Paul Ehrlich- und Ludwig Darmstaedter-Nachwuchspreisträger 2015

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Nützlich oder nur schädlich?

Neuartiges Diagnostikum sagt voraus, ob Patienten mit Morbus Crohn von einer einschneidenden und kostspieligen Therapie profitieren werden.

Wenn ein Arzt ein Medikament verordnet, möchte er wissen, ob die gewünschte Wirkung eintreten wird. Das gilt besonders dann, wenn die Therapie Risiken hat, sehr teuer ist und bekanntermaßen nur bei jedem zweiten Patienten wirkt. Der Paul Ehrlich- und Ludwig Darmstaedter-Nachwuchspreis geht in diesem Jahr an einen Internisten, der Vorhersagen zum Therapieansprechen bei chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen macht – an Professor Dr. Raja Atreya, Juniorprofessor und Oberarzt an der Medizinischen Klinik 1 des Universitätsklinikums Erlangen. Atreya hat ein neues Diagnostikum entwickelt, das anzeigt, ob Patienten mit Morbus Crohn mit hoher Wahrscheinlichkeit von einer Therapie mit einem TNF-Antagonisten profitieren werden.

TNF-Antagonisten neutralisieren einen wichtigen entzündungsfördernden Botenstoff. Der Botenstoff TNF gehört zu den molekularen Übeltätern beim Morbus Crohn. Die für die Therapie zugelassenen Antagonisten sind Antikörper oder Antikörperfragmente. Die Behandlung von Morbus Crohn ist durch diese Wirkstoffklasse revolutioniert worden, weil sie erstmals an den Ursachen der Erkrankung ansetzt und das überschüssige und krankmachende TNF aus dem Verkehr zieht. Viele Patienten können mit den TNF-Antagonisten wieder ein annähernd normales Leben führen. Allerdings profitiert nicht jeder mit Morbus Crohn von dieser Therapie, die bis zu dreißigtausend Euro im Jahr kostet und das Immunsystem unterdrückt. Die Kranken, die nicht ansprechen, riskieren nur die Nebenwirkungen. Dazu gehören unter anderem ein möglicherweise erhöhtes Krebsrisiko, die Gefahr von Infektionen und Allergien sowie mögliche Abwehrreaktionen.

Der Nachwuchspreisträger 2015 hat einen Weg gefunden, die teuren und weitreichenden Medikamente gezielter einzusetzen. Er hat den TNF-Antagonisten, der später verordnet wird, an einen Fluoreszenzfarbstoff gekoppelt und sprüht dieses Duo aus Antikörper und Leuchtmittel vor Therapiebeginn während einer Darmspiegelung auf die entzündeten Stellen der Darmschleimhaut. Dann tastet ein Laserstrahl das eingefärbte Gewebe ab. Ein in die Spitze des Endoskops eingelassenes Mikroskop mit Lasereinheit präsentiert anschließend ein vielfach vergrößertes Bild von der Lage. Auf diesem Bild ist zu sehen, ob der leuchtende TNF-Antagonist sein Zielmolekül auf den Immunzellen der Darmschleimhaut gefunden hat. Nur wenn es im Darm genügend Zielmoleküle gibt, an die das Antikörper-Medikament tatsächlich andocken kann, ist davon auszugehen, dass die Behandlung ansprechen wird. „Ein Medikament, das sein Ziel nicht findet, kann auch nicht wirken“, sagt Atreya. „Beim Einsatz einiger Krebsmedikamente geht man ähnlich vor. Erst wenn die Angriffspunkte beim Patienten nachgewiesen worden sind, wird behandelt. Wir wenden dieses Prinzip bei Morbus Crohn an“, so der Nachwuchspreisträger weiter.
Bei dieser Erkrankung leiden die Patienten unter krampfartigen Bauchschmerzen und chronischen Durchfällen, die es ihnen schwer machen, ein normales Leben zu führen. Die chronische Entzündung der Darmschleimschleimhaut lässt auch Darmverengungen, Narben und Fisteln entstehen. Viele Patienten müssen deshalb immer wieder operiert werden. Der Leidensdruck ist daher beträchtlich. Durch Fehlzeiten am Arbeitsplatz und der eingeschränkten Beschäftigungsfähigkeit kommen auch noch erhebliche sozioökonomische Kosten hinzu.

Vor der Entwicklung des neuartigen Diagnostikums mussten Atreya und seine Kollegen zuerst zeigen, welche Form des TNF tatsächlich für den Behandlungserfolg verantwortlich ist. Der Botenstoff kommt nämlich in einer ungebundenen und in einer auf der Zelloberfläche sitzenden Form vor, dem sogenannten mTNF. Über den Therapieerfolg bei Morbus Crohn entscheidet das mTNF. Die Verwendung eines neuen Diagnostikums ist zudem auch an erhebliche gesetzliche Auflagen gebunden, weil es von den bundesdeutschen Behörden als neues Arzneimittel anerkannt werden muss. Atreya und seine Kollegen haben daher vor den klinischen Tests umfangreiche Untersuchungen zur Sicherheit und zur Unbedenklichkeit des neuen Antikörper-Sprays gemacht.

Dass sich damit auch der Behandlungserfolg bei Morbus Crohn vorhersagen lässt, hat der Nachwuchspreisträger in einer klinischen Studie mit 25 Patienten gezeigt. Bei allen stand eine Therapie mit einem TNF-Antagonisten an. Die Patienten, bei denen sich viele Immunzellen in der Darmschleimhaut mit dem Antikörper-Spray anfärben ließen, sprachen signifikant besser auf die spätere Therapie an, als Patienten mit wenigen angefärbten Immunzellen. Von den Patienten mit hoher Anfärbung reagieren 92 Prozent innerhalb den ersten zwölf Wochen. Von den Patienten mit geringer Anfärbung nur 15 Prozent. Das Therapieansprechen wurde an verschiedenen klinischen Größen festgemacht. Patienten mit vielen angefärbten Immunzellen mussten weniger Kortison einnehmen, ihre Darmschleimhaut heilte besser ab und niemand aus dieser Gruppe musste innerhalb eines Jahres wegen Komplikationen operiert werden. Von den Kranken mit wenig angefärbten Immunzellen mussten dagegen vier Patienten innerhalb eines Jahres operiert werden. „Wir zeigen damit, dass der Nachweis des mTNF auf den Immunzellen der Darmschleimhaut ein guter Biomarker für das Therapieansprechen bei Morbus Crohn ist“, bringt Atreya seine klinischen Ergebnisse auf den Punkt.

Atreyas Ergebnisse belegen eindrücklich, dass sich Grundlagenforschung zügig in die klinische Praxis umsetzen lässt. Der Nachwuchspreisträger begann mit Untersuchungen zu den relevanten Botenstoffen, zu denen neben dem TNF auch das Interleukin 6 gehört. Er zeigte dann, welches Zielmolekül bei chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen für den Therapieerfolg verantwortlich ist und entwickelte das neuartige Antikörper-Spray zum Nachweis dieses Zielmoleküls. Die klinische Studie belegte anschließend, dass es einen Zusammenhang zwischen der hohen Präsenz des Zielmoleküls und dem Ansprechen auf die Therapie mit einem TNF-Antagonisten gibt. Besser könne die translationale Medizin nicht unter Beweis gestellt werden, meinte auch die Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin als sie Atreya vor einem Jahr den Theodor-Frerichs Preis verliehen hat. Das ist einer der angesehensten Internisten-Preise. Atreya und seine Kollegen wollen als nächstes ihre klinischen Ergebnisse in einer größeren, multizentrischen Studie bestätigen.

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