten im Jahr 2006 Hinweise auf einen weiteren prähistorischen Siedlungsplatz der ältere Mittelbronzezeit (15./16. Jh. v. Chr.). Während der Ausgrabungen ergänzten Funde und 14C-Daten der älteren Eisenzeit das bisherige Bild der Siedlungskammer am Bartholomäberg (vgl. Magisterarbeit Rudolf Klopfer). Alle drei Siedlungsplätze belegen eine differenzierte Siedlungstätigkeit am Bartholomäberg zwischen der jüngeren Frühbronzezeit und der jüngeren Mittelbronzezeit sowie der älteren und jüngeren Eisenzeit. Inwieweit der Bergbau und die Gewinnung von Kupfer- und Eisenerzen bei der Besiedlung des Montafon eine Rolle gespielt hat, konnte bisher noch nicht geklärt werden. Aus den bisherigen archäobotanischen Untersuchungen geht jedoch deutlich hervor, dass seit der jüngeren Frühbronzezeit Subsistenzwirtschaft – Ackerbau, Weidewirtschaft und Sammelwirtschaft – die Versorgungsbasis bildete (Dr. Alexandra Schmidl).

 

 

 

 

Literatur:

R. Krause, Leben in Extremen - Besiedelung des Alpenraumes. AiD 4, 2008, 18-21.

R. Krause, Die urgeschichtliche Besiedlung des Montafons. Zur Archäologie einer inneralpinen Siedlungskammer. In: R. Rollinger / A. Rudigier (Hrsg.), Montafon 2. Besiedlung –Bergbau – Relikte. Von der Steinzeit bis zum Ende des Mittelalters (Schruns 2009) 10-49.

R. Krause, D. Bechter, J. Lutz, K. Oeggl, E. Pernicka,  A.S. Schwarz, P. Tropper, F. Würfel, Prähistorische Siedlungen und mittelalterlicher Bergbau im Montafon, Vorarlberg. In: G. Goldenberg, U. Töchterle, K. Oeggl, A. Krenn-Leeb (Hrsg.), Forschungsprogramm HiMAT – Neues zur Bergbaugeschichte der Ostalpen. AÖ Spezial 2011(2012), 147-166.

K. Oeggl, W. Kofler, N. Wahlmüller, Pollenanalytische Untersuchungen zur Vegetations- und Siedlungsgeschichte im Montafon. In: J. Rollinger/R. Rollinger (Hrsg.), Montafon I: Mensch – Geschichte – Naturraum. Die lebensweltlichen Grundlagen. Das Montafon in Geschichte und Gegenwart 1 (Schruns 2005), 183-207

K. Oeggl, N. Wahlmüller, Der Mensch und die Umwelt bis heute. Ein pollenanalytischer Beitrag zur Siedlungsgeschichte des Montafon. In: R. Rollinger / A. Rudigier (Hrsg.), Montafon 2. Besiedlung –Bergbau – Relikte. Von der Steinzeit bis zum Ende des Mittelalters (Schruns 2009) 50-65.

A. Schmidl, W. Kofler, N. Oeggl-Wahlmüller, K. Oeggl, Land use in the Eastern Alps during the Bronze Age – An archaebotanical case study of a hilltop settlement in the Montafon (Western Austria). In: Archaeometry 47,2, 2005, 455-470.

A. Schmidl, K. Oeggl, Subsistence strategies of two Bronze Age hill-top settlements in the eastern Alps - Friaga/Bartholomäberg (Vorarlberg, Austria) and Ganglegg/Schluderns (South Tyrol, Italy). Vegetation History and Archaeobotany 14/4, 2005, 303-312.

A. Schmidl, S. Jacomet, K. Oeggl, Distribution patterns of cultivated plants in the Eastern Alps (Central Europe) during Iron Age. In: Journal of Archaeological Science 34,2, 2007, 243-254.

A.S. Schwarz, K. Oeggl, Die Waldnutzung im Montafon während der Bronzezeit, in: K. Oeggl/M. Prast (Hrsg.), Die Geschichte des Bergbaus in Tirol und seinen angrenzenden Gebieten. Proceedings zum 3. Milestone-Meeting des SFB HiMAT 2008, Silbertal (Innsbruck 2009) 215-219.

F. Würfel, T. Zerl, R. Krause, Neue Ergebnisse der archäologischen Forschungen im Montafon (Vorarlberg). Prähistorische Siedlungsforschung, Montanarchäologie und römische Alpwirtschaft. JbVorarlLM, 2010, 114-143.

F. Würfel, A. Röpke, J. Lutz, R. Krause, Prähistorische Siedlungsdynamik und Bergbau in einer inneralpinen Siedlungskammer. Archäologische, geoarchäologische, archäometallurgische und archäobotanische Untersuchungen  im Montafon, Vorarlberg. AKorrBl 40,4, 2010, 503-523,

F. Würfel, Bronzezeitliche Landschafts- und Siedlungsdynamik am Bartholomäberg. In: K. Oeggl und M. Prast (Hrsg.), Die Geschichte des Bergbaus in Tirol und seinen angrenzenden Gebieten. Proceedings zum 3. Milestone-Meeting des SFB HiMAT vom 23.-26.10.2008 in Silbertal. Innsbruck, 2009, 203-210.