Dr. Prinz Asfa-Wossen Asserate

Dr. Asfa-Wossen Asserate, Prinz aus dem äthiopischen Kaiserhaus, wurde 1948 in Addis Abeba geboren. An der dortigen Deutschen Schule bestand er als einer der ersten Äthiopier das Abitur. In Tübingen und Cambridge hat er Geschichte und Jura studiert und am Frobenius-Institut der Goethe-Universität promoviert. Die Revolution in Äthiopien machte seine Pläne zunichte, in die Heimat zurückkehren. Er blieb in Deutschland und arbeitete als Journalist und Pressechef der Düsseldorfer Messe. Heute ist er als Unternehmensberater für Afrika und den Mittleren Osten tätig.

Sein Buch „Manieren“ wurde von feierten die Kritiker als ein „grandioses, sprachmächtiges Sittenbild unserer Zeit“. 2004 wurde er dafür mit dem Adelbert-von-Chamisso-Preis ausgezeichnet. 2007 erschien seine Autobiographie „Ein Prinz aus dem Hause David – und warum er in Deutschland blieb“, die mehrere Wochen in den Bestsellerlisten stand.

Seit vielen Jahren engagiert er sich für eine neue politische und wirtschaftliche Ordnung in Afrika, insbesondere in seinem Heimatland Äthiopien, und hat darüber mehrere Essays in europäischen Zeitschriften veröffentlicht.

Welche Bedeutung hatte Ihre Studienzeit für Sie aus heutiger Sicht?
Die Zeit in Frankfurt von 1972 bis zu meiner Promotion 1978 hat mich sehr geprägt. Ich fühle mich glücklich und sehr geehrt, dass ich bei einem Mann wie Prof. Eike Haberland, dem damaligen Direktor des Frobenius-Instituts und ein sehr angesehener Afrikanist und vor allem Äthiopist, promovieren durfte.

Frankfurt hat mich in jeder Hinsicht geprägt. Nicht nur die Universität, auch die Stadt selbst. Ich kam zu einer Zeit hierher, in der Frankfurt „brannte“. Es waren sehr interessante, politisch kontroverse Zeiten, und es verging kaum ein Tag ohne eine Demonstration auf den Straßen.

Welches Ereignis Ihrer Studienzeit ist Ihnen in besonderer Erinnerung geblieben?
Ich war zwei Jahre in Frankfurt, als der Moment kam, der mein ganzes Leben veränderte. Als ich in meinem Zimmer am Beethovenplatz morgens um 6 Uhr BBC anschaltete, hörte ich im Radio von der Erschießung meines Vaters. Zusammen mit ihm wurden über 60 Personen in einer Nacht erschossen. Es war ein richtiges Massaker. Und die Reaktion der Frankfurter Bürger! Menschen, die mich niemals gesehen hatten, kamen zu Hunderten zu dem Requiem, das ich für meinen Vater im Dom abhielt, um mir zeigen, dass sie auf meiner Seite sind und wie schrecklich sie das finden. Das ist einer der Momente, die ich nicht vergessen kann.

Was war Ihre liebste Freizeitbeschäftigung während des Studiums?
Ich bin sehr viel ins Theater und in die Oper gegangen. Die Oper liebe ich besonders, und bis zum heutigen Tag hat mich die Frankfurter Oper nicht enttäuscht. Ich bin auch ein Cineast und war sehr glücklich, als in Frankfurt das Filmmuseum entstand.

Wo trafen Sie sich mit Ihren KommilitonInnen außerhalb der Universitäts-Veranstaltungen?
Man traf man sich natürlich in den entsprechenden Kneipen, zum großen Teil in Sachsenhausen im Fichtekränzi und im Kanonesteppel. Ab und zu ging man auch in den Wagner, obwohl dieser damals von den linken Studenten als reaktionär abgestempelt wurde, weil die Bürger dorthin gingen. Und dann natürlich ins Doctor Flotte!

Wo wohnten Sie während Ihres Studiums? Wenn es eine WG war – mit wem lebten Sie zusammen?
Ich wohnte privat am Beethovenplatz als Mieter bei Familie Jäger. Es war eine wunderschöne Altbauwohnung. Direkt nebenan war die berühmt-berüchtigte „Sponti-Villa“ der linken Studenten. Das war ganz lustig.

Was war Ihr wichtigster akademischer oder beruflicher Erfolg?
Dass ich an einer Institution von Weltrang wie dem Frobenius-Institut in einem afrikanischen Fach promovieren konnte, darauf bin ich stolz. Und bei dieser Gelegenheit möchte ich dafür plädieren, dass man diese Institutionen nicht vergisst oder stiefmütterlich behandelt. Man spricht seit einigen Jahren von den „Orchideenfächern“ und vergisst dabei, dass diese Fächer die deutschen Universitäten teilweise zu dem gemacht haben, was sie sind. Viele wissen nicht, dass es in Deutschland die Äthiopistik gab, bevor es die Germanistik gab. Die Universitäten müssen diese Fächer weiterhin betreiben, auch wenn sie hier und da ein bisschen Geld kosten.

Welche Eigenschaften sollten Hochschullehrer beziehungsweise Studierende mitbringen?
Ich glaube, auf beiden zuerst einmal Respekt. Es hat überhaupt keinen Sinn, wenn der Student keinen Respekt vor seinem Lehrer hat, und umgekehrt der Professor keinen Respekt vor seinen Studierenden. Abgesehen davon sollte der Hochschullehrer Großzügigkeit zu seinen Tugenden zählen, und der Student sollte ein gewisses Verständnis mit sich bringen für die vielen Probleme seiner Lehrer.

Was würden Sie heutigen Studierenden raten, um beruflich erfolgreich zu sein?
Gerade hier in Deutschland hat es in letzter Zeit eine Spezialisierung gegeben, die zu früh stattfindet. Man hat manchmal das Gefühl, dass man zum Fachidioten ausgebildet wird. Und das sollte in einer Universität, die für sich beansprucht, universale Bildung zu vermitteln, nicht geschehen. Vielleicht wird die Zeit bald kommen, und das wäre wunderschön, wo man, bevor man irgendetwas studiert, ein Studium Generale absolviert, für ein oder zwei Semester. Es würde nicht schaden, wenn alle ein bisschen über Mathematik, Astronomie, Philosophie und Theologie lernen würden, unabhängig davon, was sie dann später studieren.

Wie sieht für Sie die Universität der Zukunft aus?
Ich hoffe, dass die Universität der Zukunft die Internationalisierung weiter forcieren wird und damit Abschlüsse, die weltweit akzeptiert werden. Obwohl es mir bei vielen Fächern leid tut, ist es gut, dass man in Deutschland jetzt auch BA und MA-Abschlüsse hat. Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass es für ausländische Studenten eine richtige Qual war, hier in Deutschland studiert und dabei viel Zeit verbracht zu haben, mehr als die Studenten in Amerika, England oder Frankreich. Mit der Einführung von Bachelor und Master gibt es nun Abschlüsse, die international vergleichbar sind.

Wir sollten von Cambridge, Oxford und Harvard auch das Tutoren-System übernehmen. Dadurch würde ein engerer Kontakt zwischen Lehrern und Studenten entstehen, und die Leistungen würden steigen. Was man auf der anderen Seite dadurch verlieren könnte, ist das, was ich so sehr genossen habe: die deutsche akademische Freiheit. Und schließlich findet die Zeit, in der ein Studium kostenlos war, vermutlich langsam ein Ende. Nur wenige Länder werden sich das noch leisten können, in den nächsten 20 Jahren seltsamerweise in erster Linie die Länder in der Dritten Welt.

Wenn Sie einen anderen Beruf gewählt hätten – wofür hätten Sie sich entschieden?
Ich werde es wohl Zeit meines Lebens bereuen, dass ich meinen Klavierunterricht in der Schule geschwänzt habe. Ich wäre sehr gerne Dirigent oder überhaupt Musiker geworden und hatte diesbezüglich auch ein bisschen Talent. Das hätte ein Weg für mich sein können, vielleicht auch die Schauspielerei. Ich hatte die große Freude und Ehre, in Addis Abeba im Urfaust mitzuspielen, und zwar die Rolle des Mephistopheles. Das wären die zwei Gebiete, die mich immer noch reizen würden.

Wie lautet heute ihr Wahlspruch oder Arbeitsmotto?
Mein Lebensmotto lautet: Niemals zurückblicken, und Gott vertrauend in die Zukunft sehen.