Begrenzte Sicherheiten: Praktiken, Technologien und Politiken
der Prävention von Dengue und seinen Vektoren in Europa

Im Zuge globaler Mobilität und veränderter klimatischer Bedingungen sind in den letzten Jahren rund 12.000 „gebietsfremde“ Arten in Europa heimisch geworden. Als gesundheitspolitisch relevant erweist sich hier die aus tropischen Regionen eingewanderte Tigermücke Aedes albopictus, die sich in weiten Teilen Süd- und Westeuropas ausbreitet und als Vektor für das Dengue-, möglicherweise aber auch das Zikavirus dient. Dengue, ein „tropisches“ Fieber, tritt bereits in 100 Ländern weltweit endemisch auf, die damit verbundene (globale) Krankheitslast steigt stetig. Angesichts der in Mittel- und Südamerika grassierenden Zika-Epidemie, insbesondere auch der damit einhergehenden Häufung von Mikrozephalie-Fällen bei Neugeborenen in Brasilien, richtet sich die Aufmerksamkeit der Gesundheitsbehörden zunehmend auf krankheitsübertragende Moskitos. Dies hat auch die Weltgesundheitsorganisation am 01.02.2016 zum Anlass genommen, eine „Gesundheitlichen Notlage von internationaler Tragweite“ zu erklären. Zwar gilt Europa bislang nicht als Risikogebiet für Dengue oder Zikavirus, doch zeigt sich aktuell, wie im Zuge der Diskussion um die Verbreitung (hoch)kontagiöser Erkrankungen Tigermücken als Biosicherheitsrisiko problematisiert werden. In Abwesenheit des Dengue-Virus‘ stellen die Mücken die notwendige Voraussetzung für die Verbreitung der Erkrankung dar, so dass Präventionsmaßnahmen bei ihnen ansetzen.

Ziel der kulturanthropologischen Studie ist es zu untersuchen, wie vor dem Hintergrund der Verbreitung von Tigermücken in Europa neue Präventionsstrategien entwickelt und umgesetzt werden. In diesem Rahmen wird die ehemals „tropische“ Krankheit Dengue auch in Europa medizinisch wie gesundheitspolitisch bedeutsam. Gegenstand der geplanten Forschung sind die vielfältigen Präventionspraktiken, -technologien und -standards, wie etwa Überwachungsprogramme und Kartierungen, Insektizide oder auch Initiativen zur Bürgerbeteiligung, die zum Ziel haben, eine einheimische Verbreitung von Dengue innerhalb Europas zu verhindern.

Die Studie basiert auf einem ethnografischen Ansatz. In vier ausgewählten Settings der Dengue-Prävention soll mittels teilnehmender Beobachtung und Experteninterviews herausgearbeitet werden, wie sich präventives Wissen und präventive Technologien herausbilden und wie diese an lokale Gegebenheiten angepasst werden. Während die konkreten Handlungen der an Präventionspraktiken beteiligten Akteure im Zentrum der teilnehmenden Beobachtungen stehen, geben die Experteninterviews Aufschluss über das relevante Spezialwissen, das bei der Bekämpfung von Dengue und Dengue-übertragenden Moskitos zum Tragen kommt. Diese beiden Methoden werden zudem durch die Analyse von Strategiepapieren, Präventionsplänen, Kartierungen und Fachliteratur ergänzt und vertieft.
Das Projekt greift dabei auf vier exemplarische Settings zurück, die an der Forschung zu und Bekämpfung von Tigermücken in Europa beteiligt sind: erstens virologische und entomologische Forschungseinrichtungen, zweitens der Handel mit Gebrauchtreifen und Glücksbambus, drittens Kartierungen der Insektenverbreitung und viertens die Bekämpfung städtischer Moskitopopulationen.

Untersucht werden soll:

  • wie Akteure aus Ökologie, Gesundheitspolitik und Biologie mit invasiven Spezies umgehen
  • welche Rolle hierbei geopolitische Grenzen spielen
  • und was die eingewanderten Moskitos für den Umgang mit Dengue in Europa bedeuten.

Gefördert von der Deutschen Forschungsgemeinschaft DFG

Laufzeit: 01.06.2016 – 30.11.2018

Leitung: Jun. Prof. Dr. Meike Wolf

Wissenschaftlicher Mitarbeiter: Kevin Hall