Zur Bedeutung und Funktion der Brunnen in der befestigten Siedlung von Kamennyj Ambar, bronzezeitliche Sintašta Kultur im Trans-Ural, Russische Föderation

Antragsteller: Prof. Dr. Rüdiger Krause, Dr. Astrid Stobbe

Förderung: seit Juni 2015 (2 Jahre), Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) „Zur Bedeutung und Funktion der Brunnen in der befestigten Siedlung von Kamennyj Ambar, bronzezeitliche Sintašta Kultur im Trans-Ural, Russische Föderation/The function and importance of wells in the fortified settlement of Kamennyi Ambar, Bronze Age Sintashta culture in the Trans-Urals, Russia“

Wiss. Mitarbeiter: Lisa Rühl M.A.

English version

In den Jahren 2008 bis 2013 wurden im Rahmen des von der DFG geförderten Projekts „Environment, Culture and Society of the Southern Urals in the Bronze Age: A Multidisciplinary Investigation in the Karagaily-Ayat Microregion, Russia” archäologische Ausgrabungen (http://www.uni-frankfurt.de/47231428/30_Ural) mit begleitenden archäobotanischen Untersuchungen (http://www.uni-frankfurt.de/47389293/10_Ural) in den befestigten Siedlungen Kamennyj Ambar und Konopljanka durchgeführt (Projektleiter: Prof. Dr. Rüdiger Krause).

Das insbesondere aufgrund der großen Anzahl von mehr als 20 entdeckten Brunnen separat beantragte Teilprojekt ist der archäologischen und archäobotanischen Untersuchung dieser außerordentlichen Befunde gewidmet.

Die Brunnenbefunde

Die Brunnen befinden sich generell innerhalb von Gebäudestrukturen. Ihre Anzahl variiert von einem bis hin zu mehr als zehn Brunnen je Gebäudeeinheit, in welchen diese oft eng beieinander liegen, teilweise wie an einer Kette entlang der Längsachse angeordnet (Abb. 1). Im archäologischen Befund zeichnen sich die Brunnen als runde bis ovale, dunkle Verfärbungen im hellen gelb-roten Lehm des gewachsenen Bodens ab (Abb. 2 A-C). Nahezu alle Brunnenschächte weisen mit etwa 3,0-3,5 m ab bronzezeitlichem Fußbodenniveau eine ähnliche Tiefe auf (bis in die sandigen, Wasser führenden Schichten der ersten Flussterrasse) und verjüngen sich zum Boden hin auf 0,6-1,0 m Durchmesser.

Abb. 1 Kamennyj Ambar. Pläne der Grabungsareale 1-6 (Brunnen in blau), ergänzt um Fotogrammetrie der Brunnen 5.2-5.11

Abb. 2 Fotogrammetrie ausgewählter Brunnen in Haus 5 (Areal 6); B Brunnen 6.1 und 4.1 während der Ausgrabung; C Teilprofil Brunnen 5.7, sekundäre Nutzung; D Brunnen 2.1 und 2.1a, miteinander verbundene Flechtwerkeinfassungen; E Erhaltene Hölzer der Schachteinbauten aus Brunnen 5.3

Entgegen der bisherigen Darstellung in der Forschung (Епимахов/Берсенева 2012) bestehen durchaus Unterschiede hinsichtlich der Konstruktionsweise und der sekundären Verfüllung der Brunnen. Häufig konnten hölzerne Einbauten in Form von Verschalungen mit Brettern oder Flechtwerkkonstruktionen zur Stabilisierung der Schachtwände festgestellt werden. Die eigentliche Nutzungsschicht am Boden der Brunnenschächte ist auf den ersten Blick meist unspektakulär grau und geringmächtig. Manchmal findet sich dort eine schwarz-braune, stark organische Masse. In ihr sind Pollen und unverkohlte pflanzliche Makroreste (vielfach auch Holzfasern sowie Rinde und Knospen von Bäumen) aufgrund der Lage im Grundwasserbereich subfossil konserviert (Abb. 2 D-E, 3).

Die oberhalb folgenden Verfüllungen sind mächtig und sehr unterschiedlich aufgebaut. Zumeist handelt es sich um gelb-rote Lehme, unterbrochen von unterschiedlich mächtigen „Müllschichten“. Diese enthalten neben Tierknochen und Fischresten, Keramikscherben, Holzkohle und verziegeltem Lehm auch (verkohlte) Pflanzenreste. In anderen Brunnen wiederum waren keine Einbauten zu erkennen. Scheinbar wurden diese rasch ohne weitere Baumaßnahmen wieder verfüllt, worauf eine recht homogene Verfüllung aus umgelagertem gelb-rotem sterilem Lehm hindeutet. Die exakte Dokumentation der bodennahen Ablagerungen war während der archäologischen Ausgrabung schwer zu realisieren, da der hohe Grundwasserstand in vielen Fällen keine systematische und stratifizierte Bergung der Brunnensedimente erlaubte. Als sichere Methode, um die stratigraphische Abfolge nachvollziehen zu können, erwiesen sich Bohrungen mit einem Stechbohrer im Vorfeld der Ausgrabung (Abb. 4 A-B).

Abb. 3 Probenentnahme unterhalb des Grundwasserspiegels; B Organische Lage in Brunnen 5.10 mit Feuchterhaltung (Holz und andere pflanzliche Reste) C-E subfossil erhaltene Pflanzenreste (Apiaceae, Knospen, Cyperaceae)

Abb. 4 A Bohrung von Brunnen 5.2 (2013); B Bohrkern 5.9 kurz nach der Bohrung; C Nutzungsbereich in Bohrkern 5.9 mit Holzerhaltung (Pfeile) und dem Übergang zum Sand der Terrasse

Materialbasis und Forschungsmethoden

Anhand der Bohrkerne sind Untersuchungen zur Erstellung einer Feinstratigraphie möglich. Die Bohrkerne stellen multidisziplinäre Archive für Archäobotanik (Makroreste, Pollen), Mikromorphologie und Archäozoologie dar und bieten sehr gut stratifiziertes Material für AMS C14-Datierungen. Ergänzend wurden zahlreiche größere Sedimentproben für archäobotanische Analysen entnommen, so dass auswertbare Bohrkerne und etwa 140 Sedimentproben von 18 Brunnen vorliegen.

Insbesondere die subfossile Erhaltung organischer Materialien im Grundwasserbereich ist von unschätzbarem Wert für die Untersuchung von pflanzlichen Großresten (Samen/Früchte, Hölzer und vegetative Pflanzenteile) und für die Erforschung der Brunnenkonstruktion (hölzerne Einbauten), Funktionsweise und Nutzung. Erste Ergebnisse zeigen, dass sich das Spektrum der in Kamennyj Ambar gefundenen Pflanzentaxa durch die subfossilen Pflanzenreste aus den Brunnen fast verdoppelt. Dieses breitere Artenspektrum trägt zu einem detaillierteren Bild der bronzezeitlichen Steppenvegetation bei.

Fragestellung und Ziele

Die Synthese der multidisziplinären Untersuchungen der Brunnen in Kamennyj Ambar soll dazu beitragen, das Phänomen des bronzezeitlichen Brunnenbaus in der eurasischen Steppe näher zu beleuchten.

Das archäobotanische Material aus den Brunnen liefert weiterführende Erkenntnisse zu Ernährung und Pflanzennutzung in den Siedlungen (z. B. bei sekundärer Nutzung als Abfallgrube) und zur Vegetation der Umgebung. Die einzigartigen Erhaltungsbedingungen organischer Materialien ermöglicht es außerdem, die Brunnenarchitektur zu rekonstruieren und mehrere Befunde miteinander zu vergleichen. Daraus ergeben sich im Detail weitere Fragen:

Waren die Brunnen überdacht oder standen sie offen und wie ist das bauliche Verhältnis zu den Häusern? Wie lange hielten die Schächte stand, bzw. wann musste ein neuer Brunnen errichtet werden? Bestanden mehrere Brunnen gleichzeitig oder lassen sich chronologische Abfolgen fassen? Was passierte mit einem aufgegebenen Brunnen? Gibt es Unterschiede in der sekundären Nutzung?

Die Brunnen werfen außerdem Fragen nach ihrer Funktion im Zusammenhang mit der Wirtschaftsweise der Sintašta-Kultur auf: Warum wurden sie überhaupt gegraben, wo doch die Siedlungen meist auf Niederterrassen unmittelbar an den Flussläufen errichtet wurden. War es der individuelle Anspruch der Hausbewohner, stets Zugriff auf frisches Trink-, bzw. Tränkwasser zu haben? Spielt hierbei die Saisonalität eine Rolle (insbesondere die Wintermonate mit zugefrorenen Flussläufen)?

Die Befunde aus Kamennyj Ambar und Konopljanka sollen abschließend mit bereits publizierten Brunnen des bronzezeitlichen Steppenraums verglichen und in diesem größeren Kontext betrachtet werden.

 

Zitierte Literatur

А. В. Епимахов – Н. А. Берсенева, Традиция сооружения колодцев в аридной части Северной Евразии в эпоху бронзы. Культуры степной Евразии и их взаимодействие с древними цивилизациями. Международная научная конференция, посвященная 110-лению со дня рождения выдающегося российского археолога Михаила Петровича Грязнова, Кн. 2 (СПБ 2012) 164-168.

 

Publikationen

L. Rühl – L. N. Koryakova – R. Krause – A. Stobbe, Wells of the fortified Bronze Age settlement Kamennyi Ambar (Chelyabinsk Oblast, Russia), in: V. N. Adaev – N. P. Matveeva – N. E. Ryabogina – S. M. Slepčenko (Hrsg.), Ecology of ancient and traditional societies. Proceedings of the 5th international conference. 5th international conference: Ecology of ancient and traditional societies (EATS), 7.-11.11.2016, Tyumen [Л. Рюль – Л.Н. Корякова – Р. Краузе – А. Штоббе «Колодцы укрепленного поселения эпохи бронзы Каменный Амбар (Челябинская Область)» In: В. Н. Адаев – Н. П. Матвеева – Н. Е. Рябогина – С. М. Слепченко, Экология древних и традиционных обществ : материалы V Международной научной конференции, г. Тюмень, 7–11 ноября 2016 г. в 2 ч. (Тюмень 2016).] (Tyumen 2016) 187–192. http://ipdn.ru/nauchnye-meropriyatiya/yekologiya-drevnikh-i-tradicionnykh-soob/

 

Präsentation auf Tagungen

5th International Conference “Ecology of Ancient and Traditional Societies (EATS) (November 7-11 2016, Tyumen, Russia) (V Международная научная конференция «Экология древних и традиционных обществ» 7-11 ноября 2016 г., Тюмень)

Vortrag: “Wells of the fortified Bronze Age settlement Kamennyi Ambar (Chelyabinsk Oblast, Russia)”/«Колодцы укрепленного поселения эпохи бронзы Каменный Амбар (Челябинская Область)»

17th Conference of the International Workgroup for Palaeoethnobotany (IWGP), July 4-9 2016, Paris

Poster “Wet preservation in a semi-arid environment – well features from the Bronze Age Sintashta settlement Kamennyi Ambar (Russia) as multidisciplinary archives”

24. Jahrestreffen des Arbeitskreises Vegetationsgeschichte der Reinhold-Tüxen-Gesellschaft, 26.-28.09.2014 Frankfurt am Main

Vortrag: „Neues aus dem Trans-Ural. Archäobotanische Untersuchungen bronzezeitlicher Brunnen aus der befestigten Siedlung Kamennyj Ambar (Russische Föderation)“

 

Publikation mit Ergebnissen der Großrestanalysen aus der Siedlung Kamennyj Ambar:

A. Stobbe – M. Gumnior – L. Rühl – H. Schneider, Bronze Age human-landscape interactions in the southern Transural steppe, Russia – Evidence from high-resolution palaeobotanical studies, The Holocene 26 (10) 2016, 1692-1710. https://doi.org/10.1177/0959683616641740

L. Rühl – Ch. Herbig – A. Stobbe, Archaeobotanical analysis of plant use at Kamennyi Ambar, a Bronze Age fortified settlement of the Sintashta culture in the southern Trans-Urals steppe, Russia, Veg Hist Archaeobot. 24 (3) 2015, 413-426. http://link.springer.com/article/10.1007/s00334-014-0506-7