Lehrangebote

für Bachelor- und Masterstudierende im Fachbereich 4 Erziehungswissenschaften

 Wintersemester 2015/16

Bachelor-Seminar „Kindheit und Natur“ 

Kindheit im modernen Sinn, aufgefasst als eigenständige Entwicklungsstufe und eigengesetzliche Lebenswelt, wird von Beginn an mit der äußeren Natur verknüpft. Naturschauplätze gelten als die wesensadäquaten Aufenthaltsräume von Kindern, in denen diese sich angeblich frei entfalten können. Daneben spielt die kindliche Naturauffassung eine herausragende Rolle: Die einen sehen in Kindern kleine Naturforscher im durchaus modernen Sinne, die anderen bewundern die kindliche Fähigkeit, Naturphänomene zu beleben und mit einer Seele auszustatten. Unterstellt wird Kindern zudem eine besondere emotionale Beziehung zur Natur, die dem Erwachsenen abhanden gekommen ist, weil er in der Natur nur ein Objekt der Ausbeutung sieht. Dabei spielen Tiere eine besondere Rolle. 

Das Seminar soll einen zentralen Aspekt der Geschichte der modernen Kindheitskonzeptionen aufarbeiten und den Zeitraum vom späten 18. Jahrhundert bis zur Gegenwart ins Auge fassen. Als Quellen sollen zum einen theoretische Texte in Auszügen herangezogen werden, zum anderen solche allgemein- und kinderliterarischen Werke, die Kinder in Naturszenarien zeigen und/oder von der kindlichen Naturauffassung handeln. Im Vordergrund sollen Naturgedichte für Kinder (und Erwachsene) stehen, die kindliches Naturerleben zum Gegenstand haben. 

Wer sich im Vorfeld über den aktuellen philosophischen, psychologischen wie allgemein- und umweltpädagogischen Diskussionsstand informieren will, dem sei die Lektüre der folgenden Monographie nahegelegt: Ulrich Gebhard: Kind und Natur. Die Bedeutung der Natur für die psychische Entwicklung. 4. Auflage. Wiesbaden: Springer VS, 2013.

Master-Seminar „Konzepte von Jugend/Adoleszenz im frühen 20. Jahrhundert“

Erste Ansätze zu dem, was Lutz Roth später die „Erfindung des Jugendlichen“ genannt hat, lassen sich bereits im späten 18. Jahrhundert ausmachen. Eine zweite Welle der Auseinandersetzung mit der modernen Ausprägung von Jugend bzw. der Adoleszenz erstreckt sich von der Jahrhundertwende bis hinein in der Zeit der Weimarer Republik, wobei der Literatur, speziell den Schülerromanen der Zeit um 1900, eine Vorreiterrolle zukommt. Ab den 1970er Jahren wird sowohl die männliche wie jetzt auch die weibliche Adoleszenz in entwicklungspsychologischer wie pädagogischer Hinsicht erneut heftig diskutiert; parallel dazu hat sich der moderne Jugend- bzw. Adoleszenzroman auf breiter Front etabliert. Generell lässt sich konstatieren, dass das Konzept moderner wie postmoderner Jugend zum einen das Produkt entwicklungspsychologischer und pädagogischer Diskurse, zum anderen aber eine der bedeutsamsten Erfindungen der modernen Romanliteratur darstellt. Die der Wirklichkeit weit vorauseilenden literarischen Jugenddarstellungen dürften bei der gesellschaftlichen Verankerung dieser Formen von Jugend eine entscheidende Rolle gespielt haben. 

Das Seminar soll sich im Wechsel mit theoretischen und literarischen Texten zum Thema der modernen Jugend auseinandersetzen und sich auf das 20. Jahrhundert konzentrieren. Nach der Lektüre eines Schülerromans der Jahrhundertwende (voraussichtlich Hermann Hesses „Untern Rad“) sollen theoretische Texte in Auszügen herangezogen werden (Charlotte Bühler, Eduard Spranger, Siegfried Bernfeld, Edwin Hoernle u.a.). In einem Zeitsprung soll es dann um die aktuellen Kontroversen um moderne und postmoderne Jugendformen gehen (Erik Erikson, Peter Blos, Mario Erdheim , Thomas Ziehe, Werner Helsper u.a.). Parallel dazu sollen ausgewählte Jugendromane der letzten Jahrzehnte herangezogen werden, die eine moderne wie eine postmoderne Jugend reflektieren.

Sommersemester 2016

Bachelor-Seminar „Kindheit und Spiel“

In der Pädagogik der Aufklärung hält sich seit Lockes „Gedanken über Erziehung“ das Konzept des spielerischen Lernens. Umgesetzt wird dies im Laufe des 18. Jahrhunderts in Spielkonzepten, die zugleich lehrreich und unterhaltsam sein wollen. Gleichzeitig findet sich eine Polemik gegen die unter Kindern und Jugendlichen tatsächlich verbreiteten Spiele (Straßenspiele, Glücksspiele), die als schädlich und verderblich gebrandmarkt werden. Die Romantik setzt dem didaktischen Spiel der Aufklärung eine Spielform entgegen, die auf eine Förderung der kindlichen Phantasie abzielt. Damit ist eine Polarität von Spielkonzepten in die Welt gesetzt, die sich bis heute gehalten hat. Gemeinsam ist beiden Richtungen die Frontstellung gegen die wachsende Spielzeugindustrie, deren Produkte die die kindliche Kreativität und Phantasie nur zerstören und darüber hinaus problematische Geschlechterstereotypen verbreiten würden. Im Seminar sollen sowohl spieltheoretische Texte wie auch (kinder-)literarische Texte herangezogen werden, die spielende Kinder und Kinderspiele zur Darstellung bringen. 

Master-Seminar „Konzepte von Jugend/Adoleszenz seit 1968“ 

Das Vorläuferseminar im WS 2015/16 hat sich mit zwei Epochen der Jugendforschung befasst: Der Zeit zwischen den Weltkriegen (1920er und frühe 1930er Jahre), zum einen, der Nachkriegszeit (1950er und 1960er Jahre) zum anderen. Dieses Seminar soll ausgewählten (westlichen deutschsprachigen) Jugend- bzw. Adoleszenztheorien seit den 1970er Jahren beschäftigen. Zu Fragen wird sein, wie sich die gesellschaftlichen Umbrüche und speziell der jugendkulturelle Wandel im Gefolge der Studenten und Schülerbewegung von 1968/70 in der Jugendforschung niedergeschlagen haben und inwieweit die Jugendkonzepte der Jahrhundertwende und der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts noch Gültigkeit besitzen. 

Wintersemester 2016/17 


Bachelor-Seminar „Literarische Erziehungs- und Schulkritik um/ab 1900“ 

Ende des 19. Jahrhunderts beunruhigt eine Welle von Schülerselbstmorden die Öffentlichkeit in Deutschland und Österreich-Ungarn. Da es sich überwiegend um Gymnasiasten handelt, gerät besonders diese Schulform in die Kritik. Daneben geraten autoritäre Familienstrukturen ins Blickfeld, für die vorrangig die tyrannischen Väter stehen. Widerstand regt sich in erster Linie unter Schriftstellern, die in ihren (später so genannten) Schülerdramen und -romanen heftige Anklage erheben. Für eine geraume Zeit schreibt die Literatur Erziehungsgeschichte. Im Seminar wird es zunächst um Texte von Frank Wedekind, Emil Strauß und Hermann Hesse, dann um Schüler- bzw. Jugendromane der Weimarer Republik gehen, die u.a. vom Einsatz der Schüler in den Schützengräben des Ersten Weltkriegs handeln. 

Master-Seminar „Grundlagentexte der Erziehungstheorie: Philanthropismus und Neuhumanismus“ 

Um 1800 entspannt sich eine grundlegende erziehungswissenschaftliche Kontroverse, die in allen späteren pädagogischen Disputen wiederkehrt – wie modifiziert auch immer. In Deutschland geht es um den Streit zwischen der Strömung der Philanthropismus und der des Neuhumanismus. Erstere setzt auf eine Erziehung zur „Brauchbarkeit“ gemäß den Bedürfnissen der Gesellschaft, letztere rückt die Entfaltung der Persönlichkeit in das Zentrum der Erziehung. Das Seminar möchte eine Kenntnis der Originaltexte vermitteln und gleichzeitig den sozialhistorischen Kontext dieser frühen Kontroverse beleuchten. Die Texte werden rechtzeitig auf Olat bereitgestellt.