Ernst Kantorowicz (1895-1963)

Ernst Kantorowicz lebte von 1930 bis 1934
in der Bockenheimer Landstr. 72

Der aus einer wohlhabenden jüdischen Unternehmerfamilie aus Posen stammende Ernst Kantorowicz (1895-1963) stieß Anfang der 1920er Jahre während seines Nationalökonomie-Studiums in Heidelberg zum Kreis um den Dichter Stefan George.

Auf Grund seiner Biographie „Kaiser Friedrich der Zweite“ (1927), deren Konzept an den ästhetischen und politischen Idealen des Kreises ausgerichtet war, avancierte Kantorowicz zu einem der bevorzugten Schüler des „Meisters“ George. Darüber hinaus war dieses den autoritären Zeitgeist verkörpernde Jugendwerk über den Staufer ein solcher Erfolg, dass der nicht habilitierte Kantorowicz 1930 zum Professor für Mittelalterliche Geschichte in Frankfurt berufen wurde. Doch auch diese Biographie schützte Kantorowicz ab 1933 nicht vor Anfeindungen wegen seines (niemals praktizierten) Judentums.

Obwohl er durch eine Ausnahmeregelung des „Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ weiterhin hätte lehren dürfen – Kantorowicz hatte am Ersten Weltkrieg als dekorierter Freiwilliger teilgenommen –, kritisierte er aus der Mitte des Historischen Seminars heraus die neuen Machthaber in einer öffentlichen Vorlesung und bat um seine Emeritierung (1935). 1938 floh er aus Deutschland in die USA, wo er nach Anfangsschwierigkeiten seine Karriere fortsetzen konnte: zunächst als Professor in Berkeley und schließlich in Princeton. In der inneren Emigration in Deutschland und während seiner Flucht in die USA verfasste er ein Werk über die „Laudes regiae“ (1946), dessen Inhalt nicht nur auf die mittelalterlichen Krönungsgesänge, sondern auch auf die politische Gegenwart des 20. Jahrhunderts abzielt: Die Laudes werden von Kantorowicz als eine historische Ausformung von politischer Propaganda verstanden, deren Mechanismen und Wirkungsweise es zu entdecken gelte – wie im Mittelalter, so in der italienischen und deutschen Diktatur.

Aufgrund leidvoller persönlicher Erfahrungen öffnete sich Kantorowicz gegenüber demokratischen Ideen – wofür die Art und Weise seiner späteren Geschichtsschreibung ein eindrucksvoller Beleg ist. Schließlich widmete Kantorowicz sich in seinem Alterswerk, den „King’s Two Bodies“ (1957), der politischen Theologie und beeinflusst damit die Geisteswissenschaft bis heute nachhaltig. (JG)