Tilly Edinger (1897-1967)

Tilly Edinger lebte in der Leerbachstraße 27

Sie begründete die Paläoneurologie – die Erforschung der Gehirne ausgestorbener Wirbeltiere – und gilt als Wegbereiterin des modernen Evolutionsverständnisses. Nach 1945 trug die Emigrantin maßgeblich dazu bei, deutsche Kollegen in die internationale Wissenschaftsgemeinschaft wiederaufzunehmen.

Johanna Gabriele Ottilie Edinger wurde am 13. November 1897 in Frankfurt am Main geboren, bekannt ist sie jedoch als Tilly. Ihr Vater, Ludwig Edinger, begründete die moderne Neuroanatomie, ihre Mutter Anna entstammte der Bankiersfamilie Goldschmidt und gehörte zu den Führerinnen der deutschen Frauenbewegung.

Mit ihrer Arbeit „Über Nothosaurus“ promovierte Tilly Edinger 1921 als erste Frau in Deutschland im Fach Paläontologie und war jahrelang die einzige in einer wahren Männerdomäne. Ehrenamtlich arbeitete sie als Kustodin am Senckenbergischen Naturhistorischen Museum, 1931 bis 1933 auch als Assistentin am Neurologischen Institut. Obwohl „jüdisch, weiblich, ledig und schwerhörig“, machte erst die nationalsozialistische Machtergreifung ihre Aussicht, eine Professur zu erlangen, zunichte. Gleichwohl blieb sie am Senckenberg „Untergrundkuratorin“. 1939 erreichte sie nur dank der Hilfe eines befreundeten Wissenschaftlers (Philipp Schwartz) das rettende Ausland.

Ohne eine ihrem wissenschaftlichen Rang entsprechende Position zu erlangen, blieb Tilly Edinger in den USA Research Associate for Paleontology am Museum for Comparative Zoology in Cambridge, Massachusetts. Ihr zweites Hauptwerk, „The Evolution of the Horse Brain“, erschien 1948 und gilt als Meilenstein der modernen Evolutionstheorie.

Weitgehend mittellos, bis in die 1960er Jahre selbst um bundesrepublikanische „Wiedergutmachung“ kämpfend, schrieb Tilly Edinger Stellungnahmen zur Entnazifizierung deutscher Kollegen und trug maßgeblich dazu bei, sie in die von ihr 1940 mitbegründete Society of Vertebrate Paleontology aufzunehmen.

Tilly Edinger erhielt zahlreiche Ehrenmitgliedschaften (1947 Senckenbergische Naturforschende Gesellschaft, 1962 Paläontologische Gesellschaft, 1964 Museum of Comparative Zoology) und Ehrendoktorate (1950 Wellesley College, 1957 Universität Gießen, 1964 Universität Frankfurt). Seit 1994 trägt ein Krater auf dem Mars ihren Namen wie auch der seit 2004 von der Deutschen Paläontologischen Gesellschaft vergebene Tilly Edinger-Preis für Nachwuchswissenschaftler. (GK)