Religionspädagogik in Frankfurt

Kann ein Mensch religiös gebildet sein, ohne an einer religiösen Praxis zu partizipieren? Was unterscheidet überhaupt einen gebildeten Menschen von einem ungebildeten, und was einen religiösen von einem nichtreligiösen? Was lässt sich dazu aus der langen Geschichte des Christentums in Deutschland, aber auch von anderen Religionen und Ländern lernen? Und welches pädagogische Wissen sollten Theologiestudierende für das Pfarr- und Lehramt erwerben?

Aus diesen Leitfragen ergeben sich die Aufgaben der Religionspädagogik, wie sie am Frankfurter Fachbereich für Evangelische Theologie vertreten wird: Sie beschäftigt sich mit der Theorie und Praxis religiöser Sozialisation, Erziehung und Bildung in historischer, empirischer, vergleichender, systematischer und handlungsorientierender Perspektive. Ihr spezifisches Profil resultiert aus den Herausforderungen einer modernen Großstadt, in der mehr als zwei Drittel der Einwohner keiner oder einer anderen Konfession bzw. Religion als der evangelischen angehören. Im Studium wird vor diesem Hintergrund besonders Wert gelegt auf die…

  • Geschichte religiöser Bildung in der Moderne in all ihren Facetten vom Kindergarten über Schulen und Hochschulen bis hin zu Gemeinden und Akademien etc. (historische Religionspädagogik).
  • Beschreibung der gegenwärtigen Bildungspraxis unter Einbeziehung aller individuellen Lernvoraussetzungen und sozialen Lernkontexte (empirische Religionspädagogik).
  • vergleichende Analyse von Bildungssystemen zwischen verschiedenen Konfessionen, Religionen und Ländern (vergleichende Religionspädagogik).
  • systematische Klärung der eingangs genannten Leitfragen unter Einbeziehung der Theologie, Erziehungswissenschaft, Soziologie und Psychologie etc. (systematische Religionspädagogik).
  • Reflexion von Handlungswissen für die Bildungsarbeit in und mit Familien, Schulen, Gemeinden und Medien (handlungsorientierende Religionspädagogik).

Auch wenn der Fachbereich erst 1987 gegründet wurde, kann die Stadt bereits auf eine lange Tradition der Religionslehrerbildung in Frankfurt zurückblicken: Die Gymnasiallehrerbildung wurde seit der Universitätsgründung 1914 mit Theologieprofessuren und Lehraufträgen an der Philosophischen Fakultät und ab 1967 an der Abteilung für Erziehungswissenschaft abgedeckt. Der preußische Staat wagte zudem in der weltoffenen Handels- und Messestadt ein bildungspolitisches Experiment: Die Gründung einer Pädagogischen Akademie, an der ab 1926 evangelische, katholische und jüdische (!) Volksschullehrerinnen und -lehrer gemeinsam studieren sollten. Auch wenn dieses Experiment scheiterte und die Nationalsozialisten die Lehramtsbildung 1934 nach Weilburg verlegten, wurde sie zur Keimzelle des 1987 gegründeten Fachbereichs. Dieser ging – vereinfacht gesagt – aus den Theologieprofessuren der Pädagogischen Hochschulen und der Abteilung für Erziehungswissenschaft hervor. In der Anfangszeit vertrat Dieter Stoodt die Evangelische Religionspädagogik, von 1990 bis 2013 Hans-Günter Heimbrock. Der von ihm etablierte Schwerpunkt auf kommunikationsfördernde Lehrveranstaltungen und die ‚empirisch-theologische Erschließung gelebter Religion‘ gab dem Theologiestudium in Frankfurt sein spezifisches Profil.

Heute studieren ca. 700 Studierende evangelische Theologie an der Goethe-Universität, darunter zwei Drittel für das Lehramt an Gymnasien, Grund-, Haupt/Real- und Förderschulen. Nähere Informationen zu den Studiengängen und zu den Prüfungen für das Erste Staatsexamen finden Sie auf der Homepage des Fachbereichs.

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