Panel 1: Rechtsnormen und ethischer Diskurs - Ansätze für eine Philosophie des islamischen Rechts

Panelleitung: Jameleddine Ben Abdeljelil, Frankfurt/Mouez Khalfaoui, Tübingen

Die Auseinandersetzung mit der Methodenlehre des islamischen Rechts (uṣūl al-fiqh) bzw. mit den Maximen der islamischen Jurisprudenz (maqāṣid aš-šarīʿa) und den modernen methodologischen Konzepten der Rechtsphilosophie hat als Zielsetzung, konzeptuelle Ansätze  einer „Philosophie des islamischen Rechts“ herauszubilden. Als ein Synonym für maqāṣid ist der Begriff maṣāliḥ (ar. maṣlaḥa / dt. Interessen, Wohl) im Gebrauch. Mit dieser Begriffsbedeutung verschiebt sich in der islamischen Jurisprudenz der Fokus von der unterstellten Intention des Gesetzgebers (Gott) zur Beschäftigung mit den Interessen der Menschen. Damit geht ein schleichender Paradigmenwechsel in der Hermeneutik der islamischen Jurisprudenz einher. Die Offenbarungsschriften (Koran und Ḥadīṯ) werden entsprechend den Grundinteressen der Menschen interpretiert und ausgelegt. Dieser Paradigmenwechsel wird als humanistisches Moment in der islamischen Jurisprudenz in ihren Maximen und Richtlinien greifbar. Die Grundorientierung der islamischen Jurisprudenz, das Gute und Wohlbringende zu verheißen und das Böse und Schädliche zu verbannen,  führt unvermeidlich zu weiteren Überlegungen über die ethischen Maximen, die dem islamischen Rechtssystem zugrunde liegen. Die Spannung zwischen ethischen Werten, Rechtsnormen und deren Schriftgrundlage einerseits und historisch veränderter Realität andererseits bildet die Grundlage für die Ansätze einer islamischen Rechtsphilosophie. Eine solche Philosophie, die sich mit der islamischen Jurisprudenz, mit deren Rechtsnormen, mit den sozialen Normen und ethischen Maximen auseinandersetzt, schafft die wesentliche Grundlage dafür, eine moderne aufklärungsorientierte Rechtsauffassung zu begründen. Die Vielfalt und die Diversität der islamischen Rechtsschulen und ihre grundsätzliche gegenseitige Akzeptanz unterstreichen den „entsakralisierten“ und den diskursiven Charakter der islamischen Jurisprudenz.

Referenten

Baber Johansen (Cambridge, Massachusetts)
Das Recht anderer Meinung zu sein: Ein grundlegendes Konstruktionsprinzip des islamischen Rechts

Serdar Kurnaz (Frankfurt)
Der Schlüssel zur Begründung göttlicher Normen: Die bayān-Theorie als grundlegendes Kommunikationsmodell der uṣūl al-fiqh

Abdelmajid Najar (Tunis)
القيم الأخلاقية في التشريع الإسلامي : التشريع الاقتصادي أنموذجا
(Abstract auf Deutsch)

Hamadi Dhouib (Sfax)
تجديد الأصول وأزمة القيم 
(Abstract auf Deutsch)