Anschläge der Roten Armee Fraktion (RAF) 1972, 1976 und 1982

Der Verwaltungskomplex der ehemaligen „Interessengemeinschaft Farbenindustrie AG“ (I.G. Farben) ist als zentraler Sitz der US-amerikanischen Streitkräfte in Deutschland auch nach dem Zweiten Weltkrieg ein enorm symbolträchtiges Gebäude geblieben. Nachdem das Gelände mit dem Einmarsch der amerikanischen Truppen zunächst eingezäunt und durch strenge Sicherheitskontrollen abgeschirmt worden war, entspannte sich das Verhältnis zwischen Besatzern und Besetzten im Laufe der Nachkriegsjahre zusehends. Schließlich wurde der Zaun abgebaut, und die amerikanischen Truppen integrierten sich in das Alltagsleben der Frankfurter Bevölkerung. Da amerikanische Soldaten und Offiziere schon früh in den umliegenden Wohngegenden angesiedelt wurden, war der tägliche Kontakt ohnehin selbstverständlich. Schulkinder fuhren, wie heute auch noch, zum Spaß in den Paternostern im Hauptgebäude, Anwohner flanierten durch die Parkanlagen und der „american way of life“ wurde zum Leitbild gerade für die junge Generation.

Der Terrorismus der 1970er Jahre läutete das Ende dieses ungezwungenen Verhältnisses ein. Die deutschlandweit operierende, international vernetzte Terrorgruppe „Rote Armee Fraktion“ (RAF) lehnte nicht nur die politische Ordnung der Bundesrepublik, sondern auch das weltweite militärische Engagement der USA ab, insbesondere in Vietnam. Aus den Protesten der 1960er Jahre hervorgegangen, begnügten sich die schätzungsweise 60 bis 80 Mitglieder der antikapitalistisch-antiimperialistisch gesonnenen Gruppe nicht mit friedlichen Demonstrationen. Nachdem Andreas Baader, Gudrun Ensslin, Ulrike Meinhof und andere sich zu Beginn der 1970er Jahre als gewaltbereite Gruppierung mit „Guerilla“-ähnlichem Ansatz formiert und bereits mehrere Banküberfälle zur Finanzierung ihrer Terroranschläge verübt hatten, ging die RAF zu Bombenattentaten über.

Am 11. Mai 1972 zündete das „Kommando Petra Schelm“ der RAF insgesamt drei Sprengsätze auf dem Areal der ehemaligen I.G. Farben: im Foyer des Hauptgebäudes sowie am Eingang des als „Terrace Club“ bezeichneten Casinos.[1] Der Soldat Paul A. Bloomquist wurde dabei getötet, dreizehn weitere zum Teil schwer verletzt, und die Gebäude wurden stark beschädigt. Dies war nicht nur der erste Bombenanschlag der RAF überhaupt, er bildete auch den Auftakt zu ihrer sogenannten „Mai-Offensive“, in deren Verlauf insgesamt fünf Bombenanschläge verübt wurden.

Vier Jahre später, kurz nach dem Tod der inhaftierten Ulrike Meinhof, explodierten am 1. Juni 1976 erneut zwei Bomben am „Terrace Club“ sowie im Hauptgebäude. Eine „Brigade Ulrike Meinhof“ bekannte sich zu dem Attentat, bei dem es 16 Verletzte gab. Wieder galt der Anschlag als Zeichen im Kampf gegen den globalen Kapitalismus und die „US-amerikanische Besatzungsarmee“.[2]

Weitere Anschläge auf die im I.G. Farben-Gebäude stationierten Truppen folgten im Juni und im Juli 1982 als Reaktion auf Ronald Reagans Besuch des NATO-Gipfels in Bonn sowie aus Protest gegen die militärische Intervention Israels im Libanon. Die mit Israel verbündeten Vereinigten Staaten galten den Terroristen als treibende Kraft hinter den Militäraktionen an der Levante.

Aber auch friedlicherer Protest brandete den amerikanischen Truppen von Seiten der Deutschen entgegen: Im August 1983 wurde der kommandierende General der Frankfurter US-Truppen, Paul S. Williams, aus Protest gegen den Nato-Doppelbeschluss von dem grünen Abgeordneten Frank Schwalba-Hoth öffentlich mit Blut bespritzt.[3]

Aufgrund der angespannten Lage mussten die US-Truppen ihre Sicherheitsvorkehrungen Schritt für Schritt verschärfen. Der heutige Campus wurde ab 1985 vollständig abgeriegelt: Ein doppeltes System aus Zäunen und Sicherheitsschleusen mit Stahlspitzen sollte gegen Angriffe schützen. Sicherheitskontrollen wurden obligatorisch – und blieben es bis zum Abzug der US-Streitkräfte 1995.

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Literatur:

  • Das Casino-Gebäude (damals ‚Terrace Club‘) hinter dem Armee-Hauptquartier in Frankfurt wurde im Mai 1972 Ziel eines Bombenanschlags von Mitgliedern der Roten Armee Fraktion (RAF). In den 1970er und 1980er lebten die Soldaten des V Corps der US-Arme in ständiger Angst vor Terrorismus. Alleine im Jahr 1982 gab es 68 terroristische Drohungen gegen US-Soldaten in Deutschland. Foto: US Army, Mai 1972. Quelle: Wikipedia Commons/ gemeinfrei
  • Bruhn, Joachim (Hrsg.): Die Rote Armee Fraktion. Freiburg 2007.
  • Drummer, Heike/Zwilling, Jutta: Von der Grüneburg zum Campus Westend. Die Geschichte des IG Farben-Hauses. Frankfurt am Main 2007.
  • Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen (Datenbank). Link: http://lagis-hessen.de/de/ (Abgerufen am 24.02.2016)
  • Peters, Butz: Tödlicher Irrtum: die Geschichte der RAF. Frankfurt am Main 2007.
  • Pflieger, Klaus: Die Rote-Armee-Fraktion „RAF“. 14.05.1970 bis 20.04.1998. Baden-Baden 2004.

[1] Drummer/Zwilling 2007, 110.
[2] Ebd.
[3] http://lagis-hessen.de/de/subjects/browse/page/224/sn/edb