Renate von Metzler im Gespräch

Zunächst vielen Dank für dieses Interview. Gibt es denn in Ihrer Familie eine Tradition des Stifterwesens, in die Sie sich mit Ihrer Tätigkeit einreihen?

Moritz Schmidt-Metzler und der damalige Stadtrat Albert von Metzler – die Familie wurde 1901 geadelt – hatten Anteil an der Gründung der Universität im Jahr 1914. Beide waren Mitglieder der Dr. Senckenbergischen Stiftung, die zu den Unterzeichnern der Stiftungsurkunde gehörte. Später waren sie Mitglieder der „Freunde und Förderer“ der Universität. Mein persönlicher Weg zu den „Freunden und Förderern“ schließt jedoch nicht nahtlos an diese Tradition an.

Gibt es denn innerhalb der Familie Absprachen zum Engagement in den verschiedenen gesellschaftlichen und kulturellen Feldern?

Nein, die gibt es nicht. Es entwickelt sich sozusagen von alleine; meine Cousine zum Beispiel ist sehr aktiv in der Förderung von Künstlern und Museen; ich war immer schon im sozialen Bereich engagiert.

Können Sie kurz darauf eingehen, wie Sie zu der „Vereinigung der Freunde und Förderer der Goethe-Universität“ gekommen sind?

Ich bin 1968 aus dem Rheinland, wo ich geboren bin, nach Frankfurt gezogen. Ab 1970 – also gerade in den „wilden Zeiten“ – war ich Buchhändlerin in Bockenheim. Dort habe ich nach meiner Ausbildung in der Bockenheimer Bücherwarte (später Huss‘sche Universitätsbuchhandlung) gearbeitet und hatte sehr viel Kontakt zu den Professoren der Universität. So habe ich von dem Verein „Freunde und Förderer“ gehört, in dessen Vorstand es damals allerdings nur Männer gab. Ich war die erste Frau, die dort in vielen Vorstandssitzungen beinahe schon „hineingeboxt“ wurde.

Das Thema Frauenförderung ist ja nach wie vor hochaktuell. Wie beurteilen Sie denn, vor dem Hintergrund ihrer eigenen Erfahrungen als erste Frau in einem rein männlichen Vorstand, die Entwicklung bis heute?

Dass der Prozentsatz zum Beispiel von Professorinnen nach wie vor sehr gering ist, finde ich wirklich sehr erstaunlich. Ich kenne viele sehr gute Professorinnen, und ich wünsche mir wirklich, dass es – unabhängig von Frauenquoten – mehr werden.

Sie kamen während der Studentenproteste nach Frankfurt, wie haben Sie denn diese „wilden Zeiten“ wahrgenommen?

Damals ging ein Schnitt durch die Stadt, man hat nicht miteinander geredet. Ich war Buchhändlerin in Bockenheim – unsere Kunden waren unter anderem Joschka Fischer und Daniel Cohn-Bendit – und die Frau eines Privatbankiers, da gab es viel auszuhalten, und ich bin nach Feierabend nicht nur einmal weinend nach Hause gegangen. Weil ich aber sozusagen an der Schnittstelle der beiden Lager saß, habe ich auch viel Neues kennengelernt. Insgesamt muss ich sagen, dass mich diese Zeit entscheidend geprägt hat. Für mich war es eine tolle Zeit.

Sind Sie zu dieser Zeit auch in der Arbeit mit an Multipler Sklerose erkrankten Menschen aktiv geworden?

Nein, das hat schon früher begonnen. Ein Bekannter hat mir erzählt, dass sich in Deutschland niemand wirklich um MS-Kranke kümmere. In dem Ort, in dem ich damals gelebt habe, trafen sich 25 Erkrankte regelmäßig – eigentlich im Schlafanzug; ihre Zimmer haben sie damals nur selten verlassen. Ich habe dann begonnen Treffen und Ausflüge zu organisieren und habe Ortsgruppen und später den hessischen Landesverband der DMSG (Deutsche Multiple Sklerose Gesellschaft) gegründet. Auch heute nehme ich noch regelmäßig an Ausflügen mit Erkrankten teil.

Wie beurteilen Sie den Umgang mit der Krankheit heute, was hat sich geändert?

Ich glaube die Krankheit ist sichtbarer geworden und sie ist besser behandelbar, was mich wahnsinnig freut. Dieses „Betütteln“, was ich früher gemacht habe – ich sag' das mal in Anführungszeichen – das gibt es nicht mehr. Heute können viele MS-Kranke den Computer bedienen und sind sehr viel selbstständiger. Es gibt Selbsthilfegruppen, in denen die Menschen viel besser unterstützt werden als früher. Diese Bewegung finde ich wirklich wunderbar, und ich versuche sie auch immer wieder zu unterstützen.

Wie sind denn Ihre Verbindungen zur Hertie-Stiftung, die ja einer der größten Förderer der DMSG ist; sind Sie dort auch als Beraterin tätig?

Es gibt sehr intensive private Verbindungen, und zu Beginn konnte man auch wirklich von einer „Bettelverbindung“ sprechen. Wir haben gefragt, ob sie uns helfen könnten und sie haben uns sehr geholfen. Das lag auch daran, dass die Stifter sich durch einen Krankheitsfall in ihrer Familie der MS-Krankheit zugewandt haben. Insofern stieß unser Anliegen auf offene Ohren. Ich war in vielen kleinen Gremien der Hertie-Stiftung, aber eine wirkliche Beiratstätigkeit habe ich nie ausgeübt. Ich bin sehr praktisch orientiert, packe auch gerne mit an und bin lieber im direkten Kontakt mit den Betroffenen.

Könnte man sagen, dass auch ihr Engagement für die Universität in so einer Weise begonnen hat?

Wenn man so will, habe ich auch an der Goethe-Universität so angefangen. Im Casino-Gebäude gab es zum Beispiel keinen Flügel, und dass man dort nicht musizieren konnte, fand ich unverständlich. Also habe ich mich auf die Suche nach einem Flügel begeben und schließlich hat sogar die Bildzeitung darüber berichtet. Als uns dann sehr schnell 20 Flügel gespendet wurden, haben wir 18 wieder freigegeben. Die übrigen zwei stehen jetzt im Casino-Gebäude.

Sie räumen den schönen Künsten also einen wichtigen Platz in einer Bildungsstätte ein?

Ja, absolut. Ich finde zum Beispiel, dass das Collegium Musicum der Goethe-Universität eine wunderbare Institution ist. Es bietet allen musikalisch interessierten Mitgliedern und Absolventen der Goethe-Universität die Möglichkeit, sich im Chor, dem Symphonie- oder dem Blasorchester zu beteiligen, und veranstaltet unter anderem regelmäßig öffentliche Konzerte. Derzeit engagieren sich rund 350 Personen im Collegium Musicum. Solche Unternehmungen unterstütze ich sehr gerne.

Welche Musik hören Sie denn gerne, haben Sie Lieblingskomponisten?

Ich höre viel Klassik, sehr gerne Schubert und Schumann. Im späten Leben bedeutet mir die klassische Musik immer mehr und übertrifft sogar die Literatur.

In Anbetracht der kontrovers geführten Debatten zur Hochschulreform: Sehen Sie denn noch Freiräume für den Kunstgenuss inmitten eines modularisierten Studiums?

Da wissen die Studenten wahrscheinlich mehr zu berichten als ich. Mir ist wichtig, dass Möglichkeiten hierzu erhalten bleiben oder geschaffen und ausgebaut werden. Der Freiraum, sich neben dem Studium auszuprobieren – ob musikalisch, künstlerisch oder in gesellschaftlichem Engagement – ist enorm wichtig.

Hierzu können Sie als Ehrensenatorin der Universität sicherlich beitragen.

Genau, die Verleihung dieses Titels hat mich wirklich sehr überrascht und gefreut. Unabhängig davon, dass es für mich persönlich eine große Bereicherung ist, zu Vorlesungen eingeladen zu werden und an der Entwicklung der Universität beteiligt zu sein, erleichtert mir dieser Titel auch meine Arbeit für die Universität. Ich habe mich selbst nie so sehr als Stifterin oder Mäzenin betrachtet, sondern wollte immer eher eine „Anstifterin“ sein. Nicht nur bei der Beschaffung des Flügels ist mir dies auch gelungen, und der Titel der Ehrensenatorin ermöglicht mir darüber hinaus auch, noch gezielter Fundraising zu betreiben.

Wie gestalten sich denn der Kontakt zu den von Ihnen unterstützen Institutionen und Personen?

Meine Kontakte sind sehr persönlich. Und auch meine Art zu helfen, ist immer persönlich. Der Titel hilft mir dabei natürlich; auf das Briefpapier der „Freunde und Förderer“ schreibe ich immer noch mit der Hand. Ich habe sehr viele Institute besucht und dort zum Teil lustige und seltsame Erfahrungen gemacht – bei der Didaktik der Physik habe ich auf einem Nagelbrett gelegen, in der Archäologie war ich bei Ausgrabungen dabei und so weiter. Was mir sehr am Herzen liegt, ist die Psychotherapeutische Beratungsstelle in Bockenheim. Bei 47.000 Studenten haben viele psychische Probleme – es gibt ja nicht nur „Supermänner“ und „Superfrauen“ – und die Beratungsstelle hatte wirklich zu wenige Mitarbeiter. Hier konnte ich mich einbringen, und jetzt soll eine neue Stelle geschaffen werden, was mich wirklich sehr freut.

Wie beurteilen Sie denn insgesamt die Entwicklung der Goethe-Universität auch im Hinblick auf den Umzug von Bockenheim auf den Campus Westend?

Ich muss sagen, dass ich dieses Gebäude wirklich liebe und sehr gerne hier bin. Ich habe die vielleicht naive Hoffnung, dass sich die schöne Form des Campus Westend im Inhalt der Forschung und Lehre widerspiegelt.

Wie beurteilen Sie in diesem Zusammenhang denn den Umgang der Universität mit der Vergangenheit des IG-Farben Areals?

Ich finde es sehr gut, dass dieses Gebäude heute als Universität genutzt wird. So entsteht auch Raum für eine Auseinandersetzung mit der Vergangenheit, wie zum Beispiel mit dem Wollheim-Memorial oder in der Dauerausstellung in den Fluren des I.G.-Farben Hauses. Auch wenn die Umbenennung der Plätze und Straßen mit einem gehörigen bürokratischen Aufwand verbunden war, trägt sie ihren Teil zur Auseinandersetzung der Universität mit der Geschichte des Areals, auf dem heute der Campus Westens angesiedelt ist, bei.

Das Interview führten Dr. Steffen Bruendel und Tibor Sarvari am 1. September 2017.
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