Fach
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Gegenstand des Faches sind alle über einen kürzeren oder längeren Zeitraum als Provinz dem römischen Herrschaftsbereich zugehörig gewesenen Gebiete. Zur Zeit seiner größten Ausdehnung erstreckte sich dieser von Schottland bis nach Nordafrika sowie von Portugal bis in den Irak. Die erste römische Provinz war Sizilien (242 v.Chr.). Nach der Teilung des Imperium Romanum Ende des 4. Jh. n. Chr. zerfiel das weströmische Reich, dessen letzter Kaiser 476 n. Chr. abgesetzt wurde. Das oströmische (byzantinische) Reich existierte dagegen in sich wandelnder Form bis 1453 weiter. Seine Herrscher bezeichneten sich weiterhin als römischer Kaiser.
Im Studium werden die Provinzen des Imperium Romanum bis zum Ende des weströmischen Reiches in den Blick genommen. Dafür ist die gesamte erhaltene Hinterlassenschaft relevant. Aufgabe des Faches ist es, den Quellenbestand zu dokumentieren, zu sichern und zu erschließen. Darauf aufbauend wird das Ziel verfolgt, das antike Leben so umfassend wie möglich zu rekonstruieren und seine Auswirkungen bis heute zu erkennen. Dabei geht es nicht nur um historische Ereignisse und Abläufe, sondern auch um die sozialen, kulturellen und wirtschaftlichen Entwicklungen und Mechanismen, die die Lebenswirklichkeit der Provinzbevölkerung prägten. Ein besonderes Augenmerk liegt auf den transformativen Prozessen, die sich durch die kulturelle Vielfalt in einem über Jahrhunderte erstaunlich stabilen Vielvölkerstaat entwickelt haben.
Der größte Teil der Quellen stammt aus dem Boden. Raumbezogene Forschungen und Ausgrabungen unter Einsatz modernster Techniken vergrößern den Bestand an Befunden (Strukturen im Boden) und Funden stetig. Durch die Weiterentwicklung von Erkundungs-, Grabungs- und Dokumentationsverfahren in interdisziplinärer Zusammenarbeit entstehen neue Erkenntnismöglichkeiten und damit neue Fragestellungen und Aussagen. Die Ergebnisse der Bodenforschung und die der ihr verpflichteten Materialkunde mit ihren chronologischen, technologischen, kultur- und wirtschaftsgeschichtlichen Ansätzen sind für die Erforschung der Antike von wachsender Bedeutung. Sie müssen jedoch immer im Kontext der schriftlichen Quellen ausgewertet werden, ohne die ein Verständnis antiker Zusammenhänge unmöglich ist. Dazu gehören literarische Überlieferungen ebenso wie Papyri und Inschriften auf Monumenten und Gegenständen aller Art, z. B. Graffiti, Notizen, Stempel und Marken. Gerade die Verbindung von Objekt und Schrift eröffnet teilweise faszinierende Einblicke in die alltägliche Kommunikation und in das menschliche Zusammenleben allgemein. Der Frankfurter Studiengang bietet diesbezüglich besondere Entfaltungsmöglichkeiten. Gleiches gilt für bildliche Darstellungen, denn sie sind wesentliche Quellen für ontologische Vorstellungswelten (z. B. für Religion, Jenseitsvorstellung und Mythologie). Darüber hinaus zeigen sie szenische und funktionale Kontexte, anhand derer archäologische Funde besser interpretiert werden können.
Forschung
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Geschichte
Eckdaten zur Geschichte der Abt. II des IAW
1956 erfolgt die Einrichtung eines Lehrstuhls für „Archäologie der römischen Provinzen“ an der Goethe-Universität. Die Besetzung scheitert zunächst.
1959 wird der Lehrstuhl mit Konrad Kraft (1920-1970) besetzt und in „Alte Geschichte mit besonderer Berücksichtigung der Hilfswissenschaften“ umgewidmet.
1961 wechselt K. Kraft auf den neu eingerichteten zweiten Lehrstuhl für „Alte Geschichte“ an der Goethe-Universität.
1962 wird der Archäologe Aladar Radnoti (1913-1972) als Nachfolger von K. Kraft nach Frankfurt berufen. In diesem Zusammenhang wird der Lehrstuhl für „Alte Geschichte mit besonderer Berücksichtigung der Hilfswissenschaften“ in Lehrstuhl für „Hilfswissenschaften der Altertumskunde sowie Geschichte und Kultur der römischen Provinzen“ umgewidmet.
Der Begriff „Archäologie“ konnte damals in der Widmung des Lehrstuhls nicht verwendet werden, weil er durch das Fach Klassische Archäologie „besetzt“ war. Die heutige Formulierung des Studienganges „Archäologie und Geschichte der römischen Provinzen“ wurde 2002 einvernehmlich beschlossen.
Unter A. Radnoti werden verschiedene Ausgrabungsprojekte durchgeführt (u. a. in Bad Gögging und Hofheim) sowie die Forschungen zur antiken Gefäßtoreutik in Frankfurt etabliert.
Einrichtung der beiden Magisterstudiengängen (HF/NF): „Geschichte und Kultur der römischen Provinzen“ und „Hilfswissenschaften der Altertumskunde“.
1972 wird Maria R.-Alföldi als Nachfolgerin von A. Radnoti auf den Lehrstuhl berufen. Sie hatte 1970 nach dem Tode von K. Kraft die Leitung des von diesem ins Leben gerufenen DFG-Langzeitprojektes „Fundmünzen der römischen Zeit in Deutschland (FMRD)“ übernommen. In den Jahren 1986 – 2009 wird das mittlerweile international ausgerichtete Editionsvorhaben als „Fundmünzen der Antike“ unter der Leitung von M. R.-Alföldi, ab 2000 zusammen mit H.-M. von Kaenel, von der Akademie der Wissenschaften und der Literatur zu Mainz weitergeführt. Unter M. R.-Alföldi erfolgt der Auf- und Ausbau der Fotokartei und der Gipssammlung antiker Münzen.
1972 wird Hans Ulrich Nuber zum Professor für Archäologie der römischen Provinzen ernannt; 1978 erfolgt seine Berufung an die Universität Freiburg.
1981 wird Dietwulf Baatz zum Honorarprofessor ernannt.
1989 wird Siegmar von Schnurbein zum außerplanmäßigen Professor ernannt.
1992 wird Hans-Markus von Kaenel als Nachfolger von M. R.-Alföldi nach Frankfurt berufen. Seit Mitte der 1990er Jahren ist das nördliche Hessische Ried Gegenstand eines großen landschaftsarchäologischen Projektes mit systematischen Feldbegehungen, Grabungen und Materialaufarbeitungen (u. a. in Groß-Gerau, Wallerstädten, Trebur-Astheim, Trebur-Geinsheim, Kelsterbach). Ab 2000 erfolgt die Etablierung wirtschaftsarchäologischer Studien. Es werden mehrere DFG-Projekte durchgeführt, u. a. zu Großbronzen in Italien.
2003/2004 Gründung des Instituts für Archäologische Wissenschaften mit drei Abteilungen im Fachbereich Sprach- und Kulturwissenschaften (Fb 09). Vorher waren die archäologischen Fächer auf drei Institute in zwei Fachbereichen verteilt.
1997-2006 Beteiligung am Graduiertenkolleg „Archäologische Analytik“.
2006 werden die modularisierten Magisterstudiengänge (HF/NF) „Archäologie und Geschichte der römischen Provinzen“ und „Hilfswissenschaften der Altertumskunde“ eingeführt.
2010 erfolgt die Einrichtung der „Lichtenberg-Nachwuchsprofessur für Münze und Geld in der griechisch-römischen Antike“ und die Berufung von Fleur Kemmers auf diese Professur.
ab 2010 Beteiligung am Graduiertenkolleg „Wert und Äquivalent“.
2011 erfolgt die Einführung von Bachelorstudiengängen (HF/NF): „Archäologie und Geschichte der römischen Provinzen“. Der bisherige Magisterstudiengang „Hilfswissenschaften der Altertumskunde“ wird in diesem Zusammenhang in „Archäologie von Münze, Geld und von Wirtschaft in der Antike“ umbenannt und entsprechend umstrukturiert. Die beiden Studiengänge werden 2012 akkreditiert. Seither Vorbereitung von entsprechenden Master-Studiengängen.
2012 am 16. Oktober 2012 wurde der 50. Geburtstag des Faches „Archäologie und Geschichte der römischen Provinzen“ an der Goethe-Universität gefeiert.
Juli 2013
Hans-Markus von Kaenel
Literatur zur Institutsgeschichte:
H.-M. von Kaenel/S. Klein/M. Helfert in: Institut für Archäologische Wissenschaften (Hrsg.), Vom Objekt zur Kulturgeschichte. Wie Archäologen arbeiten. Beiheft zur gleichnamigen Ausstellung vom 21. Oktober 2014 bis 31. März 2015 im I. G. Farben-Haus der Goethe Universität Frankfurt am Main (Frankfurt a. M. 2014) 36-49 (Abteilung); 56-59 (Archäometrie); 60 f. (Forschungsstelle Keramik).
W. Raeck, Gründung eines Instituts für Archäologische Wissenschaften an der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt a. M., Archäologisches Nachrichtenblatt 10, 2005, 275-276.
Sammlung
Toreutikkartei – Antike Gefäßtoreutik
Die seit 1976 bestehende Forschungsstelle "Antike Gefäßtoreutik" sieht ihren Schwerpunkt in der Erforschung der römerzeitlichen Metallgefäßproduktion mit ihren Wurzeln in der griechischen Kultur klassisch-hellenistischer Prägung und ihren Ausläufern in der frühbyzantinischen Zeit.
Die Sammlung und Systematisierung vieler tausender Informationen zu Gefäßfunden aus Metall inner- und außerhalb der römischen Welt und mit Einschränkungen der griechischen Vorgängerkulturen geht auf Aladar Radnóti (1913-1972) zurück, den wohl renommiertesten Spezialisten seiner Zeit auf diesem Gebiet, und fußt auf seinem Nachlass.
Die Frankfurter Forschungsstelle verwaltet und pflegt die Forschungsdaten aus den seit A. Radnoti hier durchgeführten Projekten zur römischen Toreutik.