Tel.: 069/798-33053
Fax: 069/798-33065
Raum: IG 515
E-Mail: hardenberg (at) em.uni-frankfurt.de
Sprechzeiten: Dienstag, 12.00-14.00 Uhr, bitte vorab telefonisch
mit Frau Ursula Paul (069-798 33050) einen Termin vereinbaren.
Forschungsschwerpunkte: | Indien, Zentralasien, RessourcenKulturen, Religion und Materialität, Wirtschaft und Ritual |
Regional: | Indien (Odisha), Zentralasien (Kazakhstan, Kyrgyzstan, Tadjikistan), Iran (Khorasan) und Europa (Spanien) |
Thematisch: | Islam und Hindu-Religionen, Religion und Materialiät, Verwandtschaft und „relatedness“, Ressourcen und kulturelle Praktiken, Geschichte der Ethnologie, Rede und Autorität |
Roland Hardenberg befasst sich aus ethnologischer Perspektive mit gegenwärtigen sozio-kulturellen Prozessen in Asien und Europa. Besonderes Augenmerk richtet er dabei auf religiöse Institutionen und Praktiken, durch die Akteure im Rahmen konkurrierender normativer Ordnungen die Welt gestalten und verändern. In seinen Forschungen strebt er interdisziplinäre Zusammenarbeit an, derzeit insbesondere mit Archäologen,Historikern, Philosophen, Theologen und Naturwissenschaftlern.
Seine gegenwärtigen Forschungsprojekte befassen sich z.B. mit der Perzeption von Landschaften in Spanien (DFG, SFB 1070 A02), mit religiösen Reden in Süd- und Zentralasien (DFG, SFB 1070 C04) und mit kulturellen Ressourcen im Iran (DAAD Hochschuldialoge mit der Islamischen Welt). Roland Hardenberg leitet seit dem 1.1.2017 das Frobenius-Institut für kulturanthropologische Forschung, das sich zum Ziel gesetzt hat, neues Wissen durch empirische Forschungen zu generieren, materielle Kultur in Wert zu setzen und den Dialog mit der Öffentlichkeit und den Herkunftsgesellschaften zu stärken.
› Frobenius Institut
› SFB 1070 RessourcenKulturen
Gutes Arbeiten im digitalen Zeitalter (2021)
Children of the Earth Goddess: Society, Marriage, and Sacrifice in the Highlands of Odisha (2018)
1. Südasien
Südasien wird als Teil des asiatischen Kontinents unterschiedlich definiert. Aus geographischer Sicht besteht Südasien beispielsweise aus der vom Indus, Ganges und Brahmaputra eingefassten Ebene und der daran anschließenden indischen Halbinsel, und wird durch den Hindukush im Nordwesten, die Gebirgskette des Karakorum im Norden und den Himalaya im Nordosten abgetrennt. Im Süden wird der indische Subkontinent vom Indischen Ozean umschlossen. Laut UN-Definition, die sich an Ländergrenzen orientiert, gehören neben Indien auch Pakistan, Bangladesh, Sri Lanka, Nepal, Afghanistan, Bhutan und die Malediven zu Südasien. Gemessen an der Einwohnerzahl, der Warenproduktion, dem Bruttosozialprodukt und dem ökonomischen Wachstum macht Indien einen größeren Anteil aus als alle übrigen Nachbarländer zusammen.
In einem so definierten Südasien leben etwa 25 Prozent der Weltbevölkerung, davon zwei Drittel in Indien, das 72 Prozent der Gesamtfläche Südasiens einnimmt. Zwischen diesen südasiatischen Ländern gibt es viele Gemeinsamkeiten, die Ausdruck sozio-kultureller sowie religiöser Dynamiken sind, welche die gesamte Region im Kontext des Aufstiegs und Niedergangs verschiedener Großreiche über die Jahrhunderte geprägt haben. Es gibt in Südasien aber auch große lokale Unterschiede, sowohl hinsichtlich der Sprachgruppen (Indo-Iranisch, Dravidisch, Tibeto-Burmesisch und Munda), mit insgesamt rund 650 Sprachen, als auch hinsichtlich der religiösen Diversität. Während in Indien und Nepal Hindus in der Mehrheit sind, leben in Pakistan, Bangladesh und den Malediven überwiegend Muslime, und in Bhutan und Sri Lanka hauptsächlich Buddhisten. Diese drei Religionen, welche in Bezug auf Vorstellungen und Praktiken intern wiederum stark differenziert sind, gehen einher mit komplexen sozialen Ordnungen und sie beeinflussen die Organisation des Alltagslebens und bestimmen kommunale Konflikte in den jeweiligen Regionen. Zu den weiteren religiösen Gruppen, die für einzelne Gebiete Südasiens prägend sind, gehören Sikhs, Jains, Parsen, Thomas-Christen und Ahmadiyya sowie die diversen Stammesgesellschaften (Adivasi) des Subkontinents mit ihren vielfältigen religiösen Praktiken. Diese Diversität bietet eine Vielzahl interessanter Forschungsfelder für Kultur-und Sozialanthropologen, die vorzugsweise in intensiven ethnographischen Feldforschungen erschlossen werden und mit einer ebenso großen Bandbreite wissenschaftlicher Diskurse der Südasienethnologie verbunden sind.
Die Forschungstätigkeiten und Kooperationen mit Universitäten im Osten (besonders Odisha) und Westen (Gujarat und Maharashtra) Indiens kennzeichnen das besondere Forschungsprofil der Frankfurter Ethnologie und ergänzen die Südasienschwerpunkte an anderen Instituten in Deutschland. Studierende finden in diesen Schwerpunktregionen viele Anknüpfungspunkte für ihre eigenen Forschungsprojekte.
University of Mumbai (Maharashtra), Indien
Utkal University (Bhubaneswar, Odisha), Indien
University of Sambalpur (Sambalpur, Odisha), Indien
Bei weiteren Fragen wenden Sie sich bitte an Dr. Andrea Luithle-Hardenberg
2. Zentralasien
Zentralasien ist aus geographischer und kultureller Sicht eine vielfältige Region, die sich von Westen nach Osten vom Kaspischen Meer bis nach China und in die Mongolei, und von Norden nach Süden von Russland bis nach Afghanistan und den Iran erstreckt. Die gesamte Region ist topologisch vielfältig und umfasst Hochgebirge wie den Tian Shan, grasbewachsene Steppen, Wüsten aber auch subtropische und semi-aride Regionen.
Zentralasien wird in historischer Hinsicht besonders häufig mit pastoralen Nomaden assoziiert, die besondere Formen der Anpassung an ihre Umwelt entwickelt haben. Einige dieser sozialen und kulturellen Besonderheiten der nomadischen Lebensweise sind bis heute relevant bzw. haben sich im Laufe der Zeit veränderten Bedingungen angepasst.
In einigen Wissenstraditionen identifiziert man Zentralasien mit der Region, durch die einst die Routen der sogenannten „Großen Seidenstraße“ verliefen, die Asien und Europa miteinander verband und durch die verschiedene Kulturen miteinander im Austausch standen. Von einer politischen Perspektive ausgehend, bezeichnet man mit Zentralasien vor allem die fünf postsowjetischen Republiken Kasachstan, Kyrgyzstan, Tajikistan, Turkmenistan und Usbekistan. Während des Großteils des 20. Jahrhunderts wurde diese Teil Zentralasiens erst vom russischen Imperium und dann von den Sowjets beherrscht und verwaltet. Der Zusammenbruch der Sowjetunion führte in den 1990ern dann jedoch zu einem plötzlichen Umschwung von einer Plan- zu einer Marktwirtschaft. Diese sogenannte Transformationszeit hatte tiefgreifende sozio-ökonomische und kulturelle Folgen. Gleichzeitig hat die Wiederbelebung der als „traditionell“ definierten Werte und die Rückbesinnung auf den Islam in der Region zu einer einzigartigen Kombination von ethnographischen Besonderheiten geführt, die ein breites Spektrum für sozial-und kulturanthropologische Forschungen bieten.
Aus kulturanthropologischer Sicht interessieren uns insbesondere lokale Formen sozialer und politischer Formationen, Variationen des alltäglichen Islam, die Rolle „ethnischer“ Zuordnungen in politischen Gemeinschaften, verschiedene pastorale und landwirtschaftliche Wirtschaftspraktiken sowie nomadische und sesshafte Lebensweisen. Bisher wurden zu folgenden Themen Forschungen durchgeführt: mobile Lebensweise, Mensch-Natur-Beziehungen, Jurten und materielle Kultur, heilige Orte, Land- und Wasserressourcen, Verwandtschaft, die Rolle von tribalen Ordnungen im gesellschaftspolitischen Leben, Lebenszyklusrituale und -feiern, die Wiederbelebung des Islam, die Rolle von Frauen, die Rolle von Kindern, traditionelle Medizin, Arbeitsmigration und vieles mehr.
Wir arbeiten seit langem mit Partneruniversitäten in Zentralasien (siehe unten) zusammen. Studierende haben die Möglichkeit, im Rahmen von Austauschprogrammen und für kurze Feldstudien in diesen Institutionen betreut zu werden.
American University in Central Asia, Kyrgyzstan
International University of Central Asia, Kyrgyzstan
Deutsch-Kasachische Universität, Kasachstan
Ferdowsi University of Mashhad, Iran
The University of Isfahan, Iran
Bei weiteren Fragen wenden Sie sich bitte an Dr. des. Baktygul Tulebaeva
3. Kaukasus
Der Kaukasus umfasst aus politischer Sicht im Norden Teile der russischen Föderation und im Süden die unabhängigen postsowjetischen Republiken Armenien, Azerbaijan und Georgien (Südkaukasus). Geographisch betrachtet, liegt dieses Gebiet zwischen dem Schwarzen und Kaspischen Meer, wird von Küstenzonen und Gebirgszügen geprägt und umfasst aride Wüsten- und Steppen- ebenso wie gemäßigt-kontinentale und subtropisch-humide Gebiete. Die Bevölkerung ist ebenso heterogen. Neben den sogenannten „Titularnationen“, ethnische Gruppen, von deren Ethnonym sich die Benennung der Nationalstaaten ableitet (Armenier, Azeris und Georgier), leben hier auch viele ethnische und religiöse Minderheiten wie etwa Juhuro („Bergjuden“), Molokanen, Jesiden, Assyrer, Kurden und andere Gruppen. Während der Kaukasus einerseits – aus der Innen- wie der Außenperspektive – als Bindeglied zwischen Ost und West, zwischen Asien und Europa und Orient und Okzident imaginiert wird, gilt er anderseits, insbesondere aus Sicht russischer und europäischer Autoren des 19. Jahrhunderts, als abgeschieden und gefährlich. In dieser Literatur findet man romantische Beschreibungen „wilder“ Bergvölker und ihrer Ehrbegriffe. Beide Vorstellungen haben, trotz aller Übertreibungen, ihre Berechtigung.
Historisch gesehen, verliefen durch den Kaukasus Handelswege und Migrationsströme, die mit der alten Seidenstraße in Verbindung gebracht werden. Bis heute ist der Kaukasus eine Transitzone und vereint verschiedenste Menschen und Weltanschauungen. Gleichzeitig war und ist die Region von Konflikten und Kriegen gebeutelt, die sich auf wechselhafte Herrschaftsverhältnisse zurückführen lassen. Solche Konflikte gefährden auch heute die soziale, politische und wirtschaftliche Sicherheit und prägen die Fremdwahrnehmung und die Kontakte nach außen. Großmächte wie die USA, Russland, der Iran und die Türkei (neuerdings auch China) sind zwar an den natürlichen Rohstoffen am Kaspischen Meer sowie an der geostrategischen Lage interessiert, scheinen den Kaukasus jedoch nach wie vor als Peripherie zu betrachten, die von teilweise fremd erscheinenden kulturellen Werten und Konstellationen geprägt wird.
Die bewegte Geschichte des Kaukasus, die ethnische und religiöse Vielfalt sowie die sozialen, rechtlichen, politischen, wirtschaftlichen und linguistischen Besonderheiten, machen den Kaukasus zu einem höchst interessanten Forschungsgebiet für die Kultur- und Sozialanthropologie. Dennoch ist der Stand zur ethnographischen Erforschung der Kaukasusregion relativ überschaubar – und das obwohl die Forschungsbedingungen grundsätzlich vorteilhaft sind und Projekte von lokalen ForscherInnen und Institutionen meist unterstützt werden.
Die von unseren akademischen MitarbeiterInnen, DoktorandInnen und Studierenden im Kaukasus durchgeführten Projekte decken ein weites Themenspektrum ab. Sie reichen von stadtethnologischen Arbeiten über Forschungen zur lokalen Ökonomie bis zur Beschäftigung mit religiösen Identitäten und Reproduktionstechnologien. Neben Forschungskontakten unterhält das Institut außerdem Kooperationen mit lokalen Universitäten, die einen Studierendenaustausch ermöglichen und Unterstützung bei studentischen Forschungsprojekten anbieten.
Yerevan State University, Armenien
Ivane Javakhishvili Tbilisi State University, Georgien
Bei weiteren Fragen wenden Sie sich bitte an PD Dr. Susanne Fehlings
Bechtold, Louise: „Bestattungskultur und
Regeneration des Lebens in Kyrgyzstan“. [Burial Culture and the Regeneration of
Life: Gift Exchange, Feasting and “Relatedness" in Kyrgyzstan]
Dürr, Andreas: „Gewusst wie:
Diskurse über religiöses Wissen und normatives Verhalten im Kontext der
Hochschulbildung in Afghanistan." [Knowing the right way:
Discourses of religious knowledge and normative behaviour in the context of
higher education in Afghanistan.]
Kesavan, Indhubala: „An
anthropological Study of Rice as Goddess and Agro-Economy in Odisha, India“.
Kumar, Suneet: „Rice as a Religious
Resource. Locating RessourceCultures in Adivasi ways of being with rice in
south Odisha, India.
Melles, Maike: „Die Dehesa-Landschaft
als Ressourcengefüge: Repräsentation, Wissen und Konflikte“. [The dehesa
landscape as resource assemblage: representation, knowledge, conflicts"]
Müller, Katharina: „Die Stiftung
Astan e Qods Razawi in der ostiranischen Provinz Khorassan (Iran). Religiöse
Wertschöpfung von Ressourcen in Zentral- und Südasien“. [The trust Astan e Qods
Razawi in the eastern Iranian province of Khorassan]
Neuenhaus, Jonah: „Bahá'i-Sein und Werden in Kirgistan- zu
Diskontinuitäten von Erfahrungen und Konzeptualisierungen religiöser
Konversionen im Kontext einer Institutionalisierten und globalisierten
Vermittlung von religiösem Wissen“.
Ojha,
Deepak: „Religious Speech as a Resource
in South and Central Asia: Instruction, Medialization and Commercialization“.
Respondek,
Manuel: „Bergbau-Ressourcenkultur in Riotinto und
im Raum Huelva. Die Mine: Zuhause, Landschaft, Kulturerbe“.
Schäfer, Sophia: „Religiöse
Autorität als Ressource. Kultur und Religiosität einer christlichen Community
Ostindiens im Wandel“. [Religious authority as a resource. Cultural and
religious change in a Christian community Eastern India]
Taalaibekova, Gulniza: „Einladung
zum 'neuen' Islam: Religiöse Reden in Kirgisistan “. [Invitation to "new" Islam: Religious
Speeches in Kyrgyzstan]
Utetileuova, Togzhan: „Contrasting
land - contrasting practices? Multidimensional dynamics in past and present
rituals of 'wheat citizens' in Kazakhstan“.