Anneliese von Versen

Anneliese von Versen (Jahrgang 1919) studierte an der Goethe-Universität vor 1939 vier Semester und dann wieder ab 1946 Englisch, Französisch und Germanistik auf Lehramt und wirkte im ›Collegium Studentischer Club‹ mit, einem 1947 gegründeten Zusammenschluss von Studierenden. Sie ist seit 55 Jahren verheiratet und hat zwei Kinder.

Welche Bedeutung hatte Ihre Studienzeit für Sie aus heutiger Sicht?
Nach dem Krieg überhaupt studieren zu können, in einem völlig ausgebombten Frankfurt, war ein großes Geschenk. Ich bekam die Möglichkeit, mein vor dem Krieg begonnenes Studium zu beenden. Wir waren alle richtig ›ausgehungert‹ nach den Kriegsjahren, schließlich sah man ja immer nur Trümmer, und dann wieder studieren zu können war lebensprägend!

Welches Ereignis Ihrer Studienzeit ist Ihnen in besonderer Erinnerung geblieben?
Eines der prägenden Ereignisse war sicherlich der 1. Universitätsball, den ich mitorganisiert habe. Der Ball fand im Palmengarten statt, obwohl dieser von den Amerikanern besetzt war, aber durch gute Beziehungen unseres Rektors Hallstein wurde er uns freigegeben. An diesem Abend vergaßen wir unsere Sorgen, es wurde getanzt und es gab ein ›Festessen‹ – Erbsensuppe mit Würstchen! In Folge gründeten wir das ›Collegium Studentischer Club‹ (CSC) in dem wir Veranstaltungen und Reisen organisierten. Und das wirklich Schöne ist: Auch heute treffen wir uns noch und haben 2007 unseren 60. Jahrestag der Gründung gefeiert.

Was war Ihre liebste Freizeitbeschäftigung während des Studiums?
Ich glaube der CSC und die Veranstaltungen, die wir dort geplant haben, waren meine liebste Freizeitbeschäftigung während des Studiums. Beispielsweise hatten wir auch Vorträge von Max Horkheimer und Theodor W. Adorno.

Wo trafen Sie sich mit Ihren KommilitonInnen außerhalb der Universitäts-Veranstaltungen?
Mit dem CSC haben wir uns immer in einem kleinen, doch benutzbaren Raum im Keller der Mensa getroffen und unsere größeren Veranstaltung wie die Club Feste hatten wir in der Villa Bonn.

Wo wohnten Sie während Ihres Studiums?
Wir waren froh, dass wir überhaupt wohnen konnten! Nach der totalen Ausbombung 1944 wohnten meine Eltern und ich zwei Jahre in Niederbayern und von 1946 bis 1950 in Untermiete bei Verwandten.

Was war Ihr wichtigster akademischer oder beruflicher Erfolg?
Mein Abschluss war sehr wichtig, auch weil ich ihn nicht ganz ohne Probleme geschafft habe - im Lehramt musste man Philosophie belegen und das lag mir nun gar nicht. Deshalb bin ich bei der ersten Prüfung auch durchgefallen, aber mit ein wenig Nachhilfe ging es dann im zweiten Anlauf gut! Das Referendariat an der Frankfurter Elisabethen-Schule gut abzuschließen war wichtig, vor allem weil mir Unterrichten sehr viel Freude gemacht hat!

Welche Eigenschaften sollten Hochschullehrer beziehungsweise Studierende mitbringen?
Für einen Hochschullehrer ist es am wichtigsten, dass er sein Wissen gut vermitteln kann. Und für die Studierenden? Schlampig und unzuverlässig dürfen sie nicht sein. Vielleicht sollten die Studierenden von heute ihre Möglichkeit studieren zu können wieder mehr als Geschenk betrachten! Eine Universität soll ihren Studierenden vielfältiges Wissen bieten und sie zum Lernen motivieren. Außerdem ist es wichtig, dass sich die Universität den modernen Herausforderungen im Zusammenleben der verschiedenen Kulturen stellt (vgl. Studium generale)

Was würden Sie heutigen Studierenden raten, um beruflich erfolgreich zu sein?
Um beruflich erfolgreich zu sein, sollte man vermitteln und auf andere zugehen können – und das ist keine Eigenschaft, die nur angehende Lehrererinnen und Lehrer mitbringen sollten!

Wenn Sie einen anderen Beruf gewählt hätten – wofür hätten Sie sich entschieden?
Ich denke die Anforderungen an Lehrerkräfte sind heute andere als zu meiner Zeit, aber ich würde dennoch wieder etwas studieren, wo ich die Möglichkeit habe, Wissen zu vermitteln.

Wie lautet heute ihr Wahlspruch oder Arbeitsmotto?
Ein Lebensmotto? Nein, so etwas brauche ich nicht!