Perspektive Physik

Die Frage ist schon sehr alt und hat nie ihre Faszination verloren: Woraus ist unsere Welt aufgebaut, woraus besteht das, was wir heute Materie nennen?

Für wenige Millionenbruchteile einer Sekunde nach dem Urknall bestand das Universum aus einer „Suppe“ elementarer Bausteine, den Quarks und Gluonen. Nur Mikrosekunden später kühlten sie sich ab und es formten sich Protonen und Neutronen, Atomkerne und Atome: die Materie, wie wir sie heute kennen.

Im Laufe der Geschichte haben wir viel über den Aufbau der Materie gelernt, und auch über die sie zusammenhaltenden Kräfte; die Quantenchromodynamik (QCD) beispielsweise kann viele Beobachtungen und Phänomene korrekt beschreiben.

Was wir aber immer noch nicht gut verstehen, ist die Frage, wie sich Materie und die Gesetze der QCD bei sehr hoher Temperatur oder Dichte verhalten – beispielsweise kurz nach dem Urknall. Eine sehr grundsätzliche Frage, vergleichbar mit einer Situation, in der man vom Phasendiagramm des Wassers nur das Eis kennen würde. Ein Ziel der aktuellen Kern- und Hochenergiephysik ist es daher, das Phasendiagramm der stark wechselwirkenden Materie besser zu verstehen.

Um dies zu erreichen, müsste man den Zustand “quasifreier”, ungebundener Quarks bei hoher Temperatur oder hoher Dichte experimentell untersuchen können – Im Gegensatz zum Zustand der in Protonen, Neutronen oder anderen Hadronen gebundenen Quarks im sogenannten Confinement. Dazu müssten sich die Nukleonen in ihre Bestandteile der Quarks und Gluonen auflösen. Einen solchen Zustand, in dem sich Quarks und Gluonen voneinander lösen und als quasifreie Teilchen agieren können, nennt man das Quark-Gluon-Plasma (QGP).

Seit einiger Zeit versuchen Physiker*innen auf der ganzen Welt, diesen QGP-Zustand, den Materiezustand kurz nach dem Urknall, für sehr kurze Zeit wieder zu erzeugen und dann seine Eigenschaften zu untersuchen, indem schwere Ionen mit sehr hoher Energie aufeinander geschossen werden. Dabei werden Temperaturen von einigen Billionen Kelvin erzeugt, einige Hundertausende mal heißer als das Innere der Sonne und heiß genug, um Protonen und Neutronen in Quarks und Gluonen zu schmelzen.

Will man also etwas über den Zustand unseres Universums einige Millionstel Sekunden nach dem Urknall lernen, so braucht man keine Teleskope sondern große Beschleunigeranlagen wie beispielsweise den LHC am CERN.


©2016 Contemporary Physics Education Project
Der sehr heiße Materiezustand von der Größe etwa einer Milliardste eines Zentimeters im Durchmesser erlaubt nun zum ersten Mal Einblicke in die früheste Phase unseres Universums. Das ALICE-Experiment, eins der vier großen Experimente am LHC, hat sich zum Ziel gesetzt, diesen Materiezustand genauer zu untersuchen. Die Experimente am LHC untersuchen dabei das Phasendiagramm bei hoher Temperatur und kleiner Dichte.

Ein besseres Verständnis des QGP ist von großem Interesse, da es eine experimentelle Bestätigung für das aktuelle Verständnis der Struktur der Materie liefern kann. Man ist in der Lage, das Verhalten von Quarks ohne Confinement zu untersuchen.

Im Rahmen einer Bachelor- oder Masterarbeit in der Arbeitsgruppe wird man Teil dieser sehr aktuellen, spannenden Wissenschaftsgeschichte. Man bearbeitet sein eigenes Puzzlestück im gemeinsamen Verständnis der Eigenschaften des Quark-Gluon-Plasma-Zustands der Materie, man analysiert Daten des ALICE-Experiments am LHC und trägt mit der eigenen Arbeit dazu bei, einen Teilaspekt der physikalischen Vorgänge kurz nach dem Urknall besser zu verstehen.