Romanistische Lebenswege - Absolventen der Frankfurter Romanistik berichten

Die erste Veranstaltung der neuen Reihe "Romanistik und Beruf" fand am 19. April 2002 im Rahmen des Kongresses zum 100jährigen Bestehen der Frankfurter Romanistik statt. Unter dem Titel Romanistische Lebenswege - Absolventen der Frankfurter Romanistik berichten sprachen fünf Ehemalige über ihr Romanistikstudium und den Stellenwert, den die romanistische Ausbildung für ihren Lebensweg und ihre berufliche Biographie hat. Das Studium lag bei allen unterschiedlich lange zurück; und auch die von ihnen ausgeübten Berufe waren sehr verschiedenen: Walter Haubrich, der Lektor für Deutsch an spanischen Universitäten war, bevor er Auslandskorrespondent der FAZ in Madrid wurde, studierte in den 50er Jahren; Rainer Lorenz unterrichtete nach seinem Studium in den 60er Jahren als Lehrer Französisch und Politik und ist heute Schulleiter der Carl-von-Ossietzky-Schule in Wiesbaden. Susanne Grohs absolvierte in den 80er Jahren den damals noch ungewöhnlichen "Spagat zwischen Romanistik und Betriebswirtschaftslehre" und arbeitet bei der Firma Siemens; Elke Orth machte 1992 in den gleichen Fächern ihr Examen und ist bei der Deutschen Bank tätig. Carolina Romahn, Leiterin des Europa-Büros der Stadt Frankfurt, beendete ihr Studium ebenfalls in den 90er Jahren.

An den verschiedenen Lebensläufen der fünf Podiumsgäste lässt sich eine Entwicklung ablesen, von der auch andere geisteswissenschaftliche Fächer bzw. deren Absolventen betroffen sind: Romanisten und Romanistinnen gelangen heute vermehrt in Berufssparten, die auf den ersten Blick nicht viel mit ihren Studieninhalten zu tun haben. Dass sie darin auch erfolgreich sein können, zeigten die Geschichten der drei weiblichen Podiumsgäste. Bei Elke Orth war es das Interesse für "das Fremde", das sie im Rahmen eines Sekretariatsjobs bei der Deutschen Bank kennen lernte und sie zu einer Stelle im Investmentbanking führte. Dort wurde der Wunsch, sich wieder mit Texten zu beschäftigen, so stark, dass sie in die Kommunikationsabteilung wechselte, wo sie auch selbst Texte schreiben muss. Dabei helfe ihr, dass sie im Studium gelernt habe, zu lernen und sich schnell in neue Sachgebiete einzuarbeiten. Susanne Grohs kehrte nach dem Studium zu Siemens zurück, wo sie vorher bei einem Management-Training einen der von 1000 Bewerbern umkämpften fünf Plätze erhalten hatte. Heute arbeitet sie dort in der PR-Abteilung, beschäftigt sich gleichzeitig mit Frauenthemen und ist im Münchner Expertinnen-Beratungsnetz aktiv, das Frauen in verschiedenen Lebenslagen berät. Carolina Romahn unterstrich die Rolle ihres Studiums ("eine wunderbare Zeit") bei der Erlangung der für ihre Tätigkeit im Europabüro nötigen Qualifikation. Darunter zählte sie nicht nur ihre Sprachkompetenz im Französischen, Italienischen und Spanischen, sondern gerade auch die durch Lektüre erworbene ästhetische Wahrnehmung, die beim Verständnis gesellschaftlicher Prozesse helfe.

Es muss nicht verwundern, dass beim Zusammentreffen von Romanistinnen und Romanisten verschiedene, die Sprache betreffende Plädoyers gehalten wurden - z. B. auch für das Erlernen osteuropäischer Sprachen; für die Sprachpflege zur Erhaltung der aktiven Sprachkompetenz; für den früheren Beginn der zweiten Fremdsprache in der Schule; für Spanisch als erste Fremdsprache statt Englisch. Die romanistischen Lebenswege, die dem zahlreich erschienenen Publikum durch die gelungene Moderation von Karen Fuhrmann vom Hessischen Rundfunk nahegebracht wurden, haben alle mit einem Interesse, einer Motivation für das Erlernen der romanischen Sprache(n) begonnen. Bei Walter Haubrich entstand durch die erste Lektüre von Federico García Lorca der Wunsch, das Original zu lesen, weshalb er Spanisch zunächst im Selbststudium begann. Bei ihm passten der klare Berufswunsch Journalist und sein durch das Interesse für französische und spanische Literatur geweckter Studienwunsch von Anfang an zusammen. Die Möglichkeit, beruflich in die Länder zu gehen, deren Sprache man studiert hat, wertete er als Vorteil seiner Studienwahl (er selbst lebt seit mehr als 30 Jahren in Madrid, zwischenzeitlich in Buenos Aires). Allerdings würden Korrespondenten heute nicht nur aufgrund ihrer Sprachkompetenz eingestellt. Diese sei aber nach wie vor sehr wichtig, da oft in Bildern und mit Andeutungen gesprochen werde. Auslandserfahrungen thematisierte auch Rainer Lorenz, der sich in den 50er Jahren als erster deutscher Jugendlicher nach dem Krieg in einem Ort im französischen Jura aufhielt. Die Begegnung mit einer Frau, deren Familie von den Nazis ermordet wurde, prägte ihn für sein weiteres Berufsleben: als Französisch- und Politiklehrer lagen ihm die deutsch-französischen Beziehungen besonders am Herzen wie auch die gesellschaftlichen und politischen Bedingungen von Literatur zu verschiedenen Epochen.

Über manche Stolpersteine auf den romanistischen Lebenswegen wurde auch sehr gelacht an diesem Abend. Denn die eingeladenen Frankfurter Absolvent(inn)en hatten Sinn für Humor und waren durchweg gute Redner(innen) - letzteres womöglich auch eine Qualifikation, die man durch ein Romanistikstudium erwerben kann?!

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