Rückblick: Frankfurter Poetikvorlesungen seit 2020/21

Sommersemester 2023: Clemens J. Setz

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Unter dem Titel „Mysterien“ hielt Clemens J. Setz im Sommersemester 2023 die Frankfurter Poetikvorlesungen. die von einer studentischen Ausstellung sowie einem wissenschaftlichen Workshop begleitet und mit einer Lesung im Frankfurter Literaturhaus abgeschlossen wurden.

Clemens J. Setz‘ 2023 erschienener Roman „Monde vor der Landung“ spielt in Worms vor rund 100 Jahren und handelt vom Begründer der sogenannten „Hohlwelt-Theorie“, der zufolge die Menschheit nicht auf, sondern in einer Kugel lebe. Was auf den ersten Blick zeitlich wie thematisch weit entfernt scheint, entpuppt sich sogleich als Teil einer „staunenswerten Vielseitigkeit“ und „radikalen Zeitgenossenschaft,“ die unserem Gastdozenten für Poetik anlässlich der Verleihung des Georg-Büchner-Preises 2021 attestiert wurden. Denn die Erzählung von der abseitigen Theorie lässt sich als Reflexion auf Verschwörungsideologien unserer Gegenwart verstehen.

Die Vielseitigkeit des 1982 in Graz geborenen Clemens J. Setz zeigt sich nicht zuletzt in seinen bisherigen Publikationen, die von Romanen wie „Indigo“ (2012) über Gedichte und Erzählungen bis hin zu experimenteller Kurzprosa wie „Glücklich wie Blei im Getreide“ (2015) reichen. Als Drehbuch- und Theaterautor sowie literarischer Übersetzer ist er ebenfalls in Erscheinung getreten. Neben zahlreichen weiteren Preisen wurden ihm u.a. 2020 der Kleist-Preis, 2015 der Wilhelm Raabe-Literaturpreis und 2011 der Preis der Leipziger Buchmesse zuerkannt.


Sommersemester 2022: Judith Hermann

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Unter dem Titel „Wir hätten uns alles gesagt - vom Schweigen und Verschweigen im Schreiben“ konnten Judith Hermanns Poetikvorlesungen im Sommersemester 2022 wieder vor Publikum stattfinden, nachdem sie wegen der Covid-Pandemie zunächst verschoben werden musste. 

Ihr kurz zuvor erschienene Roman „Daheim“ (2021), vom Feuilleton gefeiert und wochenlang auf der „Spiegel“-Bestsellerliste, erzählt von einer Frau, die ihr altes Leben hinter sich lässt, um in die Einsamkeit aufzubrechen. In einem Haus am Meer ‒ „winzig“ und „baufällig“ ‒ versucht die Ich-Erzählerin, Wurzeln zu schlagen. Mit diesem Roman trifft die 1970 in Berlin geborene Autorin, offensichtlich den Nerv unserer Zeit. Unlängst wurde ihr dafür der Rheingau-Literatur-Preis (2021) zuerkannt, nachdem sie u.a. schon mit dem Erich-Fried-Preis (2014), dem Friedrich-Hölderlin-Preis der Stadt Bad Homburg (2009) sowie dem Kleist-Preis (2001) ausgezeichnet worden ist.

Schon mit ihrem 1998 erschienenen Debüt „Sommerhaus, später“, das im Berlin der 1990er spielt und neun Erzählungen enthält, gelang unserer Poetikdozentin der große Durchbruch in die erste Reihe der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur. Die Erzählungen wurden als mentalitätsgeschichtliches literarisches Zeugnis einer Generation gefeiert. Weitere, inzwischen in mehr als 20 Sprachen übersetzte Publikationen sollten folgen: die Erzählbände „Nichts als Gespenster“ (2003), „Alice“ (2009) und Lettipark“ (2016) sowie 2014 der kontrovers diskutierte erste Roman „Aller Liebe Anfang“.


Wintersemester 2020/21: Monika Rinck

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Unter dem Titel „VORHERSAGEN. Poesie und Prognose“ fand im Wintersemester 2020/21 eine der außergewöhnlichsten Poetikvorlesungen in der langen Geschichte der Dozentur statt. Nicht wie gewohnt im Hörsaal, sondern im Internet konnten Monika Rincks herausragende Vorträge rezipiert werden. Aufgrund der Corona-Pandemie wurden die Poetikvorlesungen aufgezeichnet, entfalten aber auch im Videoformat ihren besonderen Reiz. Die Videos sind weiterhin auf der Webseite zugänglich.

Die 1969 in Zweibrücken geborene und in Berlin lebende Autorin sprach über die Möglichkeiten des Poetischen und gab zudem einen Einblick in ihr außergewöhnlich vielseitiges Werk. Neben Gedichten veröffentlichte sie auch Essays, Hörspiele, Liedtexte, Prosawerke, Zeichnungen sowie einen Theorie-Comic.

Als besonders charakteristisch für das facettenreiche Schaffen der Poetikdozentin kann die sprachliche wie literarische Experimentierfreudigkeit bezeichnet werden, die sich nicht zuletzt in ihrer komplexen Lyrik niederschlägt. Schon in ihrem ersten Gedichtband Verzückte Distanzen (2004) fallen die atemlosen, sprunghaften wie unabgeschlossenen Verse mit ihrer eigenwil-ligen Zeichensetzung ins Auge, die Monika Rincks poetischen Dynamismus unterstreichen. Neben weiteren Lyrikbänden wie beispielsweise zum fernbleiben der umarmung (2007), Helle Verwirrung. Rincks Ding- und Tierleben (2009), Honigprotokolle (2012) sowie Alle Türen (2019) veröffentlicht die Autorin seit 2001 in ihrem Internetprojekt Begriffsstudio unzählige Begriffe, die sie im Alltag aufstöbert, einsammelt und archiviert. Der 2006 erschienene poeti-sche Essay Ah, das Love-Ding! hingegen ist Roman, wissenschaftliche Untersuchung, philoso-phischer Dialog und Gedicht-Essay zugleich. Monika Rinck wurde bisher vielfach ausgezeichnet. So wurden ihr u.a. der Kleist-Preis (2015), der Heimrad-Bäcker-Preis (2015), der Pfalzpreis für Literatur (2016), der Ernst-Jandl-Preis (2017) sowie der Roswitha-Preis (2019) zuerkannt.