Dr. Eva Preiser

Dr. Eva Preiser und ihre Familie sind die Gewinner unserer Goethe-Stammbaum-Ausschreibung. Zwölf Familienmitglieder in vier Generationen studierten an der Goethe-Universität, neun davon wurden darüber hinaus hier promoviert, zwei habilitierten sich. Als die handschriftliche Auflistung von Eva Preiser (84) das Alumni-Büro erreichte, musste erst einmal ein richtiger Stammbaum angefertigt werden. Anders war ein Überblick über die „Alumni-Dynastie“ nicht möglich.

Alles begann mit dem Vater von Eva Preiser, Friedrich Wiegand, der Chemie, Physik und Me-teorologie studierte und 1925 promoviert wurde. Er sollte der einzige Naturwissenschaftler in seiner Familie bleiben. Zusammen mit ihren Eltern flüchtete Eva Preiser gegen Ende des zwei-ten Weltkriegs aus Berlin und fand vorübergehend im Schloss Emmerichshofen bei Kahl am Main eine Bleibe. „Da saß ich ohne Abitur im Wald“.

Sie zog zur Tante nach Weilburg und ihre erste Frage war: „Wo kann ich das Abi machen?“ Das Gymnasium öffnete, allerdings nur mit Lehrgängen für Kriegsteilnehmer. Doch Preiser konnte überzeugen. Sie sagte, sie sei auch eine Kriegsteilnehmerin, sei schließlich geflohen und habe alles verloren. Sie wurde aufgenommen, als einziges Mädchen. 1946 machte sie Abitur.

Um Geld zu verdienen, jobbte sie danach in kleinen Theatern als Dramaturgieassistentin und schrieb Zeitungsartikel. Preiser wollte jedoch unbedingt studieren und entschied sich für Jura. Nach Studium und Referendariat sowie Tätigkeit als wissenschaftliche Assistentin an der Uni-versität wechselte sie ans Landgericht Frankfurt, wo sie schnell aufstieg und schließlich Vorsit-zende Richterin wurde.

Sie war in zweiter Ehe mit dem Ordinarius für Strafrecht, Völkerrecht und –Geschichte, Wolf-gang Preiser, verheiratet, Sie hat drei Söhne, zwei studierten Medizin, einer Geisteswissen-schaften an der Goethe-Universität. Der Familie gehören weiterhin ein Schwager, ein Neffe, zwei Schwiegertöchter und ein Enkel nebst Ehefrau, die alle ebenfalls Goethe-Alumni sind.

„Es bestätigt sich die Aussage, dass Kinder, deren Eltern studiert haben, später selbst studieren. Es ist für sie nahezu selbstverständlich. Die Frage war nicht, ob studieren, sondern was,“ so Eva Preiser. Und die Frage „wo studieren?“ stellt sich in der Familie Preiser offensichtlich auch nicht.

Herzlichen Glückwunsch!

Welche Bedeutung hatte Ihre Studienzeit für Sie aus heutiger Sicht?
Mit der Studienzeit fing das Leben wieder richtig an, die Kriegszeiten und die chaotische Nach-kriegszeit hatte man endlich hinter sich gelassen und konnte für die Zukunft planen.

Welches Ereignis Ihrer Studienzeit ist Ihnen in besonderer Erinnerung geblieben?
An Ereignisse kann ich mich nicht erinnern. Ich hörte Vorlesungen bei den Dass die Uni über-haupt wieder zum Leben erwacht war und ich dabei war, als aus Trümmerhörsälen langsam wieder eine ‚Uni erstand, war das eigentliche Ereignis. Ich hörte Vorlesungen u.a. bei  Professoren Schiedermayr, Schlochauer, Coing, Preiser und Boehm.

Was war Ihre liebste Freizeitbeschäftigung während des Studiums?
Anfang der 50er Jahre war eine andere Zeit. Freizeitbeschäftigungen spielten für die meisten Studierenden keine Rolle. Man hatte keine Freizeit, man studierte, um möglichst einen guten und schnellen Abschluss zu bekommen. Die Freizeitangebote war en auch beschränkt.

Wo trafen Sie sich mit Ihren KommilitonInnen außerhalb der Universitäts-Veranstaltungen?
Man traf sich in der Uni und lernte. Wir saßen zusammen auf festen Plätzen im Seminar, und wehe, da hat sich jemand hingesetzt! Im Café Laumer ging man ab und an mal Kaffee trinken oder traf sich in der Mensa. Ich erinnere mich sehr gut an Paula, die Bedienung in der Mensa. Sie war eine Institution an der Universität und wusste immer über alles Bescheid. Selbst die Professoren wandten sich an sie, wenn sie etwas wissen wollten.

Wo wohnten Sie während Ihres Studiums? Wenn es eine WG war – mit wem lebten Sie zusammen?
Im ersten Semester fuhr ich täglich mit der Bahn von Weilburg nach Frankfurt (1950/51). Später fand ich ein kleines Zimmer. Neben dem Fenster war ein Loch in der Außenwand, das habe ich mit Zeitungspapier gestopft. Ich wohnte auch einmal in einem „Türmchen“ in Sachsenhausen. Die Wochenenden verbrachte ich bei meiner Familie in Weilburg.

Was war Ihr wichtigster akademischer oder beruflicher Erfolg?
Meine Referendarsprüfung mit sehr gut zu bestehen, das war ein guter Anfang. Beruflich wurde ich recht schnell zur Vorsitzenden Richterin des Landgerichts befördert. Es gab nur wenige Frauen damals am Gericht, vielleicht vier oder fünf. Ich hatte als frau niemals Probleme in der männergesellschaft. Ich wurde nicht benachteiligt, im Gegenteil, und niemand war unfreundlich oder unkollegial.

Welche Eigenschaften sollten Hochschullehrer beziehungsweise Studierende mitbringen?
Hochschullehrer sollten in der Lage sein, sich klar und präzise auszudrücken, und vor allem sollten sie ihre Vorlesungen vorbereiten, auch den roten Faden nicht verlieren und nicht herun-terleiern. Aber sie sollten sich und ihr Fach nicht so verbissen sehen, sondern gelegentlich locker sein und Humor zeigen, denn das ist so wichtig. Studierende sollten Neugier und wirkliches Interesse für Ihr Fach mitbringen. Und Fleiß!

Was würden Sie heutigen Studierenden raten, um beruflich erfolgreich zu sein?
Das kann ich für die heutige Situation schlecht beurteilen. Aber sicherlich ist es immer noch ratsam, sich rechtzeitig an Pünktlichkeit und Leistung zu gewöhnen und bereit zu sein, immer weiter zu lernen und sich keine Scheuklappen zuzulegen.

Wie sieht für Sie die Universität der Zukunft aus?
Ich fürchte, dass die alte Universität langsam verschwindet, sondern unsere Universitäten zu-nehmend von der Wirtschaft dirigiert werden. Die Universitäten sollten Abstand nehmen von der Entwicklung zu Fachhochschulen.

Wenn Sie einen anderen Beruf gewählt hätten – wofür hätten Sie sich entschieden?
Medizin – das hat mich auch sehr interessiert. Ich wollte auf jeden Fall einen Beruf ausüben, in dem man mit Menschen umgeht.

Wie lautet heute ihr Wahlspruch oder Arbeitsmotto?
Ernst nachdenken, dann reden.