Kritische Organisationspädagogik

Es geht einer kritischen Organisationspädagogik* um die Entwicklung eines kritischen Blicks und einer kritisch-engagierten Haltung, die die neoliberale Vereinnahmung und (Um-)Strukturierung organisationaler Lebens-, Arbeits- und Lernwelten, die gewaltfördernde und moralverdrängende Seite organisationaler Programmatiken und Regime sowie damit verbunden die Machtförmigkeit unterschiedlicher Organisationsformen von Lernen, Bildung, Erziehung und Wissensvermittlung in den Blick nimmt. Die Tatsache, dass Lern- und Bildungsprozesse, Vorgänge der Wissensproduktion und -vermittlung in und von Organisationen weder herrschaftsfrei, noch jenseits machtförmiger Marktinteressen und gesellschaftspolitischer Einflussnahmen verlaufen, markiert einen zentralen Einsatzpunkt. Ein hier einsetzendes engagiertes Nach-Denken vollzieht sich im Kontext einer aktuell erneut virulent werdenden Debatte um das Politische erziehungswissenschaftlicher Wissensproduktion. Sie versteht sich aber auch als Teil jener Bemühungen (vgl. etwa Kritische Erwachsenenbildung; Forum kritische Organisationsforschung, kritische Migrationsforschung), die im Bewusstsein einer gerade für die Pädagogik konstitutiven Untrennbarkeit von Theorie und Praxis radikale Kritik an der Neoliberalisierung und Ökonomisierung des Bildungswesens, am institutionellen Rassismus und an einem gesellschaftlich getragenen Rechtsradikalismus üben. Dabei steht die Frage nach der Rolle und Funktion von (nicht nur) pädagogischen Organisationen hinsichtlich der Bedingung der Ermöglichung von Unterdrückung, Gewalt und Ungleichheit sowie hinsichtlich der Möglichkeit der der Ermächtigung von Subjekten und der gesellschaftlichen Transformation durch Organisationen im Vordergrund. Die Arbeit einer kritischen Organisationspädagogik sieht sich auch aufgefordert, die Suche nach einem Kritikverständnis aufzugreifen und fortzusetzen, das als Kunst, nicht dermaßen regiert zu werden (Foucault), als ideologiekritische Negation gesellschaftlicher Zustände  (Adorno, Horkheimer) oder als Schaffung von Räumen der Artikulation und Verhandlung von Differenz (Bhabha) Möglichkeiten der Betrachtung und Transformation organisationspädagogischer Wissensproduktion in Betracht zieht.

Seit 2019 existiert die Arbeitsgruppe Kritische Organisationspädagogik als ein informeller Zusammenschluss von organisationspädagogischen Wissenschaftler*innen, die einen Austausch über kritische Potentiale und Perspektiven (in) der Organisationspädagogik anstrebt und sich dabei der Frage widmet, was denn die Fragen sind, auf die eine kritische Organisationspädagogik Antwort geben will.

Für 2021 und 2022 sind weitere Arbeitstreffen geplant. Bei Interesse an den Aktivtäten Arbeitsgruppe kann eine Aufnahme im Verteiler angefrgat werden: kritorgpaed-subscribe@listserv.dfn.de


Literatur:

Engel, Nicolas & Bretting, Johannes (2021, im Erscheinen) Engagiertes Denken. Zum gesellschaftspolitischen Engagement der Erwachsenenbildungswissenschaft“. In: Debatte. Beiträge zur Erwachsenenbildung  http://zeitschrift-debatte.de/abstract-engel-bretting/

Engel, Nicolas (2020). Verwicklungen. Pädagogische Organisationsforschung als Verantwortungsgeschehen. In Jahrbuch Organisationspädagogik 2020. Wiesbaden: Springer VS.

Engel, Nicolas (2014). Organisation als (un-)menschliches Sozialgebilde. Konturen einer kritisch-pädagogischen Organisationsforschung. In Nicolas Engel & Ines Sausele-Bayer (Hrsg.), Organisation. Ein pädagogischer Grundbegriff (S. 105-120). Münster: Waxmann.

Truschkat, Inga, Sitter, Mirjam & Peters, Luisa (2018). Grammatiken, Regime und Ordnungen als Gegenstand der Organisationspädagogik. In Handbuch Organisationspädagogik, hrsg. Michae Göhlich et al. (455-466). Wiesbaden: Springer VS.