Goethe-Universität erfolgreich bei Industrie-Ausschreibung für Ersatz von tierischen Komponenten
In der toxikologischen Forschung finden schon viele Untersuchungen zwar in der Petrischale statt, doch benötigt man im manchen Prozessen immer noch tierische Komponenten wie Serum oder Leberzellgewebe. Ein Team von Forschenden unter Federführung der Goethe-Universität will nun als Ersatz eine neue Zellkulturtechnik entwickeln. Mit ihrem Projekt haben sie den „CRACK IT“-Innovationswettbewerb des NC3Rs gewonnen, einer britischen Organisation, die sich für den Ersatz von Tierversuchen in der Forschung einsetzt. Der Wettbewerb wird von AstraZeneca und Unilever gesponsert.
FRANKFURT. Untersuchungen mit Zellkulturen sind für
die toxikologische Forschung notwendig, weil man an ihnen prüfen kann, ob neue
Wirkstoffe unerwünschte Wirkungen zeigen. Dabei wird in den Zellkulturen häufig
das Serum ungeborener Kälber (Fetal Calf Serum, FCS) als tierische Zutat
verwandt. Auch andere Toxizitätsversuche „im Reagenzglas“ verwenden häufig
Komponenten tierischen Ursprungs. So wird aus der Leber von Laborratten ein
Enzymcocktail gewonnen, mit dessen Hilfe untersucht wird, ob Leberenzyme die zu
testende Substanz in giftige Produkte umwandeln.
Für beide Komponenten – Serum und Lebergewebe – wollen
Pharmaproduzenten oder Firmen aus der kosmetischen Industrie Ersatz finden. Die
Gründe dafür sind nicht nur ethischer Natur. Gewebe und Seren, die direkt aus
Tieren entnommen werden, bringen auch Ungenauigkeiten im Prüfverfahren mit
sich, denn ihre Zusammensetzung schwankt je nach Herkunft. Zudem sind nicht
alle Komponenten etwa des fötalen Kälberserums bekannt. Das gefährdet die
Reproduzierbarkeit der Ergebnisse. Im „CRACK IT 36: Animal-free in
vitro“-Wettbewerb sollen deshalb von Tieren stammende Produkte durch genau
definierte und reproduzierbare Alternativen ersetzt werden.
Keine tierischen
Komponenten mehr in Zellkultur-Nährlösungen
Prof. Henner Hollert und Dr. Andreas Schiwy von der Abteilung für
Evolutionsökologie und Umwelttoxikologie der Goethe-Universität und LOEWE
Zentrum TBG wollen in ihrem Projekt zusammen mit der Umwelttoxikologin Prof.
Beate Escher vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) Leipzig sowie dem Unternehmen
BiodetectionsSystems aus Amsterdam und Scinora aus Heidelberg Alternativen zu
den Tierkomponenten finden.
In einem ersten Schritt sollen zunächst chemisch-definierte
Nährlösungen – ohne tierische Komponenten – für Zellkulturen entwickelt werden.
Solche Nährlösungen sind bei der Herstellung von Medikamenten bereits üblich,
unter anderem aus Sicherheitsgründen. Denn so wird ausgeschlossen, dass über
das Kälberserum Krankheiten wie zum Beispiel BSE (Bovine spongiforme
Enzephalopathie) übertragen werden.
Bisher gibt es nur wenig solcher Systeme für toxikologische
Prüfungen, weil die benötigten Mengen im Vergleich zur pharmazeutischen
Produktion gering sind. Zu ihrer Entwicklung muss man die Stoffwechselprozesse
der Zellen genau kennen.
Verzicht
auf Laborratten
In einem zweiten Schritt wollen die Forscherinnen und Forscher den
Enzymcocktail aus Laborratten ersetzen, indem sie stattdessen die zu testenden
Substanzen von Leberzelllinien verstoffwechseln lassen. Die Leberzelllinien
sollen unter chemisch definierten Kulturbedingungen gezüchtet werden.
Anschließend sollen die Stoffwechselprodukte extrahiert und ihre Wirkung in den
angepassten toxikologischen Zellkulturen getestet werden, die im ersten Schritt
entwickelt wurden.
Hollert und sein Team prüfen das Verfahren zunächst an der
Modellsubstanz Benzo[a]pyren
testen, die zum Beispiel in Zigarettenrauch enthalten ist. In der menschlichen
Leber wird Benzo[a]pyren in
giftige Stoffe umgewandelt, die Schäden an der DNA von Zellen hervorrufen und
das hormonelle Gleichgewicht beeinträchtigen.
Die Fördersumme beträgt im der ersten Phase 100.000 Pfund,
umgerechnet rund 114.000 Euro. Die Forscher können sich nach erfolgreicher
Evaluation noch im gleichen Jahr für eine zweite Phase des Wettbewerbs
bewerben, in der umgerechnet rund 685.000 Euro über weitere drei Jahre möglich
sind.