Dr. Dennis Schmoltzi

Bei Start-ups denkt man zuallererst an Gründungen im Bereich der IT- und Telekommunikationstechnologien. Sie verkaufen mit Ihrer Firma »Bettzeit« Matratzen. Wie kamen Sie auf diese Idee?
Vom McKinsey-Unternehmensberater zum Matratzenverkäufer im Frankfurter Bahnhofsviertel, das klingt schon skurril (...lacht). Tatsächlich kam das Thema Matratzen von meinem Mitgründer Manuel Müller. Er verkaufte schon vor 20 Jahren Matratzen, orthopädische, für Altersheime und Kliniken. Mich hat diese Unternehmensidee angesprochen, auch weil Matratzen haptisch sind, keine virtuellen Produkte. Und ich habe mit Manuel einen perfekten Mitgründer. Mir ist sehr wichtig, mit wem ich zusammenarbeite und dass sich unsere Fähigkeiten ergänzen.

Von der Idee bis zur Geschäftsgründung, was war die größte Herausforderung?
Passende und bezahlbare Räume zu finden. Wir fingen auf 14 Quadratmetern an, ein Nebenzimmer in einer Anwaltskanzlei. Das war zu zweit schon eng, bald aber waren wir schon fünf in dem Raum. Und unser erstes Personalrekrutierungsgespräch führten wir übrigens in der Filiale einer amerikanischen Kaffee hauskette. Außerdem mussten wir unsere erste Website von einer Agentur machen lassen. Mein Mitgründer und ich hatten anfangs vom Onlinehandel keine Ahnung und haben uns in Themen wie Onlinemarketing oder Suchmaschinenoptimierung erst richtig eingefuchst.

Ihr Start-up »Bettzeit« hat sich in nur fünf Jahren zu einem weltweit agierenden und florierenden mittelständischen Unternehmen entwickelt. Was ist Ihr Erfolgsrezept bzw. Konzept?
Erst mal würde ich sagen: Learning by Doing. Den Mut haben, einfach auch mal loszulegen und zu machen. Man kann nicht alles planen. Das musste ich, der sehr organisiert ist und gerne plant, lernen. Aber das Wichtigste ist, wie wir unser Team aufgebaut haben. Alle ziehen an einem Strang. Die beste Idee zählt und diese wird am Ende umgesetzt. Wenn alle im Interesse des Gesamtteams entscheiden, muss man auch keine Top-down-Entscheidungen fällen. Manuel oder ich müssen nicht bestimmen. Wir wollen kein Klima der Konkurrenz und Ellenbogen. Daher bezahlen wir auch keine Erfolgsboni, sondern einigen Teamleitern Boni für Soft Skills wie etwa gute Mitarbeiterführung.

Der Bedarf an Arbeitskräften in den neu gegründeten Unternehmen ist groß. Viele Jungunternehmer tun sich aber schwer, passende Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu finden. Warum?
Der Arbeitsmarkt ist leer gefegt. Den Fachkräftemangel spüren auch wir. »Bettzeit« ist ein Sleep-Tech-Unternehmen. Wir sind eine Firma, die Schlaf verbessern will und für die Entwicklung von Innovationen einerseits ein Forschungslabor betreibt und gleichzeitig in vielen Bereichen neue Technologien einsetzt. Bei uns arbeiten neben Vertrieblern und Softwareentwicklern auch Ingenieure und Designer, seit Kurzem beschäftigen wir sogar eine Neurowissenschaftlerin. Sofern es möglich ist, suchen wir also vor allem entwicklungsbereite Talente. Mit Matratzen kennen sich schließlich die wenigsten aus. Im Moment haben wir etwa 215 Mitarbeiter und wachsen stark. Jeden Freitag führen wir den ganzen Tag Rekrutierungsgespräche.

Bei »Bettzeit« setzen Sie auf Arbeitskräfte aus der ganzen Welt. Mehr als die Hälfte der Belegschaft kommt aus dem Ausland. Ist Internationalität Konzept Ihres Betriebs?
Ja, wir setzen auf Diversität. Unterschiedlichkeit und Vielfalt sind von großem Wert. Unsere Firmensprache ist Englisch. Wir sind in 17 Ländern vertreten, Ende des Jahres werden es 20 sein. Wir brauchen Leute mit internationaler Erfahrung. Leute, die den jeweiligen Markt, die Sprache und die Kultur kennen.

Die unterbesetzte und überlastete Frank- furter Ausländerbehörde macht es Ihnen schwer, Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis- se für Ihre ausländischen Arbeitskräfte zu organisieren. Was tun Sie dagegen?
Wir stehen mit der Ausländerbe hörde und dem zuständigen Stadtrat nach einigen Anlaufschwierigkeiten in engem und konstruktivem Kontakt. Wir überlegen gemeinsam, wie ausländische Arbeiternehmer schneller und einfacher ihre Arbeits- und Aufenthaltsgenehmigungen erhalten können. Da hat sich, auch nachdem wir an die mediale Öffentlichkeit gegangen sind, einiges getan. Der Leiter der Ausländerbehörde besetzte inzwischen über zehn zusätzliche Stellen, er konnte die Gehälter um zwei Stufen anheben und bis Ende des Jahres sind endlich alle Akten digitalisiert. Die Fortschritte sind nicht so schnell sichtbar, wie man sich das wünscht. Aber es bewegt sich was. Und ich habe gelernt, Behördenstrukturen und politische Willensbildung besser zu verstehen.

Zu Ihnen: Der typische Gründer ist männlich, Mitte 30, Akademiker, hat eine 56-Stunden-Woche und ist FDP-affin – laut einer Studie der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG. Finden Sie sich darin wieder?
(Lacht...) Ich kann nicht verneinen, dass es eine gewisse Schnittmenge gibt.

Sind Sie gerne Ihr eigener Chef?
Es macht mir unheimlich Spaß, neue Ideen zu entwickeln, sie umzusetzen, zuzuschauen, was damit passiert, sie wachsen zu sehen. Das kann ich nur in einem Unternehmen, in dem ich rationale Entscheidungen umsetzen kann. Eine Unternehmenskultur, in der Entscheidungen auf Hierarchien oder Egos beruhen, ist nichts für mich. Ich verstehe mich auch nicht als Entrepreneur, sondern als Manager. Im Übrigen ist es meinem Mitgründer und mir sehr wichtig, dass die Firma unabhängig von uns auf einem stabilen Fundament steht. Ich glaube, das ist eine wichtige Voraussetzung für jedes Unternehmen, um nachhaltig zu wachsen.

Was wären Sie geworden, wenn Sie kein Start-up gegründet hätten?
Achterbahnen finde ich absolut spannend. Im Ernst. Ich hätte versucht, in der Freizeitpark-Entwicklung etwas zu finden. Das käme meinem Faible für Technik sehr entgegen. Und ich liebe es, Menschen glücklich zu sehen.

Sie haben an der EBS, European Business School, Wirtschaft studiert, später an der Goethe-Universität in Finanzen promoviert. Was ist der für Sie bedeutendste Unterschied zwischen einer privaten und einer öffentlichen Universität?
Beide Hochschulen haben ihre Vorzüge. Die EBS ist viel kleiner und verschulter, was meinem Arbeitsethos entgegenkommt. Die Goethe-Uni hat einen fantastischen Campus und sehr gutes Essen. Und sie hat Prof. Andreas Hackethal, meinen Doktorvater. Andreas lernte ich an der EBS kennen. Bei ihm an der Goethe-Universität habe ich dann über Finanzen meine Doktorarbeit geschrieben. Mit der größeren Freiheit an der Goethe-Uni musste ich erstmal umgehen lernen. Ohne Druck von außen bzw. ohne klar definierte Strukturen am Ball zu bleiben, fiel mir nicht immer leicht.

Wie sind Sie Ihrer Alma Mater verbunden?
Ich halte Vorträge, stehe im Austausch mit Prof. Andreas Hackethal, kenne die Start-ups der Goethe-Uni. Es ist einfach eine tolle Universität. Ich kann mir auch vorstellen, dass wir uns mit »Bettzeit« auch bei den Karrieremessen, die es ja an der Uni gibt, präsentieren.

Welchen Beruf erträumten Sie sich als Kind?
Als Kind wollte ich Schauspieler werden. Ich war in einer Theater-AG an der Schule, das hat mir gut gefallen. Als Jugendlicher dann: Achterbahnen, Freizeitparks. Das Phantasialand war mein zweites Wohnzimmer. Meine Mutter, die Lehrerin ist, hat mich unter großem zeitlichen Aufwand tatsächlich in den Sommerferien mindestens einmal die Woche dahin gefahren. Und heute bin ich sehr glücklich mit meinem Job bei »Bettzeit«.

Wen wollten Sie schon immer mal kennenlernen?
Da gibt es keine bestimmte Person. Ich finde persönliche Geschichten und Erfahrungen von Menschen spannend.

Was machen Sie an einem schönen sonnigen Wochenende?
Es zieht mich ans Wasser. Tauchen, Bootfahren oder mit Freunden einfach nur am Main sitzen mit einer schönen Flasche Wein und einem Picknickkorb.

Konzert oder Theater?
Konzert. Eher Mainstream. Als Teenager war mein ganzes Zimmer voller Michael-Jackson-Plakate.

Das Leben ist ...
... aufregend. Wie eine Achterbahn. Es hat Höhen und Tiefen und in jeder Kurve macht man neue Erfahrungen.

Das Interview führte Heike Jüngst