Der Eiskeller auf dem Affenstein

Diese Mauerreste sind das letzte Überbleibsel der früheren Nutzung des Geländes. Die genaue Deutung der 2007 bei Bauarbeiten entdeckten Grundmauern ist aber noch umstritten. Das Landesamt für Denkmalpflege vermutet, dass es sich um den sogenannten „Affenstein“ handle, einen ehemaligen Wehrturm der Frankfurter Landwehr. Er verweise auf die Zeit, als das damals auch „Affensteiner Feld“ genannte Areal am Rande beziehungsweise außerhalb des eigentlichen Stadtgebiets lag.

Eine andere Deutung legen jedoch Untersuchungen von Archäologen der Goethe-Universität nahe. Professor Hans-Markus von Kaenel, seit 2014 im Ruhestand, und sein Assistent, Dr. Thomas Maurer, vom Institut für archäologische Wissenschaften wurden 2008 als Experten zur Analyse der Funde hinzugezogen. Ihre Untersuchungen, die sie gemeinsam mit dem Garten- und Landschaftsarchitekten Albrecht Schlierer, einem ausgezeichneten Kenner der Bauweise, Funktion und Bedeutung von Eiskellern, veröffentlicht haben, ergeben ein anderes Bild: So sind der Grundriss und die Bauweise der Überreste typisch für einen Eiskeller aus dem 19. Jahrhundert. Diese Eiskeller wurden zur Aufbewahrung des im Winter gesammelten Eises während der Sommermonate genutzt, wobei der hiesige Eiskeller allem Anschein nach einem englischen Vorbild nachempfunden wurde. Dies, so die Archäologen, passe auch zur Nutzung des Areals im 19. Jahrhundert sowie zum Archivmaterial über die Fundstelle: Damals stand die von Dr. Heinrich Hoffmann geleitete und im Volksmund „Irrenschloss“ genannte psychiatrische „Anstalt für Irre und Epileptische“ auf diesem Teil des Geländes des heutigen Campus Westend. Hoffmann hatte im Rahmen seiner Vorbereitungen zum Bau der psychiatrischen Anstalt zahlreiche Reisen nach Großbritannien unternommen, um die modernsten medizinischen Ansätze zu berücksichtigen. Der Einsatz von Eis war in der damaligen Medizin üblich, und zur Lagerung war der Bau eines Eiskellers nach englischem Vorbild naheliegend. Auch auf historischen Bau- und Lageplänen der psychiatrischen Anstalt ist der Eiskeller eingezeichnet, dessen Position sich mit den Überresten deckt. Während das Landesamt für Denkmalpflege diese Übereinstimmung durch die mögliche Umwidmung und bauliche Anpassung eines wesentlich älteren Turms erklärt, wird diese Deutung durch die archivierten Karten und Gemarkungspläne aus früheren Zeiten nicht gestützt. Zudem lässt eine Mörtelanalyse des Fundes darauf schließen, dass es nur eine Bauphase gegeben haben kann. Dass diese auf das 19. Jahrhundert zu datieren ist, belegt die Analyse der bei der Ausgrabung gefundenen Balkenreste.

Trotz der unterschiedlichen Deutungen von Landesdenkmalamt und Archäologen sind die Mauerreste in jedem Fall ein historisch bedeutender Bestandteil des heutigen Campus Westend und ein ebenso seltenes wie wichtiges Kulturdenkmal. Sie bilden eine Brücke zur Vergangenheit und belegen die vielfältige Geschichte des Areals.

© Frankfurt Humanities Research Centre


Literatur und Links:

Eine ausführliche Darstellung und Materialsammlung zum Eiskeller und seiner Deutungsgeschichte sowie zur psychiatrischen Anstalt und Dr. Heinrich Hoffmann findet sich auch auf Seiten der Universitätsbibliothek, die ein Ausstellungsprojekt hierzu erarbeitet hat:
http://www.ub.uni-frankfurt.de/bsp/ausstellung/hoffmann | http://bibmap-service.de/60003/BSP/affenstein_eiskeller.htm | http://bibmap-service.de/60003/BSP/hoffmannseiskeller.htm