Musik im Museum – Exkursionsberichte

Im Sommersemester 2011 haben wir am Institut ein Seminar mit dem Titel „Musik im Museum – Intention und Inszenierung“ abgehalten. Vornehmlich ging es darum, wie Musik in Museen präsentiert wird und welche Faktoren für die jeweilige Präsentation ausschlaggebend sind. Ausstellungen wurden dabei als Texte im Sinne von Erzählungen oder interpretierbaren Bilder aufgefasst. Es wurde ein Instrumentarium zur Museumsanalyse erarbeitet, unter Berücksichtigung von erzähltheoretischen, semiotischen, ethnographischen und lerntheoretischen Aspekten. Ausgerüstet mit diesem Know-how haben Studierende in kleinen Gruppen Musikausstellungen besucht und analysiert. Im Folgenden finden sich erste Berichte zu den Exkursionen. Wenngleich die Ergebnisse der Analysen noch ausstehen, verdeutlichen schon diese kurzen Beschreibungen die Vielfalt möglicher Ausstellungstypen und Konzepte zur Inhaltsvermittlung in Abhängigkeit von thematischen Schwerpunkten, Objektsammlungen und museumspädagogischen Intentionen.

Andreas Meyer

Musikinstrumentenmuseum, Lißberg

Lißberg ist ein Stadtteil von Ortenberg am Südrand des Vogelsberges. Das von einem Förderverein und der Stadt Ortenberg getragene Museum wurde im Jahre 1990 eröffnet. Während einer einstündigen Führung informierte uns der erste Vorsitzende des Fördervereins, Kurt Racky, über die Entstehung der Sammlung und die Konzeption der Ausstellung. In dem Museumsgebäude, einem ehemaligen einklassigen Schulhaus, sind ca. 1200 Exponate ausgestellt, deren Großteil aus dem privaten Besitz des Frankfurter Instrumentenbauers und -sammlers Kurt Reichmann stammt. Die überwiegend historischen Instrumente wurden und werden durch den Ankauf von Musikinstrumentensammlungen und Leihgaben ergänzt. Zu den Schwerpunkten der Ausstellung gehört eine große Sammlung von Borduninstrumenten (ca. 170 Drehleiern und Dudelsäcke). Als Besonderheit ist ein Streichklavier, der einzige spielbare Nachbau des "Nürmbergisch Geigenwerck", zu sehen und zu hören.

Das Musikinstrumentenmuseum Lißberg verfolgt mit seiner Dauerausstellung ein pädagogisches Konzept. Es soll gezeigt werden, wie sich der Instrumentenbau in den vergangen Jahrhunderten entwickelt hat. Die Instrumente aus Kurt Reichmanns Sammlung stehen deshalb unter dem Motto "Die Entwicklung der Musikinstrumente von Michael Preatorius bis heute". Als Grundlage der Gliederung dient der 2. Band von Michael Preatorius' "Syntagma Musicum" (1619), in dem Preatorius die Instrumente seiner Zeit erfasst und klassifiziert hat. Dieser Systematisierung folgend, sind in den jeweiligen Vitrinen einzelne Instrumentenfamilien untergebracht. An den Rückwänden der Vitrinen befinden sich stark vergrößerte Auszüge aus dem "Syntagma Musicum". Davor sind die Instrumente ausgestellt, die mit Preatorius' Klassifizierungsmerkmalen korrespondieren. Das pädagogische Ziel hierbei ist es, zu zeigen, wie sich die Musikinstrumente seit Preatorius weiterentwickelt haben. In einer Vitrine lässt sich beispielsweise an Querflöten aus verschiedenen Zeiten erkennen, wie die Klappensysteme der Querflöten immer komplexer geworden sind.

Unmittelbar nach Betreten des Museums macht sich die räumliche Enge bemerkbar. Eine Vielzahl an Instrumenten ist auf kleinstem Raum untergebracht, was direkte Vergleiche ermöglichen soll. Aufgrund dieser Art der Präsentation – man möchte so viel wie möglich ausstellen und jeder Interessengruppe etwas bieten – muss auf ausführliche Beschriftungen der Exponate und weiterführende Beschreibungen verzichtet werden. Dem Besucher soll vorwiegend Unbekanntes vorgeführt werden. Statt einer Vielzahl von Geigen etwa sind in einer Vitrine Teile einer Geigenbauwerkstatt ausgestellt. Dies soll dem Besucher Einblick in den weniger bekannten Konstruktions- und Herstellungsprozess dieses Instruments vermitteln. Außerdem ist die Sammlung der mitteleuropäischen Instrumente durch verschiedene außereuropäische Instrumente ergänzt. Ein weiterer Teil des pädagogischen Konzeptes ist es, dem Besucher den Klang der Instrumente zu vermitteln. Hierzu stehen verschiedene Originale und Nachbauten zur Verfügung. An einem Musiziertisch können interessierte Besucher auch selbst aktiv werden und verschiedenen Instrumenten Töne entlocken.

Internetseite des Museums:
http://www.museum-lissberg.de/Musikinstrumentenmuseum_Liberg

Luzian Dreher, Pjeter Gjoka, Alexander Hummel

Abb1_
Musikinstrumentenmuseum in Lißberg

Spohr Museum, Kassel

Das Spohr Museum wurde 2009 eröffnet und finanziert sich seitdem über Spenden sowie einem Kulturverein und nicht über Eintrittsgelder. Es begrüßt seine Besucher im Eingangsbereich mit einem Flügel aus dem frühen 19. Jh. Setzt man sich auf den Klavierhocker, erklingt ein Klavierstück von Louis Spohr. Die Ausstellung beginnt in einem Flur auf der rech­ten Seite des Vorraums. Der Flur selbst durfte aus brandschutztechnischen Gründen nicht mit größeren Ob­jekten ausgestattet werden – geschickt löste das Museum dieses Problem mit einer „Bilderreihe“, die so­wohl Einblicke in Spohrs Biographie bietet als auch zeitgleiche bekannte historische Ereignisse zeigt. Vitri­nen, Bildnisse, Raumunterteilungen und interaktive Stationen leiten den Besucher durch das Museum und zeigen Noten, Instrumente, Aufführungspraxen, Mode, Urkunden und vieles mehr. Immer wieder wird versucht, ein Gegenwartsbezug herzustellen. Vier Zim­mer können durch den Flur betreten werden. Die ersten beiden nennen sich „Musikzimmer“ und „Arbeits­zimmer“ und sind mit einer Tür ver­bunden. Bewusst wird mit einem überlieferten Foto auf die tatsächlichen Räume Spohrs hinge­wiesen: die originalen Möbelstücke von ihm und aus der Zeit, die auf Po­desten trapiert sind, sollen nicht den Eindruck vermitteln, Spohr habe einst in dem Gebäude des Museums gelebt (es stammt aus dem 20. Jh.). Das dritte Zimmer gibt Raum für Wechselausstellungen (zur Zeit über den Instrumentenbau in Kassel). Der vierte Raum bietet einen Vergleich zwi­schen Paganini und Spohr. Die Wahl des Vergleichs hat vor allen Dingen zwei Gründe: zum einen enthielt die Sammlung, aus der die Objekte Spohrs herrühren, auch Sammelstücke Paganinis, zum anderen stellen die beiden Musiker zwei extreme Pole des 19. Jh. dar – nicht nur in der Art des Geigenspiels.

Interaktive Stationen in allen Räumen bieten die Möglichkeit, sich auf verschiedenen sinnlichen Ebenen dem Musiker Spohr zu nähern. Dabei führen einige technische Finessen zu überraschenden Erlebnissen. Es be­steht die Möglichkeit über Hörstationen mit Kopfhörern den Musikstil Spohrs kennen zu lernen. In diesem Zusammenhang werden auch Vergleiche zu Paganini und Bach und Bezüge zur Gegenwart mit den Beatles vorgenommen. Eine Dirigierstation, bei der die Besucher selbst mit einem Taktstock eine Sinfonie Spohrs leiten können, Geigen, mit denen man entweder Haltung üben und dabei einem Musikstück aus einer fiktiven Unterrichtsstunde mit Spohr lauschen oder mit denen man ohne Saiten Töne produzieren kann, Lichteffekte und ein Puzzle sollen Interessierte jeden Alters dazu animieren, sich mit klassischer Musik, dem Museum im Allgemeinen und Louis Spohr zu beschäftigen.

In einem Gespräch zwischen den Exkursionsteilnehmern und dem Kurator Karl Traugott Goldbach, der freundlich und ehrlich auf alle Fragen einging, wurden Konzept, Entwick­lung, Inhalt und Umsetzung erörtert. Dabei bekamen wir einen guten Eindruck, an was zum Beispiel ein Museumskonzept gebunden ist: viele Kompromisse müssen eingegangen werden, damit unter anderem die Finanzierer und Architekten zufrieden sind, Texte müssen bestimmte Zeilenlängen beinhalten, an eine vorgegebene Architektur muss sich angepasst werden etc. Mängel und Probleme bleiben dabei nicht aus, aber aus den Berichten des Kurators ließ sich schließen, dass durch Beobachtung und Gespräch ständig versucht wird, sowohl das Konzept zu verbessern, als auch besucherorientiert anzu­passen. Zur Zeit können viele dieser Ideen jedoch nur theoretisch erarbeitet werden, da sonst der finanzielle Rahmen gesprengt würde. Grundsätzlich ist das Museum so konzipiert, dass sich jeder angesprochen fühlen kann – auch derjenige, der sich normaler Weise nicht mit Komponisten und Musik auseinandersetzt.

 Familienfreundlich, offen für Ideen und orientiert an einem großen Publikum, ist das Museum einen Ausflug wert gewesen und direkt am Kasseler Hauptbahnhof gut zu erreichen. Leider mangelt es an Ausschilderungen zum Museum, weshalb eine Karte bzw. Wegbeschreibung zu empfehlen ist. Vielen Dank an Herrn Dr. Karl Traugott Goldbach, dass er sich für uns die Zeit genommen hat und uns be­reitwillig so viele Auskünfte gab.

Internet-Seite des Museums:
http://www.spohr-museum.de

Elisabeth Brendel

Abb2
Spohr Museum in Kassel, Mitmachstation: Übung zum Halten der Geige beim Spielen

orgel Art museum, Windesheim

Das orgel Art museum in Windesheim im Landkreis Bad Kreuznacht wurde 2001 gegründet, mit ca. 50 Instrumenten, von denen 33 ausgestellt sind. Zu Beginn unseres Besuches schauten wir uns die Ausstellung an und notierten zugleich erste Überlegungen zur Konzeption. Ausgerüstet mit einem Audioguide erhielten wir viele Informationen über die chronologisch geordneten Exponate und ihre kulturhistorischen Zusammenhänge. Zu jedem Instrument konnte ein dazugehöriges Klangbeispiel abgespielt werden. Von Anfang an auffällig waren die harmonisch platzierten Gemälde, die sich direkt neben den Exponaten befanden und auf Grund ihrer Farbgebung und Motivauswahl eigene Assoziationen hervorriefen. Der charakteristische Hauptraum, in dem häufig Konzerte stattfinden, bildet mit dem Neubau einer Konzertsaalorgel und dem Konzertflügel sowie weiteren länderspezifischen Originalbauten das Herzstück des Museums. Eine Treppe führt in das Obergeschoss, das unter anderem eine Empore mit Studioorgel und weiteren Modellen zur Anschauung der Tonerzeugung ausstellt. Als nächste Etappe gelangt man über eine weitere Treppe wieder in einen Teil des Untergeschoss, der die Entwicklung der Tasteninstrumente vom Cembalo bis zum Konzertsaalflügel zeigt.

Nach dem Rundgang konnten die Exkursionsteilnehmer in einem persönlichen Gespräch den Kurator Thorsten Mäder zu dem spezifischen Museumskonzept befragen und sogar eine kleine Vorführung einiger antiker Orgeln genießen. Äußerst interessant waren die Ausführungen zu der konzeptionellen Umsetzung des Titelbegriffes „Art“, die sich sowohl in den wechselnden Kunstausstellungen von Gemälden und Plastiken lokaler Künstler widerspiegelt, als auch in der Architektur des nachempfundenen Orgelkörpers im allgemeinen Bauhausstil. Die schlicht gehaltene Architektur eignet sich nicht nur hervorragend für Kunstausstellungen, sondern auch für andere Projekte wie zum Beispiel Feierlichkeiten, Konzerte oder auch Weinproben.

Abschließend kann festgehalten werde, dass sich mit dem Besuch des orgel Art museums vor allem für Organisten oder Orgelliebhabern ein reicher musikalischer Fundus eröffnet. Jedes ausgestellte Instrument ist unter Anleitung bespielbar und bietet die Möglichkeit, historische Eigenheiten, wie einen verkürzten Fingersatz, auf einem Originalinstrument hautnah auszuprobieren.

Internet-Seite des Museums:
http://www.orgel-art-museum.de/

Julia Hoffmann

Abb3
orgel Art museum in Windesheim

Tradition des Geigenbaus der Sinti und Roma, Heidelberg

In der Nähe des Schlosses am Rande der Altstadt Heidelbergs liegt das Dokumentations- und Kulturzentrum der Sinti und Roma. Dort ist die Wanderausstellung zum Thema „Tradition des Geigenbaus der Sinti und Roma“ beheimatet. Im Zentrum steht die Arbeit des Sinto Hermann Weiß (Jahrgang 1925), der aus einer Familie mit langer Geigenbautradition stammt. Eine Texttafel gibt Auskunft über sein bewegtes Leben. Während der NS-Zeit galt er als „Zigeunermischling“ und war viele Jahre in verschiedenen Konzentrationslagern interniert. Gegen Ende des Zweiten Weltkrieges zwang man ihn, zusammen mit anderen Gefangenen gegen die vorrückenden sowjetischen Truppen zu kämpfen, worauf er in Kriegsgefangenschaft geriet. 1948 konnte er in seine Heimatstadt Karlsruhe zurückkehren und wurde zu einem der führenden Geigenbauer in Süddeutschland. Zu seinen Kunden gehörten Musiker renommierter Orchester und auch Sinti-Jazzer, wie der legendäre Schnuckenack Reinhard. Die Familientradition wird fortgeführt, denn Hermann Weiß hat die Kunst des Instrumentenbaus an seinen Enkel Gregory weitergegeben.

Die Ausstellung ist in drei Bereiche gegliedert:

  • Geigenbauwerkstatt von Hermann Weiß
  • Geigenbau
  • Sinti und Roma und die Tradition des Geigenspiels.
Vorgestellt werden Fotographien von Instrumenten und der Geigenbauwerkstatt sowie Malereien mit lebhaften musikalischen Szenen. Der Bereich „Geigenbauwerkstatt von Hermann Weiß“ bietet Einblicke in die Arbeit und die Räumlichkeiten des Instrumentenbauers. Zum Thema Geigenbau wird die Herstellung der Einzelteile bis hin zum fertigen Instrument dokumentiert. Der dritte Bereich der Bildausstellung befasst sich mit der musikalischen Historie der Sinti und Roma. Er verschafft einen Eindruck von den Praktiken des Geigenspiels in vielfältigen Kontexten und dokumentiert eine Reihe bekannter und weniger bekannter Musiker.

Da die Ausstellung momentan nicht aufgebaut ist, konnten wir uns nur anhand von digitalen Dateien einen Eindruck verschaffen.

Internet-Seite des Dokumentations- und Kulturzentrums der Sinti und Roma:
http://www.sintiundroma.de/

Olivia Othman, Andreas Meyer

Abb4
Blick in die Geigenbauwerkstatt von Hermann Weiß. Foto: Dokumentations- und Kulturzentrum der Sinti und Roma.

Die Exkursionen wurde unterstützt von der "Vereinigung von Freunden und Förderern der Johann Wolfgang Goethe Universität Frankfurt am Main e.V.", wofür wir uns herzlich bedanken.