Joachim Carlos Martini

Am 4. Mai 1931 wurde Joachim Carlos Martini als Sohn deutscher Eltern im chilenischen Valdivia geboren, wo sein Vater als Studienrat an der Deutschen Schule arbeitete. Im Herbst 1937 zog es die Familie zurück nach Deutschland, nach Berlin. Dort besuchte Martini die Volksschule. „Pimpf zu sein, missfiel mir sehr“, erinnert sich Martini an diese Zeit im Hitler-Deutschland. „Um mich von den allwöchentlichen Gemeinschaftsabenden zu befreien, erfand ich einen ‚Schwarzen Mann‘, der mich auf meinem abendlichen Weg zu diesen Abenden belästigt. Da wurde ich dann vom Besuch befreit.“ Nach Zwischenstationen in Deutschkrone (Westpreußen) und Heiligenhafen, wo seine Familie bis zum Tod des Vaters 1964 lebte, kam Martini 1942 in die Nationalpolitische Erziehungsanstalt Stuhm (Westpreußen). „Damit kam ich vom Regen in die Traufe. Nur mit Hilfe ständiger Verweigerungen beim Sport gelang es mir, dass ich im Frühjahr 1944 nach Plön versetzt wurde. Im Herbst 1944 wurde ich entlassen und besuche von da an die Freiherr-vom-Stein-Schule in Oldenburg.“ Das Kriegsende erlebte er dann bei seinen Eltern in Heiligenhafen. Da Martinis Vater bereits in Chile der NSDAP beigetreten war, wurde dieser erst 1950 wieder in den Schuldienst übernommen. „Das hatte für mich zur Folge, dass ich die Familie mit ernähren musste, durch Arbeit bei Bauern und eigene Kartoffeläcker, Hühner-, Gänse- und Kaninchenzucht“, erzählt Martini.

Nach dem Abitur 1951 studierte er dann Geschichte, Germanistik, Philosophie, Musikwissenschaft und Kunstgeschichte in Göttingen und Frankfurt am Main. Berufliche Stationen als Studienreferendar, Studienassessor, Studienrat und Oberstudienrat schlossen sich an. Nachdem Martini bereits im Auftrag des AStA den Studentenchor der Goethe-Universität übernommen hatte, trat er 1976 aus dem Schuldienst aus und widmete sich im Auftrag der Evangelischen Kirche von Hessen und Nassau voll und ganz der Gründung und dem Aufbau der bis heute erfolgreichen Jungen Kantorei (www.junge-kantorei.de). 2002 erhielt er für  sein großes Engagement das Bundesverdienstkreuz.

Welche Bedeutung hatte Ihre Studienzeit für Sie aus heutiger Sicht?
Für mich ist die Goethe-Universität seit meiner Studienzeit bei Adorno, Horkheimer und Vossler zu meiner zweiten Heimat geworden: Ich probe mit der „Jungen Kantorei“seit vielen Jahren in der Aula und veranstalte dort ebenso lange die Aula-Konzerte.

Welches Ereignis Ihrer Studienzeit ist Ihnen in besonderer Erinnerung geblieben?
Die Vorlesungen und Seminare der oben genannten Professoren.

Was war Ihre liebste Freizeitbeschäftigung während des Studiums?
Ich war gehalten, während meines Studiums meinen Lebensunterhalt mit der Hilfe des „Studentischen Schnelldienstes“ teilweise selbst zu erarbeiten: Ich arbeitete auf dem Bau, absolvierte Schreibarbeiten in diversen Sekretariaten und war Bademeister in Niedernhausen im Taunus. Außerdem habe ich lange in mehreren Chören gesungen und dort auch Proben geleitet: im Caecilienverein, in der Singakademie, in der Dreikönigskantorei und im Universitätschor.

Wo trafen Sie sich mit Ihren KommilitonInnen außerhalb der Universitäts-Veranstaltungen?
Im Jazzkeller oder im Club Voltaire.

Wo wohnten Sie während Ihres Studiums?
In einem Kohlenkeller in der Goldstein-Siedlung, in Mansarden in Ginnheim, Eschersheim und Bockenheim sowie im Studentenheim.

Was war Ihr wichtigster akademischer oder beruflicher Erfolg?
Staatsexamina I und II, Konzerte in Frankfurt am Main (unter anderem Krzysztof Pendereckis „Dies Irae“, Oratorien von Johann Sebastian Bach, Georg Friedrich Händel, Wolfgang Amadeus Mozart, Felix Mendelssohn, Johannes Brahms, Antonín Dvořák), in der Berliner Philharmonie (Max Reger) und in Auschwitz (Solomone Rossi Ebreo); meine Ausstellung „Musik als Form geistigen Widerstandes. Jüdische Musikerinnen und Musiker von 1933 bis 1945. Das Beispiel Frankfurt“ in Frankfurt (Paulskirche), Wiesbaden (Landtag), Leipzig (Friedrich-Ebert-Stiftung) und Chicago (Spertus-Museum).

Welche Eigenschaften sollten Hochschullehrer beziehungsweise Studierende mitbringen?
Toleranz und Nächstenliebe.

Was würden Sie heutigen Studierenden raten, um beruflich erfolgreich zu sein?
Intelligent und mit Leidenschaft zu arbeiten.

Wie sieht für Sie die Universität der Zukunft aus?
Ich wünsche mir eine freie Universität ohne äußere oder innere Zwänge.

Wenn Sie einen anderen Beruf gewählt hätten – wofür hätten Sie sich entschieden?
Medizin, Physiotherapie oder Psychotherapie.

Wie lautet heute ihr Wahlspruch oder Arbeitsmotto?
Gott hat der Menschheit ihr Menschsein, so also auch mir mich geschenkt und mir auferlegt, mit diesem Geschenk  “in seinem Sinne” umzugehen