Ziele des deutsch-ukrainischen Forschungsprojektes:

Das antike Olbia ist eine der bedeutendsten Städte, die im Laufe der sog. Großen Griechischen Kolonisation (8.–6. Jh. v. Chr.) im nördlichen Schwarzmeerraum gegründet worden sind. In seinem Kernstadtareal werden seit mehreren Jahrzehnten Feldforschungen durchgeführt, die eine Vielzahl an wichtigen Informationen zur Genese Olbias zutage fördern.

Olbia. Kernstadtareal. Hausstrukturen nordöstlichder Agora
(Foto Fornasier, 2014).

Über Größe, Gliederung und architektonische Strukturen der Vorstadt ist demgegenüber jedoch kaum etwas bekannt, so dass unser Gesamtbild Olbias bis heute sehr unvollständig ist. Dieser Forschungsstand ist im nordpontischen Gebiet zudem kein Einzelfall. Bislang wurden in keiner griechischen Kolonie systematische Untersuchungen im Vorstadtareal durchgeführt, wodurch ein elementarer Bestandteil urbaner Entwicklungsgeschichte unerforscht bleibt.
Das neue deutsch-ukrainische Forschungsprojekt widmet sich diesem Desiderat. Die Rahmenbedingungen vor Ort stellen dabei geradezu einen Glücksfall für wissenschaftliche Untersuchungen dar, da das gesamte antike Siedlungsareal nicht überbaut und heute als nationaler archäologischer Museumspark auch dauerhaft vor Störungen geschützt ist.

Olbia. Areal der Vorstadt und Nekropole westlich der Kernstadt
(Foto Fornasier, 2014).


Zudem gibt es überzeugende Indizien dafür, dass die Existenz der Vorstadt auf den relativ kurzen Zeitraum des 6.-4. Jhs. v. Chr. begrenzt ist. Dadurch sind eine jahrhundertelange Siedlungskontinuität und die damit verbundene massive Überbauung früherer Schichten nicht zu erwarten.
Mit systematisch durchgeführten interdisziplinären Untersuchungen in der Vorstadt Olbias will das Kooperationsprojekt dazu beitragen, die Dimensionen einer antiken pontischen Koloniestadt zu Zeiten ihrer größten Blütephase besser zu verstehen und damit gleichzeitig auch unser Verständnis von den urbanen Prozessen nachhaltig zu präzisieren, die seit dem Vordringen griechischer Siedler in einen für sie anfangs fremden Raum abliefen. Zentrale Forschungsfragen zur antiken Urbanistik stehen dabei im Vordergrund: Waren die Häuser der Vorstadt Olbias in gleichem Maße wie die der Kernstadt konstruiert oder gab es eine sichtbare Abstufung in der Bauqualität? Ist das Areal planmäßig in Wohneinheiten unterteilt gewesen oder handelte es sich um eine eher unstrukturierte Ansammlung von unsystematisch angeordneten, vergleichsweise ‚primitiveren‘ Unterkünften? Lässt sich die Fundzusammensetzung mit Befunden der Kernstadt vergleichen oder gibt es quantitative und qualitative Unterschiede?