Forschungsprojekt: Münzen aus einer griechischen Kolonie: Geld, Austausch und Identität in Olbia Pontike von der Archaik bis zum frühen Hellenismus

Projektleitung
apl. Prof. Dr. Jochen Fornasier
Prof. Dr. Fleur Kemmers
Institut für Archäologische Wissenschaften, Goethe-Universität Frankfurt am Main

Prof. Dr. Alla V. Bujskich
Archäologisches Institut der Nationalakademie der Wissenschaften der Ukraine, Kyiv

Kooperationspartner
apl. Prof. Dr. Sabine Klein
Deutsches Bergbau-Museum Bochum

Projektmitarbeiter
Axel Reuter M.A.
Institut für Archäologische Wissenschaften, Goethe-Universität Frankfurt am Main

Förderung
seit April 2018: gefördert durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG)

Dank der umfangreichen Förderung durch die DFG können wir im Frühjahr 2018 mit einem neuen, dreijährigen Forschungsprojekt zur Entwicklung, Produktion und Verwendung von Geld und Münzen in der griechischen Kolonie Olbia Pontike von der archaischen bis zur frühhellenistischen Zeit beginnen. Dabei verfolgen wir einen neuen interdisziplinären Forschungsansatz, der die Kernkompetenzen der Frankfurter Goethe-Universität zur Schwarzmeerarchäologie (Jochen Fornasier) und zur antiken Numismatik (Fleur Kemmers) sinnvoll bündelt und im Rahmen einer Pilotstudie zur Metallurgie mit dem ausgewiesenen Sachverstand des Bergbaumuseums in Bochum (Sabine Klein) vereint. Konkret ist die Studie als ein Dissertationsprojekt konzipiert, wodurch Forschung und Ausbildung an unserer Goethe-Universität ein weiteres Mail eine ideale Vernetzung erfährt.

Ziele und Projektstruktur

Der nordwestpontische Raum allgemein und die antike Stadt Olbia im Besonderen bieten ideale Voraussetzungen für neuartige Studien zur antiken Numismatik. Durch den uneingeschränkten Zugang zu umfangreichen Grabungsdokumentationen früherer Feldforschungen in Olbia sowie unseren eigenen aktuellen, deutsch-ukrainischen Ausgrabungen können Fundmünzen aus gut dokumentierten Befunden untersucht werden – ein Faktum, das für die griechische Numismatik einen neuen methodischen Zugang zum Material mit großem Erkenntnispotential zur Benutzung und Umlauf von antiken Zahlungsmitteln ermöglicht.

Abb. 1: Olbia Pontike. Grabungsareal HEKP-4. Zahlungsäquivalent in Delphinform (letztes Drittel des 5. Jhs. v. Chr.) (Foto: Olbia-Projekt).

Eingedenk dieser sehr erfolgsversprechenden Ausgangssituation basiert unser neues Forschungsprojekt im Wesentlichen auf drei inhaltlichen Säulen. So gilt es zunächst, die monetäre Entwicklung griechischer Koloniegründungen im indigenen Umfeld zu untersuchen und potentiell vorhandene kulturimmanente Phänomene in der Genese des Münzumlaufs aufzuzeigen (Abb. 1–2). Der zweite inhaltliche Schwerpunkt fokussiert auf die Frage, ob Olbia als eine Apoikia fern der Heimat sein Münzwesen vollständig auf regionale Rahmenbedingungen ausgerichtet und/oder eine Vernetzung mit den großen ägäischen Gewichtsnormen angestrebt hat. Schließlich betrifft der dritte und letzte Schwerpunkt die konkrete Einbettung des olbischen Geldwesens auf lokaler, regionaler sowie überregionaler Ebene. Fragen zur eigentlichen Organisation des Münzumlaufs vor Ort, zu Wertestandards und vor allem zum Einfluss „ausländischer“ Münzentwicklungen auf den olbischen Waren- und Geldtransfer stehen dabei im Vordergrund der abschließenden Synthese.

Abb. 2: Olbia Pontike. Grabungsareal HEKP-4. Bronzemünze (sog. Aes, 438–410 v. Chr.) (Foto: Olbia-Projekt).

Forschungsjahr 2018

In Anwesenheit des Direktors des Instituts für Archäologie der Nationalakademie der Wissenschaften der Ukraine, Prof. Dr. Viktor P. Čabaj, konnte das deutsch-ukrainische Kooperationsprojekt im April 2018 offiziell seine Arbeit in Kyiv aufnehmen (Abb. 1).

Abb. 1: Offizieller Start des deutsch-ukrainischen Forschungsprojekts im Kyiver Archäologischen Institut im April 2018 (Foto: Olbia-Projekt).

Gleichzeitig wurden alle nötigen organisatorischen wie auch administrativen Schritte in die Wege geleitet, damit die geplanten Forschungsaufenthalte von Axel Reuter im Sommer bzw. Herbst 2018 planmäßig durchgeführt werden konnten (Abb. 2).

Abb. 2: Prof. Dr. Fleur Kemmers erläutert Mitarbeitern des Archäologischen Instituts in Kyiv das vorgesehene Analyseverfahren (Foto: Olbia-Projekt).

Bereits während seines ersten Forschungsaufenthaltes im Mai/Juni 2018 gelang es Axel Reuter, 900 Münzen und Geldobjekte aus gut dokumentierten Befunden zu erfassen, mit Hilfe einer Datenbank und durch aktuelle Fotos wissenschaftlich zu dokumentieren und dadurch insgesamt eine solide Forschungsgrundlage im Sinne der Zielsetzung zu schaffen (Abb. 3).

Abb. 3: Axel Reuter bei der Münzaufnahme während seines ersten Forschungsaufenthaltes in Kyiv im Mai 2018 (Foto: Olbia-Projekt).

Das gesichtete Forschungsmaterial umfasst dabei das gesamte olbische Münzspektrum des 6.–4. Jhs. v. Chr., in dem sich zahlreiche Besonderheiten im Vergleich zu den griechischen Poleis im Mutterland zeigen. So tritt in Olbia im ausgehenden 6. Jh./ersten Hälfte des 5. Jhs. v. Chr. gegossenes Bronzegeld in Form von Pfeilspitzen und – in auffallend hoher Quantität – von Delfinen auf. Auch die ersten Münzen Olbias, die ab 480/70 v. Chr. auftreten, weisen Besonderheiten auf, indem sie entgegen der üblichen Praxis nicht geprägt, sondern ebenfalls gegossen wurden und zudem aus einer Kupferlegierung und nicht – wie sonst üblich – aus Silber bestehen. Schließlich konnten auch „Fremdwährungen“ in Form von Zahlungsmitteln aus Pantikapaion oder Histria (Abb. 4) aufgenommen werden, die ebenfalls in Olbia gefunden wurden und die interessante Rückschlüsse zum überregionalen Münzumlauf im Schwarzmeerraum zulassen.

Abb. 4: Bronzemünze des 5. Jhs. v. Chr. aus Histria, gefunden in der Grabungskampagne 2018 im sog. Vorstadtareal Olbias (Foto: Olbia-Projekt).

Während des zweiten Forschungsaufenthaltes in Kyiv im Oktober 2018 konnte Axel Reuter dann weitere 1100 Münzen und Geldobjekte bearbeiten, wodurch sich die Materialbasis aus nunmehr 2000 Münzen olbischer Provenienz zusammensetzt. Darüber hinaus war es unter der Leitung von Prof. Dr. Sabine Klein vom Bergbau-Museum Bochum möglich, alle relevanten Münzserien zu beproben, indem den ausgewählten Objekten jeweils kleinste Mengen des metallischen Materials entnommen wurden (Abb. 5).

 
Abb. 5: Prof. Dr. Sabine Klein bei der Probenentnahme im Kyiver Archäologischen Institut im Oktober 2018 (Foto: Olbia-Projekt).

In dem nun folgenden Arbeitsschritt soll das aus dem Kern der Münze gewonnene Material chemisch analysiert werden, wodurch Rückschlüsse auf die metallische Zusammensetzung der einzelnen Münzserien möglich sind und sich im Idealfall sogar die Herkunft der in der Antike genutzten Metalle bestimmen lässt. Archäometrische Untersuchungen von solchen Ausmaßen stellen für die Münzen Olbias ein absolutes Novum dar und werden die numismatische Forschung im nördlichen Schwarzmeerraum zukünftig gewinnbringend erweitern.

Direkt im Anschluss an den zweiten Forschungsaufenthalt in Kyiv war es Axel Reuter zum Abschluss des Forschungsjahrs 2018 schließlich möglich, das Projekt auf dem 13. Tag der antiken Numismatik in Münster im November erstmalig einem größeren Fachpublikum zu präsentieren und die bislang erzielten Ergebnisse zur Diskussion zu stellen.