2017/2018 Wissen.Macht.Raum

182. Vereinsjahr

Wissen. Macht. Raum. Geschichten der Geographie

25.10.2017 Dr. Boris Michel (Universität Erlangen-Nürnberg)
Antisemitismus, Großstadtfeindlichkeit und reaktionäre Kapitalismuskritik in der deutschsprachigen Geographie vor 1945

In der Geographiegeschichte besteht eine Leerstelle bezüglich antisemitischem Denken. Der Vortrag zeichnet die Rolle und Funktion antisemitischer Elemente in der deutschsprachigen Geographie des Landschaftsparadigmas vor 1945 nach. Es wird die These vertreten, dass die Figur des Judentums als einem raumlosen Volk tief ins geographische Denken eingelagert war und das Judentum mit der antimodernen Ausrichtung der Disziplin nach 1918 als eine Personifikation für die Raumproduktionen von Modernisierung und Urbanität fungierte.


08.11.2017 Dr. Frank Berger (Historisches Museum Frankfurt am Main)
Was schrecken uns Eis und Finsternis? Die Frankfurter Geographische Gesellschaft und deutsche Polarforschung im 19. Jahrhundert.

Die Liebe zu Eis und Schnee erwachte bei den Mitgliedern des Frankfurter Vereins für Geographie und Statistik zunächst bei Erstbesteigungen verschiedener Alpengipfel. Seit 1865 beteiligte sich der Verein aktiv mit Geld und Personal an der Erforschung der Arktis. 1869/ 1870 war der Frankfurter Peter Ellinger als Matrose in Nordostgrönland. 1871 brachte der Verein 1030 Gulden und 1872 den Betrag von 2000 Gulden auf. Das Ehrenmitglied Carl Weyprecht gilt als Begründer der internationalen Polarforschung.


22.11.2017 Dr. Norman Henniges (Universität Jena)
Der ‚völkische‘ Blick ─ Die Formierung der ‚Volks- und Kulturbodenforschung‘ an den Geographischen Instituten der Universitäten Wien und Berlin, ca. 1900 bis 1930

Mit dem Theorem des „deutschen Volks- und Kulturbodens“ wurden Mitte der 1920er Jahre wesentliche argumentative Grundlagen für neue expansive Hegemonialbestrebungen geschaffen, die über den politischen Revisionismus der Weimarer Republik weit hinausgingen. Im „deutschen Kulturboden“, so argumentierten die Gelehrten, sei über Jahrhunderte hinweg eine spezifisch deutsch geprägte Kulturlandschaft erhalten geblieben, die unabhängig davon, ob dort noch Deutsche lebten oder nicht, als Relikt „deutscher Kulturarbeit“ in Gestalt von Haus-, Siedlungs- und Flurformen fortbestanden haben sollte. Aufbauend auf diesem Argument versuchten Geographen, Historiker, Volkskundler und Kartographen einen Hegemonialanspruch in Mitteleuropa zu legitimieren, indem sie die scheinbar höhere Kultivierung des deutschen Kulturbodens herausstellten, die nach den Kriterien von Ordnung/Unordnung sowie Sauberkeit/Unsauberkeit gemessen wurden. Da der deutsche Kulturboden im Osten über das Gebiet des deutschen Volksbodens hinausreichte, war es möglich, den territorialen Machtanspruch jenseits des bisherigen Revisionismus auf Kosten anderer Länder, in denen es keine deutsche Bevölkerungsmehrheit mehr gab, deutlich auszudehnen. In dem Vortrag wird die Vorgeschichte dieser folgenreichen Theorie rekonstruiert, die bereits um die Jahrhundertwende ihren Anfang nahm. Hierzu werden die handelnden Akteure an den Geographischen Instituten der Universitäten Wien und Berlin, vor dem Hintergrund der sich politisch radikalisierenden Gesellschaft, eine ausführliche Betrachtung erfahren.


 

06.12.2017 Dr. Reinhard A. Krause (Alfred-Wegener-Institut, Bremerhaven)
August Petermann (1822-1878) – Wegbereiter der Polar- und Meeresforschung

Als August Petermann 1854 in den Verlag Justus Perthes in Gotha eintrat, konnte er bereits auf eine 7jährige Tätigkeit als Geograph in England zurückblicken. Sein Ziel war die exakte kartographische Erfassung des Globus, wobei ihm neben der Entschleierung des Inneren der Kontinente besonders die Erforschung der Polargebiete ein Anliegen war. Weitsichtig erkannte er die Rolle der Ozeane für die geographische Wissenschaft. Petermanns Engagement für die Polar- und Meeresforschung steht sowohl mit ihren theoretischen Wurzeln als auch mit ihren praktischen Ergebnissen im Fokus des Vortrages.


 

10.01.2018

Dr. Philippe Kerting (Universität Frankfurt am Main)
Geomorphologische Untersuchungen in Ruanda. Oder: Wie europäisch ist die ruandische Landschaftsgeschichte? 

Mit dem morphogenetischen Prozess der Erosion als Leitfaden erkundet der Vortrag die Landschaftsgenese im ruandischen Zentralen Hügelland. Dabei stellt sich heraus, dass die „ruandischen“ Landschaften und die „ruandische“ Erosion häufig „europäischer“ sind, als sie in früheren geographischen Beschreibungen erscheinen. Der Vortrag diskutiert also die ruandische Geomorphologie und die Geschichte des frühen europäischen Blicks auf diese Landschaften, der sie fremder machte, als sie es sind.


24.01.2018 Dr. Carsten Graebel (Universität Tübingen)
Die Erforschung der Kolonien. Expeditionen und koloniale Wissenskultur deutscher Geographen 1884-1919

Als das Deutsche Reich nach Übersee expandierte, beteiligten sich viele Universitätsgeographen an der landeskundlichen Erforschung der vom Deutschen Reich annektierten Territorien. Der Vortrag von Dr. Carsten Gräbel beleuchtet, wie Geographen in den deutschen Kolonien forschten, welche Wissensbestände sie durch ihre Expeditionen erzeugten und welche Forschungstechniken hierbei zur Anwendung kamen. Auch der Umgang mit den einheimischen Helfern und der lokalen Bevölkerung wird Thema sein.


07.02.2018

Katharina Schmidt, Dr. Tobias Schmitt, Katrin Singer (Universität Hamburg)
Blicke zurück, um nach vorne zu schauen: Zur postkolonialen Gegenwart aktueller Geographien

Kolonialismus ist kein Thema der Vergangenheit. Post- und dekoloniale Perspektiven benennen und hinterfragen vielmehr die Gegenwart und Kontinuitäten von Kolonialität in unserem heutigen (Forschungs)Alltag und unserem Geographie-Machen. Wenn historische Zusammenhänge jedoch allein einer abgeschlossenen Vergangenheit zugeschrieben werden, und weiße Kategorien, Blicke und Wissensproduktionen unhinterfragt als Normalität anerkannt werden, fällt es schwer, diese Gegenwart zu erkennen und einen Umgang damit zu finden.


Weitere Informationen

Veranstaltungsort

Geänderter Vortragsort: Vorträge jetzt im Hörsaal H IV, 1. OG

Die Vorträge beginnen jeweils mittwochs um 18:15 Uhr im Hörsaal H IV, 1. OG, Campus Bockenheim, Gräfstraße 52/ Eingang Mertonstraße, 60325 Frankfurt am Main.

Anfahrt

Das Hörsaalgebäude in der Mertonstraße ist zu Fuß von der Bockenheimer Warte zu erreichen (U-Bahn U4. U6, U7; Tram 16, Bus 32, 36, 50, 75; Haltestelle "Bockenheimer Warte").

Vom Campus Riedberg führt der kürzeste Weg mit der U-Bahn U9 bis Ginnheim und von dort mit der Tram 16 zur Bockenheimer Warte. Eine individuelle Anfahrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln ist mit der RMV-Fahrplanauskunft möglich

Im Umfeld des Campus Bockenheim (Bockenheim, Westend, Messe) sind nur begrenzt Parkplätze vorhanden.

Eintritt

Der Eintritt für Mitglieder der FGG ist frei

Nichtmitglieder zahlen 5,00 € — Schüler und Studenten 3,00 €.

max. zwei Schulklassen nach Anmeldung frei

Lehrerfortbildung

Alle Vorträge sind beim Hessischen Institut für Qualitätsentwicklung (IQ) als Lehrerfortbildung akkreditiert.