Paul Ehrlich und Ludwig Darmstaedter-Preisträger und -Nachwuchspreisträger 2018


Anthony Cerami und David Wallach erhalten den Paul Ehrlich- und Ludwig Darmstaedter-Preis 2018

 Frankfurt am Main. Der US-Amerikaner Anthony Cerami (77) und der israelische Staatsbürger David Wallach (72) wurden am 14. März 2018 in der Frankfurter Paulskirche mit dem 120.000€ dotierten Paul Ehrlich- und Ludwig Darmstaedter-Preis geehrt. Anthony Cerami ist nach einer langen akademischen Karriere Gründer und Vorsitzender des Beirats von Araim Pharmaceuticals in Tarrytown im Staat New York. David Wallach arbeitet seit Jahrzehnten am The Weizmann Institute of Science in Rehovot. Die beiden werden für ihre Forschung zum Botenstoff TNF und dessen Wirkung im Entzündungsgeschehen ausgezeichnet. Die Abkürzung TNF steht für Tumor-Nekrose-Faktor.

Anthony Cerami hat gezeigt, dass TNF ein Botenstoff des Immunsystems ist. Er hat erkannt, dass TNF eine Rolle bei der Entstehung von Autoimmunerkrankungen spielt und den Weg zur Behandlung solche Erkrankungen durch die Hemmung von TNF gewiesen. Neutralisierende Antikörper gegen diesen Botenstoff werden heute weltweit bei Rheuma, Schuppenflechte, Morbus Crohn und anderen chronisch-entzündlichen Erkrankungen eingesetzt. Die Hemmung von TNF gilt deshalb als eines der wichtigsten Therapieprinzipien in der Medizin. David Wallach hat die beiden Rezeptoren des TNFs auf der Oberfläche der Zellen entdeckt, deren Signalwirkung ins Innere der Zelle entschlüsselt und gezeigt, dass diese Signalwirkung entweder zum programmierten Zelltod oder zum Überleben der Zelle führt. Wallach hat zudem nachgewiesen, dass ein gewisser Anteil der Rezeptoren ebenfalls für eine Hemmung des TNFs in Frage kommt. Auch dieses Therapieprinzip wird heute klinisch genutzt. 

Der Nachweis, dass TNF ein Botenstoff des Immunsystems ist, gelang Anthony Cerami Mitte der 1980er-Jahre. Das Molekül war damals als Therapie gegen Krebs im Gespräch. Nachdem Cerami deutlich gemacht hatte, dass es eine entzündungsfördernde Wirkung besitzt, kam es nicht mehr als Krebsmedikament in Frage – allerdings als Zielmolekül für eine antientzündliche Therapie. Cerami hat diese Anwendung bereits 1980 in einem Patent beschrieben. Er wusste allerdings damals noch nicht, dass das Protein, das er untersuchte und dem er das Patent widmete, TNF ist. Cerami hielt in dem Patent fest, dass die Hemmung dieses Proteins durch Antikörper bei Erkrankungen wie Sepsis, Rheuma und Kachexie in Frage kommen könnte. Er und seine Kollegen demonstrierten 1987, dass ein neutralisierender Antikörper bei Tieren einen septischen Schock verhindern kann, also eine durch Bakterien ausgelöste Blutvergiftung. Cerami hat mit dem für die Bildung roter Blutkörperchen notwendigen Protein Erythropoetin (EPO) zudem einen natürlichen Gegenspieler des TNFs entdeckt, mit dem eine Entzündung gestoppt, der Zelluntergang begrenzt und die Regeneration eingeleitet werden kann. Ein Proteinfragment, das diese Wirkung des EPOs imitiert ohne dessen Nebenwirkungen zu besitzen, ist derzeit in der klinischen Prüfung.

David Wallachs Name steht für die Beschreibung zweier unterschiedlicher TNF-Rezeptoren und der damit verknüpften Entdeckung entgegengesetzter Wirkungen des TNFs. Wallach konnte zeigen, dass die Belegung der beiden Rezeptor durch den Botenstoff und die Rezeptor-Aktivität, die daraus resultiert, verschiedene Signalwege in Gang setzt, die über das weitere Schicksal der Zellen entscheiden. Durch die jeweilige Verrechnung des Signals wird die Zelle entweder in den programmierten Zelltod geschickt oder kommt unbeschadet davon. Wallach hat wichtige Hilfs-Proteine des zellulären Suizids und deren hierarchische Stellung identifiziert. Er hat dadurch entscheidend dazu beigetragen, dass heute ein sehr genaues Bild von dem durch Botenstoffe ausgelösten programmierten Zelltod existiert. Seine Arbeiten haben auch die Forschung zum vom Zellinnern ausgelösten Zelltod konzeptionell vorangebracht. Wallach hat des Weiteren gezeigt, dass nicht nur Antikörper gegen TNF als Therapie bei chronisch-entzündlichen Erkrankungen in Frage kommen, sondern auch eine lösliche Form des Rezeptors. Die Therapie basiert auf einer kompetitiven Hemmung, bei der eine große Menge des löslichen Rezeptors den Botenstoff abfängt, bevor er seine Wirkung an den Zellen entfalten kann. Ein Fusionsprotein aus Teilen eines der beiden Rezeptoren wird klinisch eingesetzt.

Der Paul Ehrlich- und Ludwig Darmstaedter-Nachwuchspreis ging in diesem Jahr an Professor Dr. Tim J. Schulz (38) vom Deutschen Institut für Ernährungsforschung Potsdam-Rehbrücke in Potsdam. Der Biochemiker Schulz wurde für seine Arbeiten zur Funktion von weißen und braunen Fettzellen geehrt. Der Körper verfügt über verschiedende Sorten von Fettzellen, die je nach Bestimmung und Lage physiologisch sinnvolle aber auch krankheitsauslösende Prozesse anstoßen.

Schulz untersucht, ob der altersbedingte Verlust von braunem Fett zu den in der zweiten Lebenshälfte gehäuft auftretenden Stoffwechselproblemen wie Übergewicht oder Insulinresistenz beiträgt. Braunes Fett erzeugt Wärme und schützt den Körper vor Auskühlung. Weißes Fett speichert nicht genutzte Energie aus der Nahrung und dient als Energiereserve, die bei hochkalorischer Ernährung aber nur selten abgerufen wird. Schulz erforscht auch, welche Stammzellen braunes und weißes Fett hervorbringen und ob eine gezielte Vermehrung von braunem Fett eine mögliche Therapieoption gegen Übergewicht ist, weil dieses Fett dann überzählige Kalorien verbrennt.

Der Nachwuchspreisträger untersucht des Weiteren, welche Auswirkungen überschüssiges Fett im Knochen hat. Er konnte zeigen, dass die Stammzellen des Knochens mit zunehmendem Alter und bei fettreicher Kost vermehrt weißes Fett statt Knochengewebe produzieren. Diese Fettzellen scheiden einen Botenstoff aus, der es den Stammzellen noch schwerer macht, Knochengewebe hervorzubringen und der auch den blutbildenden Stammzellen des Knochenmarks schadet. Dies könnte der Grund für die schlechte Knochenheilung im Alter sein. Schulz hat zudem nachgewiesen, dass gewisse Diabestes-Medikamente dem Botenstoff entgegenwirken. Er hegt die Hoffnung, dass diese Medikamente möglicherweise die Knochengesundheit in der zweiten Lebenshälfte verbessern. Die Forschung des Nachwuchspreisträgers ist demnach nicht nur ernährungsphysiologisch, sondern auch medizinisch relevant.