Kastellvicus Florstadt – Ober-Florstadt, Wetteraukreis

Lehrgrabung 2006

Die diesjährige Lehrgrabung fand von August bis Oktober 2006 im Kastellvicus Flor­stadt – Ober-Florstadt statt. Die mit der Kreisarchäologie des Wetterau­kreises (Dr. J. Lindenthal) abgestimmte Maßnahme wurde von der Stadt Florstadt (Bürgermeister H. Unger) getragen und durch den örtlichen Bauhof logistisch unterstützt. Unter der örtlichen Leitung von A. Reis M.A. (bis Anfang September) und Dr. A. Heising wurden 10 Studierende in die Techniken einer archäologischen Ausgrabung eingeführt.

Auf zwei der letzten freien Baugrundstücke des seit 1975 zügig bebauten Straßenzuges „Auf der Warthe“ wurden drei Flächen mit einer Gesamtaus­dehnung von 300 m² untersucht.

Das Gelände liegt am Nordosthang des Kastellplateaus in Richtung des Flüss­chens Nidda und dürfte das Nordende des Kastellvicus markiert haben. Östlich schließt sich ein N-S-verlaufender Hohlweg an (heutige Feldstraße, ehemals Holzweg), auf dessen Ostseite ein großer, vielgliedriger Gebäude­komplex liegt, der als Badegebäude der Kastellbesatzung oder als Mansio interpretiert wird.

Nach einer, aus älteren Aufzeichnungen übernommenen Kartierung im ORL war zu vermuten, dass die Grabungsfläche im Westen direkt an das 1887/88 ergrabene Mithräum von Ober-Florstadt grenzt, wenn nicht sogar Teile des Heiligtums mit einschließt.

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Abb. 1: Lage nach ORL.

 
Abb. 2: Öffnen der Gra­bungs­schnitte.

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Abb. 3: Fläche 3, Ansicht
des Planums mit Gräbchen
und Pfostengruben.


Abb. 4: Schnitt durch ein
Mauerfundament.

Die Hoffnung, auf klare Hinweise des Mithräums zu stoßen und so die (vage) Kartierung im ORL verifizieren zu können, erfüllte sich jedoch nicht. Vermutlich liegt das Späleum geringfügig weiter südlich als bisher angenommen. Innerhalb der Grabung konnten keine Baubefunde beobachtet werden, die sicher dem Mithräum oder einem zu postulierenden temenos zuzurechnen wären. Allerdings sind einige Kleinfunde, darunter 2 anpassende Wandscherben eines Kruges mit einer roten Pinselaufschrift, vielleicht mit dem nicht allzu weit entfernt liegenden Heiligtum in Verbindung zu bringen.

Anstatt der erwarteten, lockeren Vicusrandbebauung mit möglichen Hand­werksbefunden und Müllgruben wurden innerhalb der Grabungsschnitte sechs Streifenhausparzellen des vicus angeschnitten. Die Parzellen waren im Schnitt 5-6 m breit und mindestens 50 m tief. Die Grundstücksaufteilung folgt dem üblichen Streifenhaus-Schema mit einer dichten Bebauung zur Straßenfront hin, einem anschließenden Hofbereich und einem Gartenanteil im rückwärtigen Areal. Die Grundstücke lagen vermutlich an einer hangparallelen, um das Kastell herumführenden Ringstraße, die hier in einer langgezogenen Kurve der nordöstlichen Grabenecke folgt.

Die zahlreichen Befunde zeugen von mehreren Holzbauphasen und 1-2 Steinbauphasen, je nach Parzelle. Nach einer ersten Übersicht der Funde scheint die Bebauung flächig in domitianischer Zeit einzusetzen. Die meisten Befunde gehören in die erste Hälfte und die Mitte des 2. Jhs. Danach dünnen die Befunde stark aus, auch unter den Lesefunden finden sich nur wenige spätere Stücke. Das 3. Jh. ist nur noch mit einer Handvoll Funde aus dem kolluvialen Oberboden vertreten.

Alexander Heising

Literatur:

  • ORL B Nr. 19 (Berlin 1914).
  • D. Baatz, in: F.-R.Herrmann/D. Baatz (Hrsg.), Die Römer in Hessen (Stuttgart 1982) 274 f.
  • P. Wagner, Zum Kastellvicus des Kastells Oberflorstadt. In: Studien zu den Militärgrenzen Roms III. 13. Internationaler Limeskongreß Aalen 1983. Forsch. u. Ber. z. Vor- u. Frühgesch. Baden-Württemberg 20 (Stuttgart 1986) 281–283.
  • H. Schubert, Ein kaiserzeitlicher Denarfund aus dem Kastell von Ober-Florstadt. Wetterauer Geschbl. 40, 1991, 271–285.
  • P. Wagner, Der Nordwestvicus des Kastells Ober-Florstadt. Wetterauer Geschbl. 40, 1991, 245–247.
  • H. Schubert, Der Denarschatz von Ober-Florstadt. Ein römischer Münzschatz aus dem Kohortenkastell am östlichen Wetterau-Limes. Arch. Denkm. Hessen 118 (Wiesbaden 1994).
  • A. Heising/J. Lindenthal/A. Reis, In Nachbarschaft des Mithräums – Einblicke in die Struktur des Lagerdorfs von Florstadt – Ober-Florstadt, Wetteraukreis. Hessen-Archäologie 2006 (2007) 79-82.