Panel 5: Bioethik - Zur Frage des religiös-juristischen Begründungsanspruchs

Panelleitung: Fatma Aydınlı, Frankfurt/Ilhan Ilkılıç, Istanbul

Neue Handlungsmöglichkeiten in den Biotechniken lassen neue Entscheidungssituationen entstehen, die einer verantwortungsvollen Auseinandersetzung und einer vertieften ethischen Reflexion bedürfen.  Hierbei ist die globale und wertplurale Gesellschaft gefordert, in ihren Zielen und Richtungen eine klare Position einzunehmen, sich über ihren Standpunkt zu vergewissern und die Entwicklungen des technisierten Fortschritts zu beurteilen und zu bestimmen. Die notwendige interdisziplinäre Herangehensweise der Naturwissenschaften und der religiösen Jurisprudenz kann nicht  isoliert voneinander ausgearbeitet werden und bedarf daher einer praxisnahen Lösungsorientierung. Insbesondere die Explikation von Hintergrundannahmen, Argumentationslinien und die von bestimmten Wertauffassungen geprägten Lösungen der religiösen Jurisprudenz sollen Gegenstand der Auseinandersetzung des Panels sein.

Beispielsweise ist die Grenzlinie zwischen Leben und Tod unbestimmt. Wie lassen sich begriffliche Bestimmungen auf begrifflich umgrenzte Definitionen und Kriterien der Naturwissenschaften und Medizin vornehmen?  Sind Hirntote Tote oder Sterbende? Handelt es sich bei In-vitro-Embryonen um „lebendiges Zellmaterial“ oder sind diese als potenzielle Menschen zu betrachten?

Diese Art von bioethischen Fragestellungen lassen sich nicht explizit aus den Quellen der islamischen Theologie entnehmen. Hierbei kann die religiöse Jurisprudenz aufgrund der stetigen Fortentwicklung der Biotechniken durch traditionelle Definitionen, beispielsweise über Leben und Tod dem neuzeitlichen Verständnis in angemessener Form nicht gerecht werden. Welche pragmatisch-ethisch-juristischen Gründe können die Rechtsgelehrten in ihrem reflexiven Argumentationsverfahren in Bezug auf die Klassifikation von Leben und Tod leisten.  

Anhand welcher Entscheidungskriterien kann der Umgang mit den neuen Technologien geregelt werden? Die Regelung wirft damit auch die Frage nach pluralistischen Moralvorstellungen binnen der islamischen Theologie auf. In diesem Zusammenhang steht die Bewährung der Theologie und damit ihre einhergehende Reflexion in wissenschaftlich-interdisziplinärer Verantwortung auf dem Prüfstand, wenn sie besonders den Herausforderungen der Zukunft gerecht werden muss.

Welche pragmatisch-ethisch-juristischen Gründe können die Rechtsgelehrten in ihrem reflexiven Argumentationsverfahren in Bezug auf die Klassifikation von Leben und Tod leisten?

Referenten

İlhan İlkılıç (Istanbul)
Medizinische und ethische Aspekte des Hirntodes

Milad Karimi (Münster)
„Jede Seele kostet den Tod“ (Sure 3,185): Zur Bestimmung der Seele und wann sie entschwindet

İrfan İnce (Sakarya)
Islamrechtliche Positionen zum Hirntod

Fatma Aydınlı (Frankfurt)
Der Todesbegriff im Wertverhalt

Ahmet-Bekir Göksu, (Mainz)
Probleme der Hirntod-Definition aus islamisch theologischer Perspektive