Andreas Kramm, M.A., User Experience Consultant

Wo arbeiten Sie und wie sind Sie dazu gekommen?

Ich arbeite in Köln bei der eresult GmbH, einer Agentur, die auf User Experience und Usability spezialisiert ist. Wir decken mit unseren Leistungen den gesamten Prozess des User Centered Designs ab. Ich reise viel und bin daher etwa alle zwei Wochen für einige Tage bei einem unserer Kunden und führe vor Ort Forschungs­tätigkeiten durch oder arbeite beratend mit Entwicklungsteams. Ich arbeite auch oft Zuhause, die meiste Zeit aber in unserem Büro in Köln. Ich habe das Unternehmen während meiner vorherigen Tätigkeit bei einem großen Telekommuni­kations­unternehmen kennengelernt und mich dort dann beworben.

Was beinhaltet Ihre alltägliche Tätigkeit als User Experience Consultant und was sind eher besondere Aufgaben?

Meine Aufgabe ist es unsere Kunden dabei zu unterstützen, digitale Produkte – von Websites, Apps bis zu Displays in Autos oder Smart Home-Produkten – nutzerzentriert zu entwickeln. Dazu plane ich Nutzerstudien, koordiniere diese mit unseren Kunden, führe sie im Team durch, werte sie aus und präsentiere die Ergebnisse. Diese Tätigkeiten können am Anfang der Entwicklung stehen, aber auch überprüfend am Ende. Dabei gebe ich konkrete Handlungsempfehlungen wie die Produkte verbessert werden können und erstelle teilweise Konzepte, erste schematische Entwürfe oder Prototypen.

Heute zum Beispiel war ich bei einem unserer Kunden und habe Ergebnisse aus Interviews diskutiert sowie weitere Schritte im Projekt geplant. In einem Meeting mit den Entwicklungsteams haben wir mögliche Veränderungen am Produkt besprochen. Den Rest des Tages habe ich ganz konkret die anstehenden Forschungsschritte in diesem Projekt koordiniert und geplant: Probanden-Kriterien festlegen und weitergeben, Fragestellungen abstimmen und zu testende Prototypen prüfen. Gestern hingegen habe ich den ganzen Tag Interviews durchgeführt. Hierzu laden wir die Zielgruppe unserer Kunden in unser Büro ein. Wir haben dort einen Raum eingerichtet, in dem wir die Interviews durchführen und die Teilnehmer das zu untersuchende Produkt nutzen können. Ton und Bild werden dabei aufgezeichnet und auch in einen Beobachtungsraum übertragen.

Besondere Aufgaben sind für mich Konzeptions-Aufgaben. Diese machen in der Regel sehr viel Spaß, weil ich dabei kreativ sein kann. Ganz konkret erstelle ich dann Konzepte, visualisiere erste Ideen schematisch oder erstelle teilweise auch erste Prototypen. Dabei geht es weniger um visuelles Design, sondern um Informationsarchitektur und Nutzerführung. Programmieren muss ich dabei nicht. Allerdings ist ein grundlegendes Verständnis sehr hilfreich. So kann ich sicherstellen keine Vorschläge zu machen, die in dem System so oder so nicht umgesetzt werden können.

Welche Verbindungslinien sehen Sie zwischen Studium und jetziger Tätigkeit?

Ich habe mich in meinem Studium immer dafür interessiert, wie Menschen Technologien nutzen und wie diese Nutzung unser Verhältnis zu uns, Anderen und der Welt beeinflusst. Mich hat aber auch immer interessiert, wie technologische Entwicklungen hervorgebracht werden. Es macht mir Spaß diese Prozesse nun bei meiner Arbeit zu beobachten.

Ich denke, dass die theoretischen Grundlagen der Science and Technology Studies aber auch erkenntnis- und wahrnehmungstheoretische Grundlagen wichtig sind, um meiner Arbeit nachzugehen. Andererseits habe ich in meinem Studium vor allem das Planen, Durchführen, Auswerten und Präsentieren von empirischen Studien gelernt. Auch das Kennenlernen verschiedener Methoden war für mich sehr wichtig.

Ich kann in meiner jetzigen Tätigkeit auf meine Mitarbeit in dem Forschungsprojekt „Software Design for Interactional Privacy within Online Social Networks“ (DIPO, https://dipo.sit.fraunhofer.de/) am Institut zurückgreifen, das organisiert wurde innerhalb einer interdisziplinären Kooperation, die seit 2009 zwischen dem Frankfurter Institut für Kulturanthropologie (unter Prof. Manfred Faßler und Dr. Petra Ilyes) und dem Fraunhofer Institute for Secure Information Technology (SIT) / Technische Universität Darmstadt besteht. Das DIPO-Projekt untersuchte, wie User in Sozialen Netzwerken mit Fragen nach Datenschutz und Sicherheit umgehen und wie diese Problematiken in angemessenem Software-Design umgesetzt werden können. Sozial Netzwerke wurden hierbei als besondere sozio-technische Beziehung zwischen Usern und Software verstanden und so gemeinsam von SozialwissenschaftlerInnen und InformatikerInnen untersucht. In diesem Projekt konnte ich bereits sehr viele praktische Forschungserfahrungen sammeln, Projekte organisieren, aber auch Ergebnisse vor Publikum auf Konferenzen präsentieren und diskutieren. Auch die Kontakte haben mir bei meinem Berufseinstieg auf jeden Fall geholfen. Mein erster Job nach dem Studium kam über eine im Rahmen dieses Projektes gemachte Bekanntschaft zustande. Ich denke auch, dass ein Praktikum, welches ich ebenfalls im Rahmen des DIPO-Projektes bei einem großen internationalen Unternehmen machen konnte, sehr hilfreich war, um einen Einstieg ins Berufsleben außerhalb der Universität zu finden.

Wie unterscheidet sich die berufliche Arbeit vom Studium? Gibt es Fähigkeiten, die Sie sich erst „on the job“ aneignen mussten?

Ich habe jetzt viel weniger Zeit und kann nicht alles zu 100 Prozent perfekt machen. Deshalb musste ich auf jeden Fall lernen zu priorisieren und mich auf die wichtigen Dinge zu konzentrieren. Außerdem musste ich mir weitere Methodenkenntnisse aneignen. Das technische Verständnis für die Produkte, an denen ich arbeite, musste ich ebenfalls nach und nach aufbauen.


Initiiert und editiert von Marlen Heislitz, B.A. Das Interview fand im Juni 2016 statt.