Burkhard Kling

Geboren 1962 in Gelnhausen studierte Burkhard Kling von 1983 bis 1990 an der Goethe-Universität. Seine Fächer: Kunstgeschichte, Mittlere und Neue Geschichte und Ältere Deutsche Literatur. Schon immer an der Region interessiert und bis heute dem Rhein-Main-Gebiet verbunden, bestimmt heute vor allem sein regionalhistorisches Interesse seinen Beruf und seine privaten Aktivitäten: Seit 1998 leitet Kling das „Brüder Grimm-Haus“ in Steinau an der Straße, seit 2000 plante und konzipiert er zudem das „Museum Steinau ... das Museum an der Straße“, das 2006 eröffnet wurde.

Welche Bedeutung hatte Ihre Studienzeit für Sie aus heutiger Sicht?
Natürlich strebt man an, aus dem Studium eine Basis für Brotberuf zu machen und das ist viel, weil heute gerade geisteswissenschaftliche Studien oft beliebig erscheinen. Wichtig war für mich die Schaffung eines Problembewusstseins, daraus resultierend das Angehen von Fragestellungen, weg von einem schwärmerisch-verklärten Zugang zu Kunst und Geschichte, hin zu einem eigenverantwortlichen Arbeiten mit einem Thema. Kanalisierung und Strukturierung von Interessen und Schaffung des Bewusstseins, auch im ländlichen Raum eine entsprechende Arbeit auf hohem wissenschaftlichen Niveau umsetzen zu können; losgelöst von einer überkommenen Heimatkunde.

Welches Ereignis Ihrer Studienzeit ist Ihnen in besonderer Erinnerung geblieben?
Da ist die Arbeit als wissenschaftliche Hilfskraft beim Aufbau des Universitäts-Archives und die dortige direkte Begegnung mit der Zeitgeschichte und den Menschen, die damit umgehen, bis hin zur Akademischen Feier beim Uni-Jubiläum 1989, an der die Archiv-Hiwis teilnehmen durften.
Aber auch die direkte und manchmal unkonventionelle Begegnung mit Kunst bei Exkursionen gehörte dazu. Dinge zu erleben, die man so bisher nicht gesehen hatte oder erreichen konnte – von den Wasserspielen in Versailles bei einem Probelauf ohne die unzähligen Touristen bis zum Palazzo Labia in Venedig mit dem Cleopatra-Zyklus von Tiepolo.

Was war ihre liebste Freizeitbeschäftigung während des Studiums?
Der Besuch der Theater in und um Frankfurt, vor allem und immer wieder die Oper Frankfurt. In der Aera des Generalmusikdirektors Michael Gielen (1977 bis 1987) gab es unzählige spannende und diskussionswürdige Aufführungen, ich denke da an die Produktionen von Ruth Berghaus oder die Aida von Hans Neuenfels. Die günstigen Studententarife ermöglichten häufige Besuche und man hat immer wieder viele Kommilitonen getroffen, Lehrende getroffen, so dass sich heftige Gespräche in den Pausen, hinterher und weit später entwickelten. Es war eigentlich so, dass man in der Oper auch immer Kommilitonen getroffen hat. Und dann konnte man zumindest ein flüchtiges Wort wechseln, irgendwie hat das alles sehr verbunden!
In den Geisteswissenschaften genießt man natürlich das Privileg, sich den ganzen Tag mit den Dingen beschäftigen zu können, die für andere Menschen Freizeitvergnügen sind und so waren und sind Ausstellungsbesuche, immer wieder der direkte Umgang mit Kunst, immer ein ganz wichtiges Moment in der Freizeit. Als Autofahrer war es dann für mich immer sehr schön, einige Mitfahrer zu finden, um dann die wichtigen kulturellen Ereignisse zu besuchen.

Wo trafen Sie so mit Ihren Kommilitonen außerhalb der Universitätsvernstaltungen?
Natürlich, wie schon erwähnt, in der Oper Frankfurt! Außerdem gab es einen lockeren, aber intensiven Kreis für gemeinsame Ausstellungsbesuche, Bibliotheksbesuche in anderen Städten und private Exkursionen (zum Beispiel zum  Gardasee mit Baden und Kultur – Kunsthistoriker können da halt nicht immer trennen), man traf sich regelmäßig zu privaten Essen und gemeinsamem Kochen. Und weniger frische Luft genoss man in den Cafes rund um die Universität, da wurde einiges an Geld gelassen… Wobei nicht immer die gleichen Etablissments interessant oder angesagt waren, irgendwie hat man mit der akademischen Entwicklung dann einen anderen Geschmack an den Tag gelegt.

Wo wohnten Sie während Ihres Studiums?
Zu Hause bei meinen Eltern in Gelnhausen, später in einer eher zweckgebundenen WG. Da habe ich weder Bohéme gelebt, noch vermisst.

Was war Ihr wichtigster akademischer oder beruflicher Erfolg?
Der Förderpreis der Sparkassen-Kulturstiftung Hessen-Thüringen für Museum Steinau und Brüder Grimm-Haus im Jahr 2008! Das ist für mich die Bestätigung, dass es sich lohnt, auch im ländlichen Raum Museen mit Anspruch zu erstellen und fachlich bestens auszustatten. Museen in der Provinz sind nicht geringer zu achten als ihre Schwestern in den Metropolen – sie sind anders, aber benötigen die gleiche Sorgfalt. Das ist auch für mich immer wieder Ansporn, innovativ weiterzuarbeiten, seit neustem zum Beispiel mit einem Multimedia-Audioguide auf dem Handy, der webunterstützt funktioniert!

Welche Eigenschaften sollten Hochschullehrer beziehungsweise Studierende mitbringen?
Interesse, Fleiß, Offenheit und Neugier, und das auf beiden Seiten! Lehrende sollten für die Studenten da sein, sich bewusst sein, dass auch Kommilitonen im Hauptstudium schon Leistungsträger im Fach sein können. Die Studenten müssen sich im Gegenzug im Klaren darüber sein, dass sie die zukünftige intellektuelle Verantwortung der Gesellschaft tragen. Fachwissen besitzen, heißt bestenfalls auf dem derzeitigen Forschungsstand zu sein. Dieser ist nur im Dialog von Lehrenden und Studierenden in Diskursen, offenen Gesprächen und auch streitigen Diskussionen zu mehren und manchmal zu revidieren.

Was würden Sie heutigen Studierenden für den beruflichen Erfolg raten?
Absolutes Interesse am Fach ist genauso eine Grundvoraussetzung wie Fleiß und Phantasie, nie alleine trinken ist wichtig (Kommunikation, Zusammenarbeit muss so im Kreis der Kommilitonen gestärkt werden). Man muss sich aber auch sehr bewusst sein, dass es nicht leicht ist, die beruflichen Wünsche und Ideen umzusetzen und dass es immer notwendig sein wird, Kompromisse einzugehen. Aber das haben wir im Freundeskreis schon während des Studiums oder nach dem Abschluss diskutiert und da ist es die Frage, was man wirklich hätte anderes studieren wollen, wenn man sich wirklich für ein Fach entschieden hat und mit Leib und Seele dabei ist.
Es gibt so viele Studenten, gerade in den Geisteswissenschaften, die zunächst keine beruflichen Vorstellungen haben, das ist völlig verkehrt. Deshalb sollten auch viel mehr berufsorientierte Seminare angeboten werden, sollten Praktika unterstützt werden, auch ist es möglich zu „sieben“. Es ist notwendig, eine stärkere Zusammenarbeit mit entsprechenden Institutionen (Museen, Verlagen etc.) von Seiten der Universität zu suchen, aber es ist sehr viel eigene Initiative der Studenten von Nöten!

Wie sieht für Sie die Universität der Zukunft aus?
Wir werden sie wieder konservativ erleben. Die englische Campus-Universität, die auch als Wohnstätte dient, könnte da sicher für uns viel mehr Vorbild sein. Die Lehre muss gerade bei den Geisteswissenschaften in vielen Fällen zweckorientierter ausgerichtet werden. Seminare sollten zum Beispiel die Museumsarbeit genauer beleuchten. Es dürfen jedoch Interessen und Vorlieben von Studierenden dadurch nicht eingeschränkt werden und so ist das eigentlich eine Ergänzung und Erweiterung der Veranstaltungen, die ich da fordere (sicher nicht einfach in Zeiten leerer Kassen). Auch eine zeitliche Einschränkung wie jetzt bei den Bachelor- oder Masterstudiengängen halte ich für gefährlich, auch wenn Studierende schon früh eine berufliche Orientierung finden sollten. Man muss auf ein berufliches Ziel hinarbeiten können, nach dem Studium ist es für eine berufliche Orientierung meistens zu spät!

Wenn Sei einen anderen Beruf gewählt hätten - wofür hätten Sie sich entschieden?
Ich hätte gerne als Wotan auf den Bühnen der Welt gestanden, aber dazu fehlte es dann doch an Stimme, aber es gäbe andere Aufgaben in Theater und Oper, die ich durchaus ausfüllen könnte.

Wie lautet heute ihr Walspruch oder Arbeitsmotto?
“Etwas Besseres als den Tod findest Du überall!”
Brüder Grimm, Die Bremer Stadtmusikanten, Kinder- und Hausmärchen Nr. 27