Nachwachsende Rohstoffe

Nachwachsende Rohstoffe sind in den letzten Jahren in den Mittelpunkt des Interesses von Chemie, Landwirtschaft, Politikern und Verbrauchern gerückt. Nahezu jede Woche kann man in den Massenmedien neue Informationen zu diesem Thema erhalten und auch die Schulchemie ist gefordert, sich mit Nachwachsenden Rohstoffen zu beschäftigen. Dabei sollte man diese neue Herausforderung nicht als ein Negativum, nicht als zusätzlichen modischen Ballast des Chemieunterrichts sehen, sondern vielmehr die Chance erkennen, die sich mit diesem neuen Themenbereich bietet:

  • In vielen Fällen können Inhalte ausgewählt werden, die einen engen Bezug zur Lebens- und Alltagswelt der Schülerinnen und Schüler haben. So verwendet man pflanzliche Rohstoffe wie Soja und Kokosnußraspeln zum Kochen und Backen. Aber auch die aus den genannten Rohstoffen erhaltenen Öle und schließlich die beispielsweise synthetisierten Tenside sind in ihren Eigenschaften und Anwendungen aus dem Alltag bekannt.
  • Die der Aufarbeitung pflanzlicher Materialien und den sich anschließenden synthetischen Schritten zugrundeliegenden Arbeitsoperationen und Verfahren sprengen nicht den herkömmlichen Rahmen der experimentellen Schulchemie. Vielmehr handelt es sich vielfach um neue Beispiele zu grundlegenden Reaktionen wie Veresterung, Esterbildung, Hydrolyse usw.
  • Das Thema Nachwachsende Rohstoffe bietet die Möglichkeit eines fächerübergreifenden Unterrichts. Hier können biologische, erdkundliche und ökonomische Aspekte mit einfließen.
  • Schließlich bietet sich auf diesem Gebiet die Möglichkeit, an ausgesuchten Beispielen den gesamten Weg von der Pflanze über den pflanzlichen Rohstoff bis zum gewünschten Produkt experimentell nachzuvollziehen. Hier liegt ein wesentlicher Anreiz, ist man doch in der Schule - etwa bei der Behandlung der Petrochemie - üblicherweise gezwungen, wesentliche Schritte auf dem Weg von einem Rohstoff bis zu einem gebrauchsfähigen Produkt nur theoretisch zu erarbeiten.

In den letzten Jahren wurden eine ganze Reihe neuer experimenteller Konzeptionen für den Chemieunterricht auf dem Gebiet der Nachwachsenden Rohstoffe von uns entwickelt. Ziel war es dabei, die von der chemischen Industrie angewandten Verfahren in der Schule experimentell nachzuvollziehen. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass im Unterricht einerseits die zur Verfügung stehenden Mittel beschränkt sind und andererseits der Zeitumfang begrenzt ist. Deshalb müssen stellenweise didaktische Reduktionen vorgenommen werden. Insbesondere ist es oft nicht möglich, lediglich den industriellen Maßstab zu verkleinern; manche Verfahren oder Teilschritte lassen sich darüber hinaus überhaupt nicht in den Unterricht übertragen. Stellen die in einem solchen Reaktionsschritt erhaltenen Produkte Zwischenprodukte dar, die für weitere Synthesen verwendet werden, muss auf käufliche Produkte zurückgegriffen werden - dies ist aber unseres Erachtens didaktisch uneingeschränkt vertretbar.

Die industrielle organische Chemie basiert heute zum überwiegenden Teil auf den Rohstoffen Erdöl und Erdgas. Die Kohle, bis in die vierziger Jahre dieses Jahrhunderts der wichtigste Ausgangsstoff, ist dagegen in den Hintergrund getreten. Nachwachsende Rohstoffe gewinnen derzeit wieder eine größere Bedeutung, sind aber nur in bestimmten Bereichen wie bei der Herstellung von Tensiden von den Kosten her konkurrenzfähig. Auch in Zukunft werden sie keine Massenprodukte wie Polyethylen oder Polystyrol ersetzen können, sondern eher für spezielle Anwendungen eingesetzt werden.

Vor diesem Hintergrund ist man geneigt, zu vergessen, dass die wesentlichen Ausgangsstoffe der organischen Chemie vor der "Kohlezeit" pflanzlicher oder tierischer Herkunft waren und auch noch parallel zu synthetischen Produkten lange Zeit eine große Rolle spielten. Beispiele sind nicht nur Seife, sondern auch Firnisse, Gerbstoffe oder Klebstoffe wie Knochenleim und Gummi Arabicum.

Entsprechend dieser Bedeutung finden sich auch in der Schulchemie bereits seit langer Zeit Unterrichtsbeispiele und Experimente, die Nachwachsende Rohstoffe zum Thema haben. Allerdings wurde der Gesichtspunkt der eneuerbaren Rohstoffquelle kaum beachtet und es findet sich - wie zu erwarten - in der älteren Literatur mehr zu diesem Themenbereich als in neueren Werken.

Das Thema Nachwachsende Rohstoffe war in den letzten zehn Jahren ein Schwerpunkt der Arbeiten des Instituts. Besonders in der Anfangsphase entstanden viele Publikationen in Zusammenarbeit mit Rüdiger Blume (Prof. für Didaktik der Chemie an der Universität Bielefeld) und Herbert Sommerfeld, der über dieses Thema in Bielefeld promovierte. Aus der großen Zahl der Publikationen wird hier nur eine Auswahl wiedergegeben. Die mit dem Thema befassten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gehen aus den aufgeführten Beiträgen hervor.
 

Publikationen (Auswahl):

  • H. J. Bader und G. Müller, Regenerative Rohstoffquellen - Erarbeitung des Themas am Beispiel der Galactomannane, MNU 41 (1988) 227.
  • H. J. Bader, Nachwachsende Rohstoffe - Einführung in das Thema und methodisch-didaktische Anmerkungen, NiU-Themenheft "Nachwachsende Rohstoffe" (Hrsg. H. J. Bader und R. Blume) NiU, 37 (1989) 4.
  • H. F. Bauer, M. Scheerbaum und H. J. Bader, Industriepflanzenbau - Nachwachsende Rohstoffe: Ein Vorschlag zur Behandlung des Themas "Pflanzenöle" im Chemieuntericht der Hauptschule, NiU-Themenheft Nachwachsende Rohstoffe" (Hrsg. H. J. Bader und R. Blume),NiU, 37 (1989) 19.
  • R. Blume, H. Sommerfeld und H. J. Bader, Chemierohstoffe aus Pflanzenfetten - Experimente zur Unterrichtseinheit "Nachwachsende Rohstoffe", NiU-Themenheft "Nachwachsende Rohstoffe" (Hrsg. H. J. Bader und R. Blume), NiU, 37 (1989) 28 und NiU-Sammelband 1999 "Chemie im Haushalt" (Hrsg. B. Lutz, P. Pfeifer und H. Schmidkunz), Friedrich, Velber 1999, S. 84.
  • H. J. Bader, R. Blume und M. Knauthe, Orangen kann man nicht nur essen – Lösemittel aus Orangenschalen, NiU-Themenheft "Nachwachsende Rohstoffe" (Hrsg. H. J. Bader und R. Blume), NiU, 37 (1989) 33 und NiU-Sammelband 1999 "Chemie im Haushalt" (Hrsg. B. Lutz, P. Pfeifer und H. Schmidkunz), Friedrich, Velber 1999, S. 73.
  • H. Sommerfeld, R. Blume und H. J. Bader, Nachwachsende Rohstoffe in der Oleochemie - Vom Rohstoff zum Produkt, PRAXIS (Chemie) 39, 2 (1990) 28.
  • A. Müller, H. Sommerfeld, H. J. Bader und R. Blume, Nachwachsende Rohstoffe - Tallöl, ein Naturstoff für die Lack- und Papierherstellung, PRAXIS (Chemie) 40/2 (1991) 31.
  • H. J. Bader, Less Polluting Technologies, Regrowing Resources and Recycling: New Topics in the Teaching of Chemistry, International Newsletter on Chemical Education 38 (1992) 12.
  • H. J. Bader und H. Sommerfeld, Nachwachsende Rohstoffe in der Chemie, Chemie in der Schule, 41/2 (1994) 61 und 41/3 (1994) 94.
  • H. Sommerfeld, R. Blume und H. J. Bader, Nachwachsender Rohstoff Haar, Chemie in der Schule, 41/7/8 (1994) 281 und 41/10 (1994) 358.
  • H. J. Bader, H. Sommerfeld und P. Haas, Experimentierset Nachwachsende Rohstoffe, (Versuchsanleitung und Chemikalien für 15 Versuche), August Hedinger, Lehrmittel, Stuttgart-Wangen 1995.
  • I. Melle und H. J. Bader, Das Thema Nachwachsende Rohstoffe in der experimentellen Schulchemie - Eine Übersicht, PRAXIS (Chemie) 45/6 (1996) 16.
  • H. J. Bader und E. Birkholz, Chitin - ein wertvolles Polysaccharid aus Krabbenpanzern, PRAXIS (Chemie) 45/6 (1996) 24.
  • H. J. Bader, I. Melle und S. Nick, Nachwachsende Rohstoffe - Die Natur als chemische Fabrik, Unterrichtsmaterialien für den Bereich der Sekundarstufe I, (Lehrerheft / Overheadfolien / Arbeitsblätter / Schülerheft / Film, Hrsg.: Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe, Schroedel, Hannover 1997.
  • H. J. Bader und E. Birkholz, Teaching chitin chemistry, in: Chitin Handbook (R. A.A. Muzzarelli and M.G. Peter, eds.), European Chitin Society 1997 ISBN 88-86889-01-1 , S. 507.
  • S.Gerlach und I Melle,: Miscanthus - Energiepflanze mit Zukunft?- NiU(Chemie) 9 (1998) Nr. 3, 21-23.
  • S. Gerlach, I. Melle, H. J. Bader, Miscanthus - Nutzungsmöglichkeiten als neuer Werkstoff? NiU (Chemie) 10/50 (1999) 29.
  • V. Hartinger, I. Melle, S. Monz und H. J. Bader, Die Analyse von Fettsäuren - ein wichtiger Aspekt des Themas Fette und Öle als Nachwachsende Rohstoffe, MNU (im Druck).
  • I. Melle, S. Gerlach, V. Hartinger und B. Hesselink: Einführung der Reaktionsenthalpie anhand der Verbrennung von Miscanthus, Biodiesel und anderen nachwachsenden Rohstoffen.- MNU (im Druck).