Konferenz Kulturen und Ordnungsform der Gewalt
Theoretische Ansätze und epochenspezifische Narrative


23.-24. November in Frankfurt am Main

Die prähistorische Archäologie versuchte auf der Basis der ihr zur Verfügung stehenden Bodenfunde in den vergangenen 100 Jahren stets, auch zu Schlüssen zur gewaltförmigen Konfliktaustragung und -regulierung vergangener Gesellschaften zu gelangen. Ausgehend von älteren Auffassungen einer Unmöglichkeit von „Krieg“ in vorstaatlichen Gesellschaften wurde das Bild einer „pacified past“ propagiert; seit etwa 20 Jahren ist indes ein zunehmendes Interesses an gewalttätigen Konflikten in der Vorgeschichte zu konstatieren. Vor allem die mitteleuropäische Bronzezeit, die Phase vom Ende des dritten bis zum Anfang des ersten Jahrtausends v. Chr., scheint für deren Erforschung prädestiniert: Nicht nur die Epen Homers schildern kriegerische Auseinandersetzungen gewaltigen Ausmaßes, auch das erstmalige Aufkommen rein auf das Töten von Menschen ausgelegter Waffen wie das Schwert oder die Errichtung massiver Befestigungsanlagen erwecken den Eindruck, dass in der Bronzezeit der Krieg zwischen Warlords und deren Gefolgschaft endemisch war. Wie hier am Beispiel der prähistorischen Archäologie angedeutet, sollen auf der Tagung aus der Perspektive verschiedener Disziplinen Fragen der Gewaltforschung und der darauf bezogenen Theoriebildung diskutiert und aufeinander bezogen werden. Dabei denken wir vor allem an folgende Fragestellungen:

    • Wie lässt sich die Diskrepanz zwischen weitreichenden Narrativen und Theoremen der Gewaltforschung einerseits und den jeweils gegebenen Quellenlagen, Materialisationen von Gewalt und empirischen Daten andererseits methodisch bewältigen?
    • Welche Reichweite haben Ansätze, die individuelle und kollektive Gewalt durch kultur- und epochenspezifische Deutungs- und Rechtfertigungsmuster (Kriegerprestige, Ehrkonzepte, männliche Dominanzkultur, zivilisatorische Verinnerlichung der Affektkontrolle etc.) erklären?
    • Wie lässt sich die ordnungsstiftende Funktion von Gewalt und Gewaltbegrenzung in unterschiedlichen gesellschaftlichen und historischen Formationen (vorstaatliche vs. Gesellschaften mit staatlichem Gewaltmonopol, segmentäre vs. stratifizierte und funktional differenzierte Gesellschaften, Gewaltmärkte vs. rechtsstaatlich eingehegte Ökonomien etc.) konzeptualisieren?
    • Bis zu welchem Grad werden Großnarrative zu bestimmten Kulturen und Epochen aus dem Selbstverständigungsbedarf der heutigen westlichen Gesellschaften – die aus dem Traum einer gewaltfreien Moderne noch nicht ganz erwacht zu sein und ein kriegsvergessenes Bewusstsein zu pflegen scheinen – konstruiert? Lassen sich diese Narrative aufrechterhalten, und was kann der historische und kulturelle Vergleich zur Beantwortung dieser Frage leisten
                                

                             

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Koperation mit dem Loewe-Schwerpunkt "Religiöse Positionierung"