Adorno-Denkmal

Unser ganzes Leben entstammt dem 'Arbeitszimmer'. Die ganze Kultur kommt aus einem privaten Raum. Dieser Raum kreiert globale Ideen, die unser Bewusstsein total verändert haben.“ Vadim Zakharov, 2003 [1]

Anlässlich seines 100. Geburtstages im Juli 2003 ließ die Stadt Frankfurt ein Denkmal für den Philosophen, Soziologen und Musiktheoretiker Theodor W. Adorno errichten. Das von dem in Köln lebenden, russischen Künstler Vadim Zakharov geschaffene Denkmal präsentiert einen Arbeitsplatz mit Schreibtisch und Stuhl in einem 2,7 m hohen Glaskubus von 2,5 m Kantenlänge, der von einer 1,55 m breiten Fläche aus labyrinthartig angeordneten, schwarz-weißen Marmor- und Granitplatten umgeben ist. Im Innern des Kubus wurde Parkett verlegt und auf dem Schreibtisch befinden sich verschiedene Gegenstände. Dass es sich bei dem Schreibtisch nicht um die Nachbildung eines Originals, sondern um einen Entwurf des Künstlers handelt, spielt dabei keine Rolle. Ziel des Denkmals sollte es ausdrücklich nicht sein, den originalen Arbeitsplatz auszustellen, sondern ein Bild des Philosophen zu entwerfen.

Bei der Einweihung im Oktober 2003 bezeichnete Zakharov den Schreibtisch und die dazugehörigen Utensilien als „den wahren Ausdruck der Persönlichkeit Adornos“[2]. In der Tradition des Moskauer Konzeptualismus hatte er sich für eine Darstellung des Denkers durch die Dokumentation seiner Ideen entschieden. So weist die funktionsfähige Schreibtischlampe auf Adorno nächtliches Schaffen hin, während das schlagende Metronom seine kompositorische Tätigkeit versinnbildlicht. Die ebenfalls auf dem ansonsten sehr aufgeräumten Schreibtisch platzierte Ausgabe von Adornos Werk „Negative Dialektik“ (1966) steht stellvertretend für sein philosophisches Werk, Manuskripte und Notenblätter verweisen auf seine Arbeitsschwerpunkte. In die den Glaskubus umgebenden Bodenplatten sind Zitate aus den Werken „Minima Moralia“ (1951) und „Ästhetische Theorie“ (1970) eingraviert. Sie geben dem Betrachter einen Einblick in Adornos Denken und regen zur Auseinandersetzung mit seiner Philosophie an. Auf typische Würdeformeln wie Porträt, Sockel oder Geburts- und Todesdatum wurde ebenso verzichtet, wie auf eine einleitende Erklärung zu den Zitaten.

Die Jury, die insgesamt sechs Einsendungen zu begutachten hatte, würdigte besonders den Entwurf Zakharovs. Jurymitglied Udo Kittelmann (von 2002 bis 2008 Direktor des Frankfurter Museums für Moderne Kunst) hielt das Denkmal für „intelligent und sensibel genug, um neugierig auf Adorno zu machen“.[3] Es wurde aber auch kontrovers diskutiert.[4] Bezugnehmend auf Adornos Kritik an dem Anspruch, „dass wer das fragwürdige Glück besitzt, später zu leben, und wer von Berufs wegen mit dem befasst ist, über den er zu reden hat, darum auch souverän dem Toten seine Stelle zuweisen und damit gewissermaßen über ihn sich stellen dürfe“, wurde die Legitimität des Denkmals in Frage gestellt.[5] Die Diskussion drehte sich nicht nur um die Möglichkeiten der Darstellung, sondern auch um die Interpretation des „Arbeitszimmers“ vor dem Hintergrund der ästhetischen Theorie Adornos.[6]

Ursprünglich wurde das Denkmal auf dem damals in Bockenheim gelegenen Theodor-W.-Adorno-Platz errichtet. Im Zuge der Umbenennung des zentralen Platzes auf dem Campus Westend in Theodor-W.-Adorno-Platz wurde das Denkmal im Frühjahr 2016 auf seinen neuen Standort im Herzen des Campus gebracht. Es steht auf der Grünfläche neben dem Weg zwischen dem Gebäude der Psychologie, Erziehungswissenschaften und Gesellschaftswissenschaften (PEG) und dem Hörsaalzentrum am neuen Theodor-W.-Adorno-Platz auf dem Campus Westend.

© Forschungszentrum Historische Geisteswissenschaften


Literatur und Links:


[1] Vadim Zakharov im ARD-Kulturmagazin „Titel, Thesen, Temperamente – Denker im Kasten“ vom 07.09.2003 zu seinem Entwurf des Adorno-Denkmals
[2] Ebd.
[3] Vergl.: Der Spiegel, 11.09.2003
[4] Siehe auch Hagen „Der Adorno-Code“
[5] Vgl. Heß 2006
[6] Vgl. Fricke 2003