Reinstoffe

Arzneipflanzen haben ihre speziellen Wirkprinzipien. Nicht immer kennt man die wirksamen Substanzen, weshalb bestimmte Auszüge — im einfachsten Fall Teeaufgüsse — verwendet werden. In einigen, hier gezeigten Fällen, sind die wirksamen Inhaltsstoffe bekannt und in der Pflanze so stark angereichert, dass nicht mehr die Arzneipflanze, sondern der aus ihr gewonnene Naturstoff arzneilich verwendet wird. Die Übersicht enthält auch Beispiele, bei denen auf die Reindarstellung der Inhaltsstoffe verzichtet wird und generell nur Auszüge mit Wasser, Alkohol oder anderen Lösungsmitteln verwendet werden. Lediglich die in der Tabelle aufgeführte Ackerminze, Weinraute und das Meerträubel sind noch als Komponenten von Teegemischen denkbar. Bemerkenswert ist, dass zu den Stofflieferanten einige bekannte Zierpflanzen zählen, wie Armenischer Mohn, Immergrün, Mariendistel, Schneeglöckchen und Zimmer-Immergrün. Die Vielfältigkeit der Stoffe und die Anwendungsgebiete sind so groß, dass hier nur eine tabellarische Übersicht gegeben werden kann.

Pflanze

Pflanzenteil

Stoffklasse

Wirkstoff oder Inhaltsstoff

Anwendung

Ackerminze Kraut Ätherische Öle Menthol Migränestift, u.a. Einreibung
Armenischer Mohn Kraut Alkaloide Thebain Chem. Umwandlung in das Husten- u. Schmerzmittel Codein
Buchweizen Kraut Flavonoide Rutosid Venenmittel, Stabilisierung der Kapillargefäßwände
Eibe Nadeln Alkaloide Docetaxel Chem. Abwandlung zu Chemotherapeutikum
Immergrün Kraut Alkaloide Vincamin Gedächtnisstörungen (nicht mehr eingesetzt)
Maiapfel Rhizom Lignane Podophyllotoxin Chem. Abwandlung zu Chemotherapeutika u.a. gegen Hodenkrebs
Mariendistel Früchte Flavonoide Silybin Gegengift bei Lebervergiftung
Meerträubel Kraut Alkaloide Ephedrin und Nor-Pseudoephedrin Asthma-, Dopingmittel und Appetithemmer (heute synthetisch hergestellt)
Mönchspfeffer Früchte  Iridoide u.a. Gesamtextrakt Menstruationsstörungen
Rhapontik-Rhabarber Wurzel Stilbene Gesamtextrakt mit Rhaponticin Klimakterische Beschwerden
Schneeglöckchen Zwiebeln Alkaloide Galant(h)amin Alzheimer-Demenz
Sojabohne Samen Glycerophosphatide Lecithin Hypercholesterinämie
Schwarznessel Samen Fettes Öl Omega-3-Fettsäure Arteriosklerose
Silberkerze Wurzelstock

Kraut

Saponine

Phytohormon

Gesamtextrakt mit Cimigenol u.a. Stoffe
Extrakt

Klimakterische Beschwerden
Äußerl.: Hormonbedingter Haarausfall
Wolliger Fingerhut Kraut Herzglykoside Lanatoside Herzinsuffizienz
Zimmer-Immergrün Kraut Alkaloide Vinblastin und Vincristin Chemotherapeutika

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Rosafarbenes Zimmerimmergrün, Masdagaskar-Immergrün (Madagascar periwinkle) Catharanthus roseus(L.) G. DON

Botanik
FAMILIE: Hundsgiftgewächse (Apocynaceae).
HABITUS: 40 bis 80 cm hoher Halbstrauch. Tropenpflanze, die bei uns wegen der schönen Blüten als Gewächshauspflanze oder einjährige Sommerpflanze kultiviert werden kann.
BLÄTTER: Bis 8 cm lang, eiförmig, ganzrandig, gestielt und gegenständig.
BLÜTEN: Violett, rosa oder weiß, 5 Kronblätter, duftend.
BLÜTEZEIT: März bis Oktober. In Mitteleuropa Februar bis April.
VERBREITUNG: Madagaskar (Giftpflanze, die hier ein ruderales Weideunkraut darstellt), Tropen allgemein. Bei uns wegen der schönen Blüten als Gewächshauspflanze oder einjährige Sommerpflanze kultivierbar. Die Anzucht aus Samen oder die Vermehrung durch Stecklinge ist möglich. Die Pflanze ist kälteempfindlich. Die Temperaturen dürfen nicht unter + 1,2° C sinken. Die Überwinterungstemperatur beträgt 12° bis 15° C.

Pharmazie
ERNTEGUT: Blätter.
WICHTIGE INHALTSSTOFFE: Zu 0,7 % über 60 verschiedene Indol-Alkaloide. Die meisten Alkaloide der Gruppe sind monomer. Sie sind aus einem Molekül eines Monoterpens sowie einem Molekül der Aminosäure Tryptophan hervorgegangen. Sie stellen die Gruppe der monoterpenoiden Indolalkaloide dar. Ein ganz geringer Anteil (= „Nebenalkaloide“) ist dimer aufgebaut durch die Verknüpfung von zwei dieser monoterpenoiden Alkaloide. Sie werden als Bisindolalkaloide bezeichnet. Unter ihnen sind die Nebenalkaloide Vinblastin und Vincristin. Sie sind die wertvollen Teile des Alkaloidkomplexes.
AUFARBEITUNG: Aus dem kommerziell auf Madagaskar gesammelten Material werden Vinblastin zu 0,005 % und Vincristin zu 0,001 % gewonnen. Da die geringen Konzentrationen den Bedarf nur schwer decken können, bemüht man sich, im Labor aus Zellkulturen der Vinca-Pflanzen Linien zu züchten, welche vor allem Vincristin „im Reagenzglas“ produzieren.

Medizinische Verwendung
Die Alkaloide sind Chemotherapeutika zur Behandlung verschiedener Krebserkrankungen. Das Vincristinsulfat ist das Mittel der Wahl bei aktuter lymphatischer Leukämie, HODGKIN-Lymphomen klein und nicht kleinzelligen Bronchialkarzinomen sowie Wilmstumor. Das Alkaoid wird ausschließlich intravenös zu Kombinations-Chemotherapien eingesetzt. Die Dosierungen liegen für eine einzelne Injektion im Allgmeinen bei 1 bis 2 mg Vincristinsulfat. Wegen des diffizilen Therapieplanes liegt die Behandlung ganz in den Händen von Spezialisten. Das Vinblastin steht nicht so sehr im Vordergrund der Anwendungen. Vinblastin wird eingesetzt bei Chorionkarzinom , Kaposi-Sarkom, lymphozytischem Lymphom, fortgeschrittenem Mammakarzinom, Hodenkarzinom und Morbus Hodgkin.

Bewertung. Die Alkaloide und auch partialsynthetische Abwandlungen der Alkaloide sind heute unentbehrliche Chemotherapeutika. Dagegen sind die Blätter etwa als Tee-Droge bei uns niemals eingesetzt worden.

Wirkungsweise: Die Alkaloide gehören zu der Gruppe der so genannten Spindelgifte, d.h. sie hemmen die Polymerisation von Tubulin, dem wichtigsten kontraktilen Protein im Spindelapparat der Zelle, zu Mikrotubulifasern und verhindern so die Zellteilung in der Metaphase. Die beiden Alkaloide sind zwar chemisch nahe verwandt; es bestehen jedoch erhebliche Unterschiede im Wirkungsspektrum, in der Toxizität und in der Verarbeitung im Körper. Die Substanzen werden - individuell dosiert - in kleinen Mengen durch Infusion verabreicht.

Historie: Bemerkenswert ist die Entdeckungsgeschichte dieser Chemotherapeutika. Die wissenschaftliche Untersuchung des Madagaskar-Immergrüns begann während des Zweiten Weltkrieges. Die Pflanze wurde in der philippinischen Volksheilkunde als Appetitzügler verwendet. Bei der wissenschaftlichen Prüfung der Ursachen dieser Eigenschaft fand man 1952 an Ratten, dass die Wirkstoffe eine auffällige Senkung der weißen Blutkörperchen im Blut hervorriefen. Man schloss daraus, dass sich diese Wirkstoffe möglicherweise für die Behandlung von Leukämie eigneten, was sich eindrucksvoll bestätigte. Vinblastin wurde 1962 und Vincristin 1965 als Arzneimittel eingeführt.

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Traubensilberkerze (Black Snakeroot) Actaea racemosa L. (Cimicifuga racemosa (L.) NUTT. var. racemosa)

Botanik
FAMILIE: Hahnenfußgewächse (Ranunculaceae).
HABITUS: Blühend 1 bis 2 m hohe Staude.
BLÄTTER: Doppelt gefiedert, groß.
BLÜTEN: Weiß, in verzweigenden, oben etwas übergeneigten Trauben.
BLÜTEZEIT: Juli bis September.
VERBREITUNG: Atlantisches Nordamerika in schattigen Wäldern. Bei uns Zierpflanze wegen der Blütenstände und des ornamentalen Laubes. Die Pflanze verlangt halbschattige Standorte. Auf tiefgründigen, humusreichen Böden kann sie jahrelang stehen bleiben, ohne in ihrer Triebkraft nachzulassen.

Giftpflanze mit dem Gefährlichkeitsgrad: „giftig“.

Pharmazie
Anmerkung. Die Erwähnung der Traubensilberkerze auf diesem Beet ist nicht ganz korrekt, weil aus der Pflanze keine Reinstoffe dargestellt werden. Man verwendet ausschließlich den Gesamtextrakt, der hier ausnahmsweise als das Reinprodukt betrachtet wird.

ERNTEGUT: Der nach der Fruchtreife gesammelte und getrocknete Wurzelstock und das Kraut..
WICHTIGE INHALTSSTOFFE: Wurzelstock. • Triterpenglykoside; die Verbindungen (4 - 7 %)  sind vom Cycloartenoltyp; u.a. mit Actein und 26-Deoxyactein. Die Triterepenglykoside gelten als wertbestimmend. • Diphenylpropanderivate, sog. „Depside“. Dazu gehören Cimicifugasäure A und B sowie die Cimiracemate A bis D und Fukinolsäure. • Alkaloide. Cytisin und Methylcytisin.
AUFARBEITUNG: Extrakte vom Wurzelstock oder Kraut. Die Extrakte werden nicht weiter aufgearbeitet, weil bis heute nicht klar ist, ob einzelne Stoffe oder die Gesamtkomplex für die Wirkungen verantwortlich sind.

Medizinische Verwendung
Rhizomextrakte: Prämenstruelle  und dysmenorrhoische sowie klimakterisch bedingte, neurovegetative Beschwerden.
Dosierung. Von dem Trockenextrakt werden 2-mal täglich Mengen eingenommen, die etwa 20 mg Cimicifugawurzelstock entsprechen. Ein Präparat dieser Art ist unter vielen anderen Klimadynon® der Firma BIONORICA.

Zur Wirkungsweise: Traubensilberkerzenextrakte können als pflanzliche Gynäkologika bezeichnet werden. Sie haben östrogenähnliche Eigenschaften, obwohl die Inhaltsstoffe chemisch nicht mit den eigentlichen Sexualhormonen verwandt sind. Als Wirkungsmechanismus wird eine Umsteuerung derjenigen Systeme im Organismus angenommen, welche die Freisetzung bzw. das Unterdrücken der Freisetzung von Sexualhormonen bewirken. [Bei Cimicifuga nimmt man an, dass die Extrakte auf die LHRH-Sekretion (luteinisierendes Hormon-Releasing-Hormon) wirken und u.a. die Ausschüttung des luteinisierenden Hormons hemmen.] Dazu kommt ein Einfluss auf das adrenerge (Adrenalin/Noradrenalin) System, also eine Wirkung auf die Erregungsübertragung im vegetativen Nervensystem. Die Folgen sind die Unterdrückung von aufsteigenden Hitzewallungen und Regulierung von Herzrhythmusstörungen, die mit einem Anstieg der Pulsfrequenz verbunden sind.

Bewertung. Die Wirksamkeit von Cimicifuga-Extrakten wurde in klinischen Studien an Frauen in der Peri- und Postmenopause belegt. (Die Perimenopause ist jene Zeit des Klimakteriums, die ein bis zwei Jahre vor und nach der eigentlichen Menopause liegt und als der eigentliche „Wechsel“ bezeichnet werden kann.) Die Wirkungen richten sich gegen psychische und somatische Beschwerden sowie Hitzewallungen, Nervosität, Müdigkeit und Schweißausbrüche.

Homöopathie. „Cimicifuga racemosa“ oder die synonyme Bezeichnung „Cimicifuga“. Verwendet wird der frische Wurzelstock mit den anhängenden Wurzeln. Die Anwendungsgebiete sind rheumatischer und wirbelsäulenbedingter Muskelschmerz, Krampfschmerz des Herzens, des Magen-Darm-Kanals, der Gallenblase und im Bereich der weiblichen Geschlechtsorgane, Regel-, Schwangerschafts- und Wechseljahresbeschwerden; nervöse Erregungs- und depressive Verstimmungszustände. Die gebräuchlichen Verdünnungen sind D3; D2; D4 und D6.

VOLKSTÜML. VERWENDUNG. Krautextrakte: Äußerlich bei hormonell bedingtem Haarausfall.

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Wolliger Fingerhut (Woolly Foxglove) Digitalis lanata EHRH.

Botanik
FAMILIE: Wegerichgewächse (Plantaginaceae). Digitalis gehörte früher zu den Braunwurzgewächsen, Scrophulariaceae.
HABITUS: Krautige, zwei- bis mehrjährige, bis 120 cm hohe Halbrosettenpflanze. Im ersten Vegetationsjahr bildet sich eine kräftige Rosette, im zweiten Jahr der Blütenspross. Nur die Blütenteile und Blütenstandsachse sind wollig behaart.
BLÄTTER: Schmal-lanzettlich, bis 35 cm lang, nahezu kahl, glattrandig und bogennervig.
BLÜTEN: Krone bis 25 mm lang, glockenförmig, mit gelbbraunen Flecken auf weißem Untergrund, drüsig behaart.
BLÜTEZEIT: Juni bis August.
VERBREITUNG: Südosteuropa. Der Wollige Fingerhut gedeiht oft in Massenbeständen auf sonnigem Trockenrasen und Brachfeldern, aber auch an Waldrändern und auf Lichtungen. Der Boden ist meist etwas kalkhaltig, bevorzugt steinig oder sandig. Die Pflanze ist bei uns kultivierbar; sie wird in großem Umfang in Mittel- und Westeuropa, in Indien, Mittelamerika und Afrika angebaut.

Giftpflanze. Gefährlichkeitsgrad: Sehr stark giftig

Pharmazie
ERNTEGUT: Rosettenblätter im ersten Vegetationsjahr. Sammlung von Ende September bis November.
WICHTIGE INHALTSSTOFFE: • Herzwirksame Glykoside. Die getrockneten Blätter enthalten 0,5 - 1,5 % Cardenolidglykoside. Bisher wurden nahezu 80 Vertreter dieser Stoffgruppe identifiziert. Alle diese Glykoside leiten sich von den Aglykonen Digitoxigenin, Gitoxigenin, Digoxigenin, Diginatigenin und Gitaloxigenin ab. Zur Erntezeit dominieren Tetraglykoside, d. h. ein Molekül eines Aglykons ist mit einer Zuckerkette aus vier Monosaccharid-Molekülen verbunden (Lanatoside). Obwohl das Verhältnis der einzelnen Cardenolidglykoside zueinander stark von ökologischen und genetischen Faktoren abhängt, sind folgende Verbindungen als Hauptinhaltsstoffe zu bezeichnen: Lanatosid C (0,10 - 0,30 %), Lanatosid A (0,05 - 0,25 %), Digitalinum verum (0,02 - 0,12 %), Glucogitorosid (0,02 - 0,1 %), Glucodigifucosid (0,01 - 0,15 %), Glucoverodoxin (0,01 - 0,14 %), Glucolanadoxin (0,01 - 0,12 %), Glucoevatromonosid (0,01 - 0,05 %) und Lanatosid B (0,01 -0,05 %).
• Digitanolglykoside. Diese Stoffe gehören zu den Glykosiden vom Pregnan-Typ; es sind Digifolein, Diginin, Digipronin, Glucodigifolein, Glucolanafolein und Lanafolein. Der Gehalt in den Blättern ist niedriger (etwa 1/100) als derjenige der Cardenolide. • Steroidsaponine. Die wichtigsten sind Desglucolanatigonin, Gitonin, Lanagitosid I, Lanagitosid II und Tigonin.

AUFARBEITUNG: Die Blätter sind der Rohstoff zur Darstellung von Lanatosid C, Digoxin, Acetyldigoxin und Digitoxin. Die übrigen Inhaltsstoffe der Digitalis-Blätter sind medizinisch unbedeutend.

Medizinische Verwendung
Die herzwirksamen Glykoside eignen sich vor allem zur Behandlung der Tachykardie bei Vorhofflimmern und in zweiter Linie zur Behandlung der Herzinsuffizienz.

Wirkungen. Die Glykoside verlangsamen die Schlagfrequenz des Herzens (negative chronotrope Wirkung). Sie verzögern die Erregungsleitung, erkennbar an der Verlängerung der Überleitungszeit (PQ-Zeit) im Elektrokardiogramm. Die Herzglykoside steigern ferner die Kontraktionskraft der Herzmuskulatur (positiv inotrope Wirkung). Der therapeutische Effekt tritt deutlich am insuffizienten Herzmuskel ein, kaum am gesunden. Die Glykoside wirken in therapeutischen Dosen (0,05 – 025 mg) nur auf das Herz; die beobachtete Stimulation der Wasserausscheidung ist eine Folge der verbesserten Kreislaufgegebenheiten.

Die aus den Blättern isolierten herzwirksamen Glykoside wirken im Prinzip alle gleich. Sie unterscheiden sich aber in der Aufnahme durch den Magen nach oraler Gabe und in der Ausscheidungsgeschwindigkeit erheblich. Wenn die Ausscheidungsgeschwindigkeit gering ist, kann es leicht zu einer Überdosierung und Vergiftung kommen, weil dem Körper mehr Substanz zugeführt wird als er verarbeiten bzw. ausscheiden kann, d. h. die therapeutische Breite ist gering. Eine geringe therapeutische Breite besitzt das Digitoxin und eine erheblich größere das Digoxin.

Wirkungsweise: Die Cardenolide hemmen selektiv die Na+/K+-ATPase und erhöhen indirekt die Ca++-Konzentration in den Herzmuskelzellen. Daher werden Kontraktionskraft und Schlagvolumen des Herzmuskels gesteigert. Die Verweildauer der verschiedenen Herzglykoside hängt u.a. mit der Plasmaproteinbindung der Substanzen zusammen.

Berwertung. Seit der Einführung der synthetisch hergestellten Diuretika und der sogenannten ACE-Hemmer hat sich der früher hervorragende Stellenwert der herzwirksamen Glykoside verringert. Die Naturstoffe werden nicht mehr als Mittel der ersten Wahl eingestuft; sie sind Herzmittel der zweiten Wahl u.a. bei Alterspatienten mit eingeschränkter Nierenfunktion.

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Gewöhnliches Meerträubel (Joint Pine) Ephedra distachya L.

Botanik
FAMILIE: Meerträubelgewächse (Ephedraceae).
HABITUS: Stark verzweigter, bis 50 cm hoher Rutenstrauch, zweihäusig. Botanisch-systematisch zu den Nacktsamern gehörend.
BLÄTTER: Klein, schuppenförmig.
BLÜTEN: Unauffällige männliche bzw. weibliche Blütenstände.
BLÜTEZEIT: April bis Mai.
FRÜCHTE: Rote, beerenartige Scheinfrüchte in zapfenartigen Fruchtständen.
VERBREITUNG: Südeuropa, Südrussland bis Sibirien. In Mitteleuropa an den wärmsten Steilhängen der zentralalpinen Trockenwälder.

Giftpflanze. Gefährlichkeitsgrad: Giftig.

Pharmazie
Vorbemerkung. Die Besprechung von Ephedra als Reinstofflieferant ist nur noch historisch relevant; denn das aus der Pflanze gewonnene Ephedrin wird heute auf mikrobiellem Wege in Fermentern hergestellt. - Von einigem Interesse mag sein, dass Ephedra in Europa erstmals 1557 im Kräuterbuch des Frankfurter Stadtphysikus Adam LONITZER erwähnt wurde. Das Kraut wurde im Teeaufguss bis in die jüngere Vergangenheit gegen Atemwegserkrankungen mit leichtem Bronchospasmus verwendet. In der Schulmedizin kommt Ephedrakraut nicht mehr vor.

ERNTEGUT: Im Herbst gesammelte Rutenzweige.
WICHTIGE INHALTSSTOFFE: • 1 – 2 % Alkaloide der Ephedrin-Reihe wie vor allem Ephedrin und Pseudoephedrin. Aus pharmazeutischer Sicht unwichtig sind: • Flavonoide; insbesondere Glykosylverbindungen. •  Catechine. • Lignanderivate. • Phenolcarbonsäuren. Zuverlässige Mengenangaben zu den einzelnen Verbindungen dieser Stoffgruppen liegen nicht vor. 
AUFARBEITUNG: Gewinnung von Ephedrin (um 1 %) und Pseudoephedrin (um 0,4 %).

Medizinische Verwendung
1R,2S-(-)-Ephedrin oder L-Ephedrin kann gegen Bronchialasthma, Husten, Schnupfen, Heuschnupfen und Kreislaufschwäche eingesetzt werden. Das Pseudoephedrin wird in Kombinationspräparaten verwendet als Mittel zur Behandlung von Nasenschleimhautschwellung bei Schnupfen; es wirkt gefäßverengend (sog. Vasokonstriktor). Die Dosierung beträgt 30 mg pro Anwendung.

Alle Ephedra-Zubereitungen sind verschreibungspflichtig und stehen auf der Dopingliste des IOC und des Deutsche Sportbundes.

Wirkung. Ephedrin wirkt zentral erregend mit Stimulation des Atemzentrums sowie vorübergehende Zunahme der Wachsamkeit und Leistungsfähigkeit. Deshalb wird es zu den Dopingmitteln gerechnet. Weitere zentralnervöse Wirkungen sind Unruhe, Schlafstörungen und Appetitverlust.

Wirkungsweise. Das Alkaloid ist verwandt mit dem Amphetamin und gehört wie dieses zur Arzneistoffklasse der indirekt wirksamen Sympathomimetika. Es setzt Noradrenalin aus synaptischen Speichern frei. Zusätzlich hat Ephedrin eine direkte alpha- und beta-adrenerge Wirkung.

Nebenwirkungen: Schlaflosigkeit, motorische Unruhe, Reizbarkeit, Kopfschmerzen, Übelkeit, Erbrechen, Miktionsstörungen, Tachykardien, bei höherer Dosierung drastischer Blutdruckanstieg und Herzrhythmusstörungen. Entwicklung einer Abhängigkeit.

Homöopathie. „Ephedra distachya“. Zu den Anwendungsgebieten gehört die Basedow’sche Krankheit. „Ephedra distachya spag. Zimpel“. Verwendet werden frische oberirdische Teile. Das Präparat wird in der anthroposophischen Medizin verwendet.

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Echter Buchweizen (Buckwheat) Fagopyrum esculentum MOENCH

Botanik
FAMILIE: Knöterichgewächse (Polygonaceae).
HABITUS: Bis 60 cm hohes, einjähriges Kraut. Aufrechter Spross, roter Stängel.
BLÄTTER: Herzpfeilförmig, so lang oder länger als breit, untere langgestielt, obere sitzend.
BLÜTEN: 0,5 cm groß, rosenrot oder weiß in endständigen doldenähnlichen Rispen (Thyrsen).
BLÜTEZEIT: Juli bis Oktober.
FRÜCHTE: Kastanienbraune, stärkehaltige Nüsse, scharf 3-kantig, um 5 mm lang; geeignet zur Brot- oder Polenta-Bereitung.
VERBREITUNG: Zentralasien; bei uns eine Kulturpflanze. Im Anbau stellt Buchweizen wenige Ansprüche an den Boden und gedeiht auf ziemlich unfruchtbaren Heide- und Moorböden. Buchweizen ist eine Bienenfutter- und Gründüngungspflanze. Die Pflanze ist jedoch kälteempfindlich und benötigt Temperaturen über + 3 °C. Die Aussaat kann erst Mai bis Anfang Juni erfolgen. Wegen unsicherer Fremdbestäubung entwickelt der Buchweizen trotz vieler Blüten nur ca. 9 Nüsschen pro Pflanze. Die Samen reifen schnell im Verlauf von 10 bis 12 Wochen.

Pharmazie
ERNTEGUT: Oberirdische Teile.
WICHTIGE INHALTSSTOFFE: Flavonoide (4 – 8%). - Unwichtige Inhaltsstoffe sind: • Phenolcarbonsäuren, wie Chlorogensäure, Gallussäure und Salizylsäure. • Fagopyrin, ein Naphthodianthron-Derivat, das in Spuren vorkommt und – wie unten bei volkstüml. Verwendung erwähnt – eigene Effekte hat.
AUFARBEITUNG: Gewinnung von Rutosid (= Rutin; bis 4 % im Trockenkraut).

Medizinische Verwendung
Die Anwendungsgebiete für Rutosid sind Krampfaderbildung, Kapillarbrüchigkeit, Blutungsgefahr (Nasen-, Netzhaut-Zahnfleischblutungen). Heutzutage werden rutosidhaltige Präparate zur Behandlung von chronischen Erkrankungen der Beinvenen mit entsprechenden Beschwerden eingesetzt, wie Schweregefühle bei müden Beinen. Die Dosierung beträgt täglich 50 mg Rutosid.

Rutosid wird vielfach zu den so genannten Bioflavonoiden gezählt. Rutosid galt früher auch als „Vitamin P“. Das P steht dabei für den Begriff Permeabilität, was auf die Wirkungsweise des Flavonoids hinweist. Rutosid soll eine krankhaft erhöhte Durchlässigkeit der Kapillarwände senken und die Kapillarbrüchigkeit einschränken, so dass kein Blutplasma (Blutflüssigkeit ohne Blutkörperchen) unphysiologischerweise aus den Kapillaren auslaufen kann.

Homöopathie. „Fagopyrum esculentum“. Verwendet werden die frischen, nach der Blüte und vor der Fruchtreife geernteten oberirdischen Teile. Anwendungsgebiete sind Kopfschmerzen, Haut- und Lebererkrankungen mit Juckreiz. Gebräuchlich sind die Verdünnungen D2, D3 und D4.

VOLKSTÜML. VERWENDUNG. Das Kraut kann im Teeaufguss zu dem gleichen Zweck verwendet werden wie das daraus isolierte Rutosid (müde Beine). Zu erwähnen ist, dass das Kraut in höheren Dosen eingenommen (mehr als 10 g Kraut) in seltenen Fällen nach Sonneneinstrahlung eine Hautrötung auslösen kann. Der Effekt geht auf die Anwesenheit des oben erwähnten Fagopyrins zurück.

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Kleines Schneeglöckchen (Common Snowdrop) Galanthus nivalis L.

Botanik
FAMILIE: Narzissengewächse (Amaryllidaceae).
HABITUS: Ausdauernde Zwiebelpflanze, bis 35 cm hoch.
BLÄTTER: Grundständig, lineal, bereift.
BLÜTEN: Weiß, innere Zipfel mit grünem Fleck, einzeln am Stängel, hängend.
BLÜTEZEIT: Februar bis März.
VERBREITUNG: Mittel- und Südeuropa, Zierpflanze in Gärten. Das kleine Schneeglöckchen steht unter Naturschutz nach dem Bundesnaturschutzgesetz vom 01.02.2001 und nach dem Washingtoner Artenschutzübereinkommen (18.12.2000).

Giftpflanze: Gefährlichkeitsgrad: Giftig +.

Pharmazie
ERNTEGUT: Die ganze Pflanze.
WICHTIGE INHALTSSTOFFE: Alkaloide der Lycorin-Reihe, die ausschließlich in Vertretern der Amaryllidaceae vorkommen. Deshalb werden sie auch „Amaryllidaceen-Alkaloide“ genannt. Das medizinisch wichtigste Alkaloid ist das Galant(h)amin.
AUFARBEITUNG: Gewinnung von Galant(h)amin. Die Zwiebeln enthalten etwa 0,05 – 0,15 % Galanthamin.

Bemerkung: Galanthamin wird heute nicht mehr aus natürlichen Quellen gewonnen, sondern durch Synthese hergestellt und unter dem Freinamen Galantamin seit dem Jahre 2001 als Arzneimittel, z.B. Reminyl® vertrieben.

Medizinische Verwendung von Galantamin
Das Alkaloid gehört nach der medizinisch-pharmakologischen Klassifikation zur Gruppe der Arzneimittel, welche die Psyche beeinflussen.

Galantamin dient zur symptomatischen Behandlung leichter bis mittelgradiger Demenz vom Alzheimer-Typ. Dosierung: Anfangs vier Wochen lang 2-mal täglich 4 mg zum Frühstück und Abendessen einnehmen. Erhaltungsdosis 2-mal täglich 8 mg mindestens 4 Wochen lang; dann gegebenenfalls Steigerung auf 2-mal täglich 12 mg. Das Mittel ist noch nicht zu einem Therapeutikum der ersten Wahl aufgestiegen. Es wird von Kritikern zu denjenigen Stoffen gerechnet, denen ein umstrittenes Therapieprinzip nachgesagt wird.

Wirkungsweise: Galanthamin ist ein reversibler Cholinesterasehemmer, der die Blut-Hirn-Schranke passieren kann. Die Verbindung hemmt das Enzym Cholinesterase, wodurch die Wirkung des Acetylcholins verlängert wird. Das Acetylcholin selbst ist ein pysiologischer Neurotransmitter an den Nervenendigungen, der nach Freisetzung im Zentralnervensystem und im peripheren Nervensystem die Weiterleitung von Erregungen bewirkt

Toxizität: Dosis letalis: LD50 (Maus) = 19 mg/kg Körpergewicht, oral. [Zum Vergleich: Toxizität von Atropin aus der Tollkirsche: LD50 (Maus) =  400 mg/Körpergewicht, oral.]

 

Historische Ergänzung:

Kaukasisches Schneeglöckchen

Galanthus woronowii A. Los (Syn. Galanthus plicatusPhilippov non M.B.)

Aus den Zwiebeln dieser Art wurde erstmals das Alkaloid Galanthamin gewonnen

Botanik
Das Kaukasische Schneeglöckchen ist unserem Schneeglöckchen sehr ähnlich. Man erkennt es vor allem daran, dass im Austrieb ein tiefgrünes Blatt das andere umhüllt. Die Blüte ist weiß, steht einzeln und hängt an zierlichen Schäften. Die drei äußeren Blütenhüllblätter sind jeweils zwei Zentimeter lang und völlig weiß. Die drei inneren Blütenhüllblätter haben nur etwa die halbe Länge der äußeren, sind an ihrer Spitze herzförmig eingeschnitten und grünlich gefärbt. Blütezeit Februar/März. Es wächst zwischen oder vor Gehölzen im lichten Schatten. Das natürliche Verbreitungsgebiet des Kaukasischen Schneeglöckchens sind feuchte Laubmischwälder im Kaukasus. Als Zierpflanze kommt das Kaukasische Schneeglöckchen auch bei uns vor.
In den Blätter und Zwiebeln sind 0,05 bis 0,8 % Amaryllidaceen-Alkaloide enthalten mit dem Hauptalkaloid Galanthamin.

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Sojabohne (Soya Bean) Glycine max (L.) MERR.

Botanik
FAMILIE: Schmetterlingsblütler (Fabaceae).
HABITUS: Einjähriges, buschiges, aufrechtes Kraut, bis 90 cm hoch. Stängel und Laubblätter zottig behaart. Es gibt viele Convarietäten und Varietäten, die morphologisch sehr unterschiedlich sind.
BLÄTTER: Dreizählig, langgestielt, Blättchen groß, eiförmig, ganzrandig, besonders am Rande und auf den Nerven der Unterseite behaart.
BLÜTEN: Violett bis weißlich, unauffällig, 3 bis 8 als aufrechte Büschel in den Blattachseln, sehr kurz gestielt.
BLÜTEZEIT: Juli bis August.
FRÜCHTE: Hülsen mit 1 bis 4 länglich-eiförmigen Samen. Abstehend oder hängend. Rau behaart, Länge 3,5 bis 5 cm, Breite ca. 1 cm.
VERBREITUNG: Ost-Sibirien, China bis Taiwan. Heute in subtropischen Gebieten angebaut. Der Hauptproduzent sind die USA. Soja-Anbau wird auch in geringem Ausmaß in Deutschland betrieben in der Region um Freiburg im Breisgau (0,0005 % der Weltproduktion). An Boden und Klima stellt die Kurztagspflanze ähnliche Ansprüche wie der Mais. (Kurztagspflanzen induzieren Blüten, wenn eine bestimmte Anzahl von Tag/Nachtzyklen die art- oder sortenabhängige kritische Tageslänge unterschreiten. Unter den natürlichen Bedingungen in Mitteleuropa blühen diese Pflanzen im Herbst. Bekannte Kurztagspflanzen aus dem Zierpflanzenbereich sind Chrysanthemen, Dahlien, das Flammende Käthchen und der Weihnachtsstern.)

Pharmazie
ERNTEGUT: Samen.
WICHTIGE INHALTSSTOFFE: • Fettes Öl (bis 20%), • Lecithine. Sojalecithin (um 2 %). Die Naturstoffklasse wird auch als die der Phosphatidylcholine bezeichnet. • Proteine (30 – 40 %),

AUFARBEITUNG: Gewinnung von Sojaöl: • Das Öl wird durch Extraktion mit einem niedrigsiedenden Lösungsmittel (Hexan) gewonnen und gereinigt. Es enthält um 50 % Linolsäure (eine Omega-6-Säure), etwa 25 % Ölsäure und ca. 8 % alpha–Linolensäure (eine Omega-3-säure). • Zur Abtrennung von Sojalecithin wird das Öl bei 60° bis 80° mit 2 % Wasser intensiv gemischt. Dabei quellen die Lecithinstoffe und bilden Mizellen, die infolge ihrer größeren Dichte leicht von dem sie begleitenden Öl abgetrennt werden können. Sie werden nach einer Ruhezeit abzentrifugiert. Der dabei anfallende Lecithinschlamm wird im Vakuum bis auf einen Restgehalt an Wasser von 0,2 bis 0,8 % eingedampft und ergibt das Rohlecithin.

Medizinische Verwendung
• Sojaöl. Besonders gereinigtes Sojaöl wird für Infusionen zur künstlichen Ernährung genutzt. Die entsprechenden Darreichungsformen sind Emulsionen mit einem Anteil von 20 % Sojaöl. • Sojalecithin soll nach weiterer Reinigung (Entfernung von Fetten) Cholesterol-senkende Wirkungen beim Menschen haben. Eine Diät von 36 g entöltem Sojalecithin pro Tag über 3 Monate hinweg wird empfohlen. Die Senkung der Blutfettwerte ist gering; die Ergebnisse bedürfen der Überprüfung. Der Effekt ist auf den Gehalt an mehrfach ungesättigten Fettsäuren in dem Lecithinmolekül zurückzuführen. • Sojaproteine. Das Eiweiß der Sojabohnen ist reich an L-Glutamin; es wird als Nahrungsergänzungsmittel vertrieben. Ferner dient es u.a. zur Herstellung von Diabetikerpräparaten und vegetabilischem Fleisch.

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Japanische Minze (Japanese mint) Mentha arvensis L.

Botanik
FAMILIE: Lippenblütler (Lamiaceae).
HABITUS: Ausdauernd, krautig, etwa 60 hoch, Ausläufer bildend. Sprosse locker abstehend behaart.
BLÄTTER: Eiförmig, lanzettlich, gestielt, schwach gezähnte Ränder.
BLÜTEN: Meist lila, in 8- bis 12-blütigen Scheinquirlen; dicht kugelig.
BLÜTEZEIT: Juni bis August.
VERBREITUNG: Die Ackerminze ist die einzige Minzen-Art, die natürlicherweise zirkumpolar verbreitet ist. Selbst in den Tropen Asiens ist diese Art heimisch. - Die japanische Varietät der Ackerminze (Mentha arvensis var. piperascens HOLMES EX CHRISTY), die auch als Japanische Pfefferminze bezeichnet wird, ist die wichtigste Quelle für Menthol. Sie ist in Westsibirien bis Japan heimisch. Die Varietät wird in Südamerika und Indien kultiviert.

Pharmazie
ERNTEGUT: Oberirdische Teile, die noch frisch verarbeitet werden.
WICHTIGE INHALTSSTOFFE: Ätherisches Öl mit etwa 80 % Menthol. Der Gehalt an ätherischem ÖL kann in den Triebspitzen bis zu 5 % betragen; üblicherweise liegt er lediglich im Kraut bei 1 bis 2 %.
AUFARBEITUNG: Aus dem Öl wird Menthol durch Ausfrieren abgeschieden. Nach Entzug eines großen Teils des Menthols wird das restliche ätherische Öl als „Japanisches Pfefferminzöl“, „Japanisches Heilpflanzenöl, JHP“ oder in der Pharmazie als „Minzöl“ bezeichnet.

Medizinische Verwendung
ÄTHERISCHES ÖL: Innerlich bei Magen-, Darm- und Gallenbeschwerden. Bei Katarrhen der oberen Luftwege und Atembeschwerden. Ferner bei Wetterfühligkeit und funktionellen Herzbeschwerden. Dosierung. 1- bis 2-mal täglich 2 Tropfen in einem Glas Wasser, Tee oder Fruchtsaft einnehmen. Zur Inhalation 3 bis 4 Tropfen in heißes Wasser geben. Äußerlich bei Muskelschmerzen und Neuralgien. Bei Migräne 1 bis 2 Tropfen auf den Schläfen verreiben. 
MENTHOL: Kaugummi, äußerlich in Kosmetika (Zahnpasten, Mundwässer).

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Armenischer Mohn, Arzneimohn (Medicinal poppy) Papaver bracteatum LINDL.

Botanik
FAMILIE: Mohngewächse (Papaveraceae).
HABITUS: Ausdauernd, krautig, robust, bis 120 cm hoch.
BLÄTTER: Rau, gefiedert, graugrün.
BLÜTEN: Bis 10 cm groß, blutrot mit schwarzem Fleck am Grunde der Kronblätter.
BLÜTEZEIT: Mai bis Juni.
FRÜCHTE: Porenkapseln, Milchsaft führend.
VERBREITUNG: Nordosten der Türkei, Nordiran, Armenien und Aserbaidschan. Bei uns als Zierpflanze, oft auch in Kreuzungen mit dem ähnlichen Türkenmohn, Papaver orientale L. Das Betäubungsmittelgesetz verbietet den ungenehmigten Anbau und Vertrieb aller Teile der Pflanze. 1984 wurde die Nutzung als Zierpflanze und der freie Vertrieb der Samen zugelassen.

Pharmazie
ERNTEGUT: Fruchtkapseln, Wurzeln und Kraut.
WICHTIGE INHALTSTOFFE: • Alkaloide der Morphinan-Reihe, darunter das Thebain. Dieses ist Bestandteil des Milchsaftes der Kapsel, in der zu etwa 6 % Gesamt-Alkaloide enthalten sind. - Es wurden Kultursorten gezüchtet, deren Alkaloidgemisch im Milchsaft zu 98 von 100 Teilen aus Thebain besteht. In Wurzeln und Kraut bestimmter chemischer Rassen des Arzneimohns kommen 0,8 – 1 % Thebain vor.
- Unwichtige Inhaltsstoffe: • Oripavin. Dieses Alkaloid ist eines der hauptsächlichen Nebenalkaloide in dem Milchsaft.
AUFARBEITUNG: Gewinnung des Alkaloids Thebain und Weiterverarbeitung zu Codein. Das Thebain wird chemisch durch Hydrierung und Demethylierung in das Opium-Alkaloid Codein umgewandelt. Thebain und auch das Oripavin sind chemisch verwandt mit dem Morphin des Schlafmohns. Bemerkenswert ist, dass das Morphin selbst nicht im Armenischen Mohn erscheint.

Medizinische Verwendung
Codein ist ein Antitussivum, wenn unproduktiver Reizhusten zur Qual wird. Gegen Husten und Reizhusten werden  3- bis 4-mal täglich 30 bis 50 mg eingenommen. Das Alkaloid wirkt wie jedes Opium-Alkaloid auch schmerzlindernd, beruhigend und führt zur Stuhlverstopfung. Der Gebrauch von Codein setzt eine ärztliche Verordnung voraus.

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Schwarznessel (Beefsteak Plant) Perilla frutescens (L.) BRITTON var. frutescens

Botanik
FAMILIE: Lippenblütler (Lamiaceae).
HABITUS: Mehrjährige, krautige Pflanze, 0,3 bis 2 m groß, Sprossachse vierkantig, purpur.
BLÄTTER: Gegenständig, oval-eiförmig, bis zu 13 cm lang und 10 cm breit, grün oder purpur, gezähnter Blattrand.
BLÜTEN: 3 bis 4 mm lange, weiß bis pinkfarbene Lippenblüten in ca. 15 cm langen Blütenständen.
BLÜTEZEIT: August bis Oktober.
FRÜCHTE: 1,5 mm große grau-braune Nussfrüchte.
VERBREITUNG: China, in anderen asiatischen Ländern angebaut.

Anmerkung. Im deutschen Sprachraum wird üblicherweise unter dem Begriff „Schwarznessel“ Ballota nigra L. verstanden. Die Pflanze gehört zur Unkrautgesellschaft und ist weit verbreitet. Ballota nigra und Perilla frutescens sind nicht miteinander verwandt. Ihre Gemeinsamkeit besteht in der gleichen Familienzugehörigkeit.

Pharmazie
ERNTEGUT: Samen. In der traditionellen chinesischen Medizin auch die Blätter.
WICHTIGE INHALTSTOFFE: In den Samen um 40 % eines schnell trocknenden Öles. Das Öl setzt sich zusammen aus 55 % Linolensäure (eine Omega-3-Säure, dreifach ungesättigt), 11 % Linolsäure (eine Omega-6-Säure, zweifach ungesättigt), 21 % Ölsäure (einfach ungesättigt) und 9 % gesättigte Fettsäuren.
AUFARBEITUNG: Auspressen der Samen zur Gewinnung des Öles.

Medizinische Verwendung
Als diätetisches Lebensmittel (pflanzliche Omega-3-Fettsäuren). Es ist ähnlich den Fischölkapseln wirksam, weil die Omega-3-Fettsäuren im Körper zu den typischen Fischölfettsäuren Eicosapentaensäure (EPA) und Decosahexaensäure (DHA) umgewandelt werden können. Der Bedarf an Omega-3-Fettsäuren beträgt im Allgemeinen 10 bis 30 g täglich.

Omega-3-Fettsäuren können ernährungsbedingt erhöhte Blutfettwerte (Cholesterin, Triglyzeride) senken. Das wirkt Ablagerungen an der Gefäßwand entgegen, was wiederum die Blutgefäße elastisch erhält. Ferner beeinflusst die Entlastung der Blutgefäße das Herz-Kreislaufsystem

Homöopathie. „Perilla frutescens“ (Syn. Perilla ocymoides). Verwendet werden die frischen, oberirdischen Teile. Diese enthalten ätherisches Öl. Anwendungsgebiet sind Störungen des Harnstoffwechsels (Gicht, Arthritis urica). Die gebräuliche Verdünnung ist D2, die über längere Zeit (4-6-8 Wochen lang) eingenommen werden muss.

VOLKSTÜM. VERWENDUNG DES KRAUTES. In der traditionellen chinesischen Volksmedizin (Ayurveda-Medizin) werden die Blätter, die ätherisches Öl und Flavonoide enthalten, bei Erkältungen mit Fieber, Schüttelfrost, Kopfschmerzen, Entzündung der Nasenschleimhäute und Husten verwendet.

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Gewöhnlicher Maiapfel (Entenfuß) (Common May Apple) Podophyllum peltatum L.

Botanik
FAMILIE: Sauerdorngewächse (Berberidaceae).
HABITUS: Bis 30 cm hohe, Staude mit kriechendem Rhizom.
BLÄTTER: Zu zweit, schirmartig, handförmig gelappt.
BLÜTEN: 4 bis 6 weiße Kronblätter, bis 5 cm breit, einzeln, endständig.
BLÜTEZEIT: Mai.
FRÜCHTE: In reifem Zustand rote, ovale Beeren.
VERBREITUNG: Östliches Nordamerika, Texas, Florida, sowohl wildwachsend als auch kultiviert.

Giftpflanze. Giftig oder stark giftig, je nach Gehalt.

Pharmazie
ERNTEGUT: Wurzelstock.
WICHTIGE INHALTSSTOFFE: Bis 6 % Harz, Podophyllin genannt.
 Dieses enthält Lignane (20 %), wie Podophyllotoxin, Peltatine, u.a. alpha- und beta-Peltatin, 4'-Desmethylpodophyllotoxin, Desoxypodophyllotoxin.
AUFARBEITUNG: Das Harz ("Podophyllin") wird durch Alkoholextraktion des Wurzelstockes gewonnen. Daraus wird das so genannte Podophyllotoxin isoliert.

Medizinische Verwendung
Podophyllin: Früher als drastisches Abführmittel benutzt. Es wurden für eine Dosis 50 bis 100 mg eingesetzt. Heute verwendet man eine 5 – 25 prozentige ethanolische Lösung äußerlich zur Behandlung von spitzen Kondylomen im Anogenitalbereich (Feigwarzen). •
 Podophyllotoxin wird chemisch abgewandelt und dient dann als Chemotherapeutikum (z.B. das halbsynthetische „Etoposid“, das  seit 1980 eingesetzt wird). Etoposid dient zur Behandlung bestimmter Typen bzw. Entwicklungszustände von Bronchialkarzinomen, Hodentumoren, Ovarialkarzinomen u.a. Tumoren. Die Substanz wird eingenommen (50 bis 100 mg pro Dosis) oder infundiert nach genau festgelegten Therapieprogrammen.
Bewertung. 
Etoposid ist ein Mittel der Wahl zur Kombinationschemotherapie, z. B. mit Cisplatin, einer vollsynthetischen Substanz.

Wirkungsweise von Etoposid. Etoposid ist ein Hemmstoff der Topoisomerase II. Dieses  Enzym bindet an die DNA-Stränge im Zellkern, spaltet sie vorübergehend und ermöglicht damit eine Änderung der ursprünglichen Struktur der DNA. Anschließend wird die Bruchstelle wieder verschlossen und das Enzym trennt sich von der DNA. Im Endeffekt wird dadurch eine Verdoppelung des genetischen Materials unterbunden und die Zelle stirbt ab.

Homöopathie. „Podophyllum peltatum“ (Podophyllum). Verwendet werden die frischen, nach völliger Reife der Früchte geernteten, unterirdischen Teile. Anwendungsgebiete. Erkrankungen des Magen-Darm-Traktes, der Leber, Galle, Bauschspeicheldrüse sowie der weiblichen Geschlechtsorgane. Gebräuchliche Verdünnungen sind D2, D3, D4 und D6. Für die Verdünnungen bis einschließlich D3 besteht eine Verschreibungspflicht.

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Rhapontik-Rhabarber (False Rhubarb) Rheum rhaponticum L.

Botanik
FAMILIE: Knöterichgewächse (Polygonaceae).
HABITUS: Bis 2 m hohe, kräftige Staude.
BLÄTTER: Ganzrandig, rundlich-eiförmig, am Rand etwas wellig.
BLÜTEN: Weiß, klein, in Rispen. Windbestäuber.
BLÜTEZEIT: Mai bis Juni.
FRÜCHTE: Rötlichbraun, oval, kantig, meist mit 3 pergamentartigen Flügeln.
VERBREITUNG: Südsibirien; bei uns kultiviert. Auch als Zierpflanze angepflanzt wegen der großen, dekorativen Blätter und des ansehnlichen Blütenstandes.

Pharmazie
ERNTEGUT: Die getrockneten unterirdischen Teile. Diese sind äußerlich nicht von den Wurzeln des Medizinalrhabarbers zu unterscheiden. Sie geben sich nur durch die chemische Analyse zu erkennen.
WICHTIGE INHALTSSTOFFE: • Stilbenderivate: 2,72 % Rhaponticosid (= Rhaponticin); 4,66 % Desoxyrhaponticin, 2,43 %; Dioxyrhaponticin, 0,67 %; Rhapontigenin und 0,22 % Desoxyrhapotigenen. UNWICHTIGE INHALTSSTOFFE:  • 1 – 5% Anthranoide. • Oxalsäure.
VERARBEITUNG: Herstellung eines auf einen bestimmten Gehalt an Rhaponticosid standardisierten Extraktes; etwa 2,5 mg Rhaponticosid pro Dosis. Die Extrakte werden nicht weiterverarbeitet, um Reinstoffe zu isolieren..

Medizinische Verwendung
Bei klimakterischen Beschwerden, z.B. Hitzewallungen und  Scheidentrockenheit; bei juvenilen Zyklusstörungen und Endometritis (Entzündung der Gebärmutterschleimhaut).

Wirkungsweise. Die Stilbene pflanzlicher Herkunft haben schwache östrogene Eigenschaften. Östrogene (Estrogene) sind Sexualhormone. Sie wirken vor allem als Wuchsstoffe auf die Geschlechtsorgane ein. Sie fördern das Wachstum der weiblichen Sexualorgane und prägen die sekundären weiblichen Geschlechtsmerkmale. Die Stilbene sind chemisch nicht mit den Östrogenen verwandt; deshalb erhöhen sie im Körper auch nicht den Östrogenspiegel.

Bewertung. Nach dem Urteil pharmazeutischer Fachkreise ist die Wirksamkeit bei den aufgezählten Anwendungsgebieten weder durch nachvollziehbare Studien noch durch hinreichend dokumentiertes Erfahrungsmaterial belegt. Mangels nachgewiesener Wirksamkeit bei diesen Indikationen und angesichts eines möglichen toxikologischen Risikos ist die Anwendung rhaponticinhaltiger Präparate aus Sicht der Schulmedizin nicht vertretbar .

VOLKSTÜML. ANWENDUNG. Extrakte aus der Wurzel werden gelegentlich bei Verstopfung, Fettleibigkeit, Unverträglichkeit von Speisen, Magenschleimhauterkrankungen und zur Verdauungsförderung eingenommen. Die Wirksamkeit der Droge bei diesen Anwendungsgebieten ist nicht hinreichend belegt.

Homöopathie. „Rheum rhaponticum e radice siccata spag. Zimpel“. Die Zubereitung ist ein Spezialpräparat, das für die anthroposophische Medizinrichtung angeboten wird. Man verwendet die Urtinktur.

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Wein-Raute (Rue) Ruta graveolens L.

Botanik
FAMILIE: Rautengewächse (Rutaceae).
HABITUS: Kräftige Staude, zuweilen halbstrauchig; Sprosse kahl, bleichgrün. Herb-aromatischer, durchdringender Geruch.
BLÄTTER: Doppelt oder 3-fach gefiedert, im Umriss fast 3-eckig und drüsig punktiert. 4 bis 11 cm lang, bis 7 cm breit.
BLÜTEN: Grünlich-gelb, etwa 15 mm breit mit 4 bis 5 löffelförmig ausgehöhlten Kronblättern.
BLÜTEZEIT: Juni bis Juli.
VERBREITUNG: In Südeuropa als Felsenpflanze auftretend. Bei uns in Gärten. Die Weinraute braucht einen warmen Standort. Sie kann nach der Fruchtbildung sehr stark zurückgeschnitten werden, damit die weiteren Triebe nicht zur Verholzung und zu unansehnlichen, knorrigen Strauchgebilden führen.

Giftpflanze. „Giftig“. Bei Hautkontakt mit dem Saft der frischen Pflanze hautreizend; es kommt zu phototoxisch ausgelösten Ekzemen.

Pharmazie
Anmerkung: die Weinraute ist als Reinstofflieferant kaum noch von Bedeutung. Die Pflanze wird an dieser Stelle erwähnt, weil auf sie die Bezeichnung des bekanntesten Flavonoids „Rutinosid“ oder in der älteren Bezeichnung „Rutin“ zurückgeht. - Die Weinraute ist phytochemisch auffällig, weil sie eine Vielzahl von Stoffen verschiedener Grundstruktur enthält. Ferner ist sie ein Beispiel für das nicht häufige Zusammentreffen von ätherischem Öl und Alkaloiden in einer Pflanze. Früher schloss man ein solches Zusammentreffen sogar aus. – Als Droge genießt die Weinraute, die in der Volksmedizin vielfältig verwendet wurde (vom Spasmolytikum über Gallenmittel bis zum Dysmenorrhoicum und gelegentlich letal ausgehendem Mittel zum Schwangerschaftsabbruch), nur noch wenig Aufmerksamkeit. Die Weinraute wird von der Bewertungskommission E des Bundesgesundheitsamtes negativ beurteilt.

ERNTEGUT: Kraut zu Beginn der Blüte.
WICHTIGE INHALTSSTOFFE: • Flavonoide. 2 - 5 % Rutosid (= Rutin), welches das Hauptflavonoid darstellt.
• Ätherisches Öl. 0,1 – 0,4 % mit 2-Nonanon [CH3-(CH2)6-CO-CH3], das bis zur Hälfte des Öls ausmacht. Ferner 2-Nonylacetat • Cumarine. Etwa 40 verschiedene Verbindungen, darunter die phototoxisch wirkenden Furanocumarine Bergapten (um 0,1 %), Psoralen (um 0,05 %) und Xanthotoxin (< 0,05 %). • Alkaloide (0,4 – 1 %). Über 40 verschiedene Verbindungen, die sich häufig von der Anthranilsäure ableiten. Arborinin ist das Hauptalkaloid.
AUFARBEITUNG: Selten zur Gewinnung von Rutosid.

Medizinische Verwendung
Rutosid. Die Anwendungsgebiete für Rutosid sind Krampfaderbildung, Kapillarbrüchigkeit, Blutungsgefahr (Nasen-, Netzhaut-Zahnfleischblutungen). Heutzutage werden Präparate zur Behandlung von chronischen Erkrankungen der Beinvenen mit entsprechenden Beschwerden eingesetzt, wie Schweregefühl bei müden Beinen. Die Dosierung beträgt täglich 50 mg Rutosid.

Wirkung. Rutosid soll eine krankhaft erhöhte Durchlässigkeit der Kapillarwände senken und die Kapillarbrüchigkeit einschränken, so dass kein Blutplasma (Blutflüssigkeit ohne Blutkörperchen) unphysiologischerweise aus den Kapillaren auslaufen kann.

Wirkungsweise. Rutosid wird vielfach zu den so genannten Bioflavonoiden gezählt. Die Substanz galt früher auch als „Vitamin P“. Das P steht dabei für den Begriff Permeabilität, was auf die Wirkungsweise des Flavonoids hinweist. Die Wirkung soll auf der Beeinflussung der Permeabilität und Fragilität von Kapillaren sowie einer vasokonstriktorischen und antiödematös-antiphlogistischen Wirkkomponente beruhen. In neueren Untersuchungen wurden eine Hemmung der nicht-enzymatischen Lipidperoxide, eine Radikalfängerfunktion (verminderte Superoxid-Anion-Konzentration) und eine Hemmung der Myeloperoxidase beschrieben.

Bewertung. Angesichts des Fehlens klinischer Studien, die eine therapeutische Wirksamkeit nachweisen, kann keine der oben genannten Indikationen als belegt gelten. Auch die unvollständige pharmakokinetische Dokumentation lässt eine therapeutische Anwendung nicht als sinnvoll erscheinen. Rutosid wird ausschließlich in Kombination mit verschiedensten anderen Arzneistoffen angeboten (in Dos. bis zu 3 g tgl.), was eine Objektivierung der Wirkung ebenfalls erschwert.

Homöopathie: „Ruta graveolens“. Verwendet werden die frischen, zu Beginn der Blüte gesammelten, oberirdischen Pflanzenteile. Anwendungsgebiete sind Quetschungen, Prellungen, Verrenkungen, körperliche Überanstrengung; Krampfaderleiden; Rheumatismus besonders der Wirbelsäule. Gebräuchlich sind Verdünnungen von D1 bis D3; in Ampullen D4.

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Gewöhnliche Mariendistel (Milk Thistle) Silybum marianum(L.) Gaertn.

Botanik
FAMILIE: Korbblütler (Asteraceae).
HABITUS: Bis 1,5 m hohe, ein- bis zweijährige, aufrechte Distel.
BLÄTTER: Glänzend grün, weiße Fleckenzeichnung, buchtig gelappt mit stechend-dornigen Rändern.
BLÜTEN: Kronen purpurrot. Hüllblätter der Köpfe mit kräftigem Dorn endend.
BLÜTEZEIT: Juli bis August.
FRÜCHTE: Bis 7 mm lang, braungelb marmoriert bis schwarz, Pappus weiß.
VERBREITUNG: Südeuropa, Vorderasien, N-Afrika, Kanaren. Bei uns Zierpflanze wegen der großen, marmorierten Blätter und der stattlichen, Artischocken-ähnlichen Blütenstände. Das Saatgut kann an Ort und Stelle ausgebracht werden. Ansprüche an den Boden werden nicht gestellt, Nässe ist ungünstig, ein sonniger Standort ist nötig.

Pharmazie
ERNTEGUT: Die reifen, von der Federkrone (Pappus) befreiten Früchte.
WICHTIGE INHALTSSTOFFE: 1,5 bis 3 % Flavanolignane (sog. Silymarin-Komplex) mit dem Einzelstoffen Silibinin, Silicristin , Silidianin und weiteren Flavanolignanen).
UNWICHTIGE INHALTSSTOFFE: • 20 – 30 % Fettes Öl mit hohem Linolsäuregehalt (60 %).  • Flavonoide, wie Apigenin, Chrysoeriol u.a. sowie Eiweiß und Schleimstoffe.
AUFARBEITUNG: Isolierung von "Silibinin" aus dem Silymarinkomplex. 5 kg Mariendistelfrüchte ergeben eine Ausbeute von 35 g Silibinin. Das Silibinin wird in eine wasserlösliche Form gebracht (= Silibinin-C-2’,3-dihydrogensuccinat).

Medizinische Verwendung
Das Silibinin-Salz ist als Antidot zur Therapie der Knollenblätterpilzvergiftung zugelassen. 300 bis 400 mg der Substanz werden 4-mal täglich als Infusion appliziert. Sehr wichtig ist der möglichst frühzeitige Therapiebeginn, damit den Pilzgiften, welche in den Zellkernen der Leber die Synthese der Nukleinsäure und die Proteinsynthese hemmen, der Weg versperrt wird.

Wirkungsweise. Silibinin heftet sich an Strukturen der Leberzellmembranen, so dass Bindungsstellen oder Transportmechanismen für das Knollenblätterpilzgift gehemmt werden und die Leberzelle vor deren weiterer Aufnahme geschützt wird. Silibinin fängt ferner Radikale ab und verhindert dadurch den vorzeitigen Abbau des für die Entgiftungsprozesse in der Leberzelle benötigten Glutathions.

ANWENDUNG DES SILYMARIN-KOMPLEXES: Präparate zum Einnehmen, die den Silymarinkomplex in angereicherter Form enthalten, werden gegen chronische Leberentzündung, Leberzirrhose und zur Anregung des Gallenflusses eingesetzt. Die Schulmedizin beurteilt die Wirksamkeit kritisch und hält den Einsatz für ein zweifelhaftes Therapieprinzip. In Doppelblindstudien seien die beanspruchten Wirkungen nicht ausreichend bestätigt worden.

Homöopathie. „Silybum marianum“ synonym „Carduus marianus“. Verwendet werden die reifen, getrockneten, vom Pappus befreiten Früchte. Anwendungsgebiete sind Leber- und Galle-Erkrankungen; Hämorrhoiden und Krampfaderleiden; Rheumatismus der Schulter und Hüfte. Gebräuchlich sind die Verdünnungen D2, D3 und D4.– „Silybum marianum, äthanol. Decoctum“. Die Zubereitung wird in der anthroposophischen Medizinrichtung eingesetzt.

VOLKSTÜML. ANWENDUNG DES KRAUTES: Bei funktionellen Störungen von Leber und Galle, bei Gelbsucht und Gallenkoliken. Der Einsatz des Mariendistelkrautes wird von dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) negativ beurteilt.

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Europäische Eibe (Common Yew) Taxus baccata L.

Botanik
FAMILIE: Eibengewächse (Taxaceae).
HABITUS: Nadelbaum oder -strauch. Zweihäusig.
BLÄTTER: Bis 3 cm lange Nadeln, linealisch, spitz, oberseits dunkelgrün, unterseits hellgrün, gescheitelt am Zweig stehend.
BLÜTEN: Blattwinkelständig, sitzend.
BLÜTEZEIT: März und April.
FRÜCHTE: Die weiblichen Blüten entwickeln um den Samen einen roten, fleischigen Becher (Samenmantel). Samen erbsengroß.
VERBREITUNG: Europa, Kaukasusgebiet bis Nordafrika. In Mitteleuropa fehlen natürliche Eibenwälder. Die Eibe wird bei uns in vielen Formen und Varietäten als Zier- und Parkbaum angepflanzt. Da sie schnittverträglich ist, wird sie gern als dichte Sichtschutzhecke gepflanzt. - Wildwachsende Bäume stehen unter Naturschutz.

Giftpflanze.

Pharmazie
GIFTIGE PFLANZENTEILE: Alle Pflanzenteile mit Ausnahme des roten Samenbechers sind stark giftig.
ERNTEGUT: Nadeln
GIFTIGE/WICHTIGE INHALTSSTOFFE: Mindestens 11 verschiedene Diterpen-Ester-Alkaloide (0,4 – 1,7 %, bezogen auf Trockenmaterial). Dazu gehören die in sehr geringen Anteilen vorkommenden, medizinisch wichtigen Alkaloide Paclitaxel (0,040 mg pro Gramm Trockengewicht) und 10-Desacetyl-Baccarin III
 (0,2 mg pro Gramm getrockneter Nadeln).
AUFARBEITUNG: Das 10-Desacetyl-Baccarin III ist eine Ausgangsverbindung zur Herstellung des Zytostatikums Paclitaxel (=  Taxol). (Zur direkten Gewinnung von Paclitaxel ist die Pazifische Eibe geeignet, die in Nordamerika vorkommt . Der Paclitaxel-Gehalt beträgt hier 0,13 mg pro Gramm getrockneter Nadeln).
Seit 2002 wird das Taxol biotechnologisch direkt aus Eibenzellenkulturen hergestellt.
Die aufwendige Prozedur zur Herstellung des Tumormittels erklärt dessen Preis: Eine Anwendung für einen erwachsenen Menschen kostet heutzutage etwa 1100 bis 2600 €.

Medizinische Verwendung
Paclitaxel (Markteinführung 1994) ist ein Tumortherapeutikum zur Behandlung von nicht-kleinzelligem Bronchialkarzinom, fortgeschrittenem Mammakarzinom, Kaposi-Karzinom und  metastasierendem Ovarialkarzinom, wenn vorhergehende Therapien mit anderen Mitteln nicht ausreichend wirken und wenn eine Kombinationsbehandlung mit mehreren Chemotherapeutika notwendig ist. Die Substanz wird vorsichtig intravenös infundiert.

Wirkungsprinzip. Taxol ist ein Mitosehemmstoff. Es ist ein Spindelgift. Taxol greift an den Mikrotubuli der Zelle an und steigert deren Bildung aus monomeren Tubulin-Proteinen, womit die Zellteilung in der späten G2-Phase blockiert wird.

Homöopathie. „Taxus baccata“. Verwendet werden die frischen Zweigspitzen. Anwendungsgebiete sind Hautpusteln, Verdauungsschwäche.

Vor dem Gebrauch der Blätter als volkstümliches Arzneimittel (früher u.a. als Wurmmittel, zur Förderung der Menstruation, gegen Mandelentzündungen) ist dringend abzuraten. Als tödliche Dosis werden 50 bis 100 g Blätter im Teeaufguss angegeben.

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Kleines Immergrün (Common periwinkle) Vinca minor L.

Botanik
FAMILIE: Hundsgiftgewächse (Apocynaceae).
HABITUS: 10 bis 15 cm hoher Bodendecker mit langen Ausläufern, immergrün (Name!).
BLÄTTER: Ganzrandig, eiförmig, gegenständig, dunkelgrün glänzend und ledrig.
BLÜTEN: 5 blauviolette Kronblätter, die an der Basis zu einer Röhre zusammengewachsen sind, 2 bis 3 cm groß.
BLÜTEZEIT: März bis Mai.
VERBREITUNG: Mittel- und Südeuropa, Kleinasien. Bei uns in Gärten an halbschattigen und schattigen Stellen.  In voller Sonne blüht Vinca nicht gleichmäßig. Da Immergrün ist beliebt als Bodendecker für Gräber. Varietäten der Pflanzen haben weiße, purpurfarbene oder gefüllte Blüten.

Giftpflanze. Gefährlichkeitsgrad: „giftig“.

Pharmazie
ERNTEGUT: Kraut.
WICHTIGE INHALTSSTOFFE: Ca. 0,3 % (-1,35 %) Indol-Alkaloide. Unter den etwa 40 verschiedenen Alkaloiden macht das Vincamin mit einem Anteil von bis zu zwei Dritteln die Hauptmenge aus.
UNWICHTIGE INHALTSSTOFFE: Mengenmäßig ist hier die Ursolsäure zu erwähnen mit einem Gehalt von 3,7% in getrockneten Blättern.
AUFARBEITUNG: Gewinnung des Alkaloids Vincamin. Obwohl die Substanz synthetisch zugänglich ist, kann im feldmäßigen Anbau des Immergrüns das Vincamin in einer Ausbeute geliefert werden, die dem Syntheseprodukt Konkurrenz macht.

Medizinische Verwendung
Das rezeptpflichtige Vincamin wird in Reinsubstanz (2-mal täglich 10 mg) bei zerebraler Mangeldurchblutung (vaskuläre Demenz) und bestimmten Unfall-bedingten Ausfallserscheinungen des Gehirns eingesetzt; ferner bei Durchblutungserscheinungen am Auge und Ohr.

In Deutschland sind Vincamin-Präparate nicht mehr in dem Arzneimittelkompendium „Rote Liste“ aufgeführt. Ein in der Roten Liste nicht erwähntes Arzneimittel ist Ophdilvas® N, dessen Indikationen u.a. Durchblutungsstörungen der Retina und cerebrale sowie periphere Durchblutungsstörungen sind. Ob dem Alkaloid heute noch eine beachtenswerte therapeutische Bedeutung zukommt, ist nur durch neue klinische Studien zu beurteilen.

Wirkung. Vincamin verbessert die Hirndurchblutung und vermindert Ödeme. Für das Gehirn soll die Sauerstoffaufnahme und die Glucosebereitstellung erhöht und damit ein verbesserter Hirnstoffwechsel erzielt werden.

Bewertung von Vinca-Kraut. Das Vinca-Kraut war eine Arzneipflanze zur innerlichen Behandlung von Durchblutungsstörungen, insbesondere des Gehirns, bei Gedächtnisschwäche sowie zur Verbesserung der geistigen Leistungsfähigkeit u.a. Indikationen. Die Verwendung des Krautes als Heil- oder Arzneipflanze ist jedoch nicht vertretbar. Die Wirksamkeit ist nicht genügend belegt, ausreichende Plasmaspiegel an Vincamin werden nicht erreicht und der Verdacht einer Blutbildveränderung durch Untersuchungen am Menschen wurde nicht ausgeräumt. (Im Tierversuch wurden Leukozytopenien, Lymphozytopenien und eine Erniedrigung des Globulingehaltes im Blut beobachtet.) Die unerwünschten Nebenwirkungen gehen auf die Begleitstoffe des Vincamins in der Pflanze zurück. Somit war für den Gesetzgeber ein Vertriebsverbot für die Pflanze notwendig. Das Kraut wird von der zuständigen Kommission des Bundesinstituts  für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) negativ beurteilt. Von dem Verbot nicht betroffen sind Vincamin-Fertigpräparate und homöopathische Präparate.

Homöopathie. „Vinca minor“. Verwendet werden die frischen, oberirdischen Teile blühender Pflanzen mit anhängenden, faserigen Wurzeln. Anwendungsgebiete sind nässendes Ekzem. Schleimhautblutung und Gerinnungsstörungen.

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