Fritz Neumark (1900-1991)

Neumark zählte zu den Remigranten, die in den 1950er Jahren das intellektuelle Klima an der Goethe-Universität bestimmten und sich auch in der universitären Selbstverwaltung leidenschaftlich engagierten, gleich zweimal 1954 und 1961 wurde er zum Rektor gewählt. Eine seiner beiden Rektoratsreden hielt er übrigens über „Wirtschaftsprobleme im Spiegel des modernen Romans“, ein Beleg für sein breites Interesse über das Fach hinaus, was seine Zuhörer immer wieder faszinierte.

Wie viele seiner Kollegen hatte er wegen seiner jüdischen Herkunft 1933 die Goethe-Universität verlassen müssen, wo er Mitte der 1920er Jahre Assistent von Wilhelm Gerloff war, habilitiert wurde, anschließend als Privatdozent einen Lehrauftrag für Internationale Wirtschafts- und Finanzpolitik übernahm und noch 1932 zum außerordentlichen Professor ernannt wurde. 1933 nahm er einen Ruf nach Istanbul an, wo Kemal Atatürk ein modernes, säkularisiertes Staatswesen aufbaute; dort setzte Neumark sich u.a. für die Modernisierung der Einkommensteuer ein.

Die Rückkehr nach Frankfurt 1952 fiel ihm schwer, wie er in seiner Autobiografie „Zuflucht am Bosporus“ schreibt: „… [mich] plagte doch die Frage, ob ich nach den ‚tausend Jahren‘ der braunen Diktatur je das Gefühl des ‚Zu-Hause-seins‘ wieder gewinnen würde.“ Doch es gelang ihm, sich über die „düsteren Schatten der Vergangenheit“ hinwegzusetzen. In der Forschung schaffte es Neumark schnell, an die internationalen wissenschaftlichen Standards anzuschließen: In Analogie zum „deutschen Wirtschaftswunder“ sprach er gern von einem „Wunder der deutschen Wirtschaftstheorie“. Als politischer Berater setzte er sich für eine soziale und wirtschaftlich stabile Bundesrepublik ebenso ein wie für die europäische Einigung. Sein Rat war national wie international gefragt: Er war u.a. Mitglied in den wissenschaftlichen Beiräten der Bundesministerien für Finanzen und für Wirtschaft, er leitete die Erstellung eines EWG-Reports zur Einführung der Mehrwertsteuer und bereitete in der Kommission für die Finanzreform eine Föderalismusreform und das Stabilitäts- und Wachstumsgesetz vor.

Ulrike Jaspers 


Literatur und Links:

  • Foto: Universitätsarchiv
  • Andel, Norbert: „Neumark, Fritz“. In: Neue Deutsche Biographie, Bd. 19, Berlin 1999, 164-165.
  • Grossekettler, Hein: Fritz Neumark. Finanzwissenschaftler und Politikberater. Biographienreihe „Gründer, Gönner und Gelehrte“ der Goethe-Universität Frankfurt. Frankfurt/Main, 2013.
  • Matthöfer, Hans: „Fritz Neumark wird 80“. In: Die Zeit, 18.07.1980.
  • Neumark, Fritz: Zuflucht am Bosporus: Deutsche Gelehrte, Politiker und Künstler in der Emigration 1933 – 1953. Frankfurt am Main 1980.
  • Literatur von und über Fritz Neumark im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek