CHILDE: Dokumentation des historischen Kinderbuchs im Internet EU-Förderung für Projekt des Instituts für Jugendbuchforschung

Im Rahmen des Programms Culture 2000 fördert die Europäische Union seit 1.11.00 ein Projekt des Instituts für Jugendbuchforschung zur Digitalisierung historischer Kinderbuchillustrationen. Hinter dem Kürzel CHILDE verbirgt sich der englischsprachige Titel des Projekts: Children’s Historic Literature Disseminated throughout Europe. In Zusammenarbeit mit Partnern in Großbritannien (Wandsworth Library, London; Buckinghamshire County Library), Irland (Dublin City Library), Italien (Testoni Ragazzi, Bologna) den Niederlanden (Koninklijke Bibliotheek, Den Haag) sowie der Internationalen Jugendbibliothek (München), werden 1.000 Kinderbuchillustrationen von Künstlern vorwiegend des 19. Jahrhunderts elektronisch erfaßt und auf einer gemeinsamen Internetseite ausgestellt. Als federführende Organisation fungiert der Buckinghamshire County Library Service, der auch die Stelle eines Projektkoordinators eingerichtet hat.

Jean-Pierre Brès "Simples histoires". Paris 1825 (Frontispiz). Aus der Sammlung Walter Benjamin


 Begleitend dazu erscheinen historisch-pädagogische Kommentare, die sich an Lehrer und interessierte Vermittler sowie an Historiker und Forscher wenden, zu den Schwerpunkten "Europäische Märchentraditionen", "Historische Kinderbuchillustration", " Kinderbuch und Sozialgeschichte", "Kinder- und Jugendtheater".

Die Sammlungen des Instituts umfassen für den Zeitraum bis 1945 ca. 20.000 Bände und bieten daher überreichlich Material für das Vorhaben. Neben den im Allgemeinen Katalog geführten Büchern und Zeitschriften verfügt das Institut über Sondersammlungen, von denen praktisch jeder Band einen Juwel des historischen Kinderbuchs darstellt. Es handelt sich um von den Sammlern Karl Hobrecker und Artur Rümann zusammengetragen worden waren sowie von Walter Benjamin, demzufolge die Bände "von einem großen Raubzug ... in der Bibliothek meiner Mutter, meiner eigenen Kinderbibliothek" herrührten. Es finden sich in den Sammlungen z.B. zahlreiche wertvolle, reich bebilderte Ausgaben der Märchen von Grimm, Andersen und anderer Autoren, gestaltet von Künstlern wie Ludwig Richter, Otto Speckter, Franz von Pocci, Theodor Hosemann, Johann Peter Lyser u.a.. Des weiteren finden sich epochemachende Vorreiter des Mediums Bilderbuch in Form alter Orbis Pictus sowie Friedrich Justin Bertuchs zwölfbändiges "Bilderbuch für Kinder" (1792-1830). Eine frühe Ausgabe von Heinrich Hoffmanns "Struwwelpeter", der sich 1850 noch ganz anders präsentierte als die heute zu Hunderttausenden in Umlauf befindlichen Bücher befindet sich ebenso darunter wie der Prototyp der der deutschsprachigen Kinderbuch-Robinsonade, verfaßt von Joachim Heinrich Campe unter dem Titel "Robinson der Jüngere".

"Die Hinrichtung". Aus: Friedrich Lipps "Freud und Leid der Kinderzeit". Esslingen 1878

Das von der Europäischen Union geförderte Projekt versteht sich als ersten Schritt zu einem Netzwerk der großen historischen Kinderbuchsammlungen in Europa; als weitere kooptierte Partner sind derzeit bereits Vertreter aus Belgien, Dänemark und Schweden dabei. Auf einem ersten Arbeitsreffen von CHILDE am 1.Dezember in Brüssel, an dem von seiten des Instituts Dr. Bernd Dolle-Weinkauff teilnahm, wurde die Einrichtung einer gemeinsamen Seite im World Wide Web bis Mitte 2001 und die Planung für eine internationale Konferenz zum Thema "Historische Kinderbuchillustration in Europa" im Oktober 2001 beschlossen.