„Eugenische Phantasmen“: Dagmar Herzog rekonstruiert in ihren Adorno-Vorlesungen die moralpolitischen Debatten um den Wert von Leben mit Behinderung
FRANKFURT. Die US-amerikanische Historikerin Dagmar Herzog hält die
diesjährigen Frankfurter Adorno-Vorlesungen, die das Institut für
Sozialforschung in Zusammenarbeit mit dem Suhrkamp Verlag veranstaltet. Die
Reihe, die an drei aufeinander folgenden Tagen im Livestream übertragen wird,
trägt den Titel „Eugenische Phantasmen: Behinderung, Macht, Moral“ und beginnt
am
Mittwoch, 23. Juni, 18:30 bis 20:30 Uhr
im
Livestream unter https://youtu.be/HVFXaU43yns
mit der ersten Vorlesung, die
sich mit dem Thema „Liebe, Geld, Mord (1900–1950)“ befasst.
Wie wurden die moralpolitischen
Debatten um den Wert von Leben mit Behinderung in Deutschland vom ausgehenden
19. Jahrhundert bis in die Gegenwart geführt? In einem Zeitraum, in dessen
Mitte der nationalsozialistische Massenmord stand? Die Zeithistorikerin Dagmar
Herzog spannt in ihren Vorlesungen einen Bogen von der
fürsorglich-paternalistischen Pflege in christlichen Heilanstalten vor 1900 bis
zur Abwehr der AfD-Angriffe in den 2010er Jahren. Moderiert werden die drei
Vorlesungen von Prof. Dr. Martin Saar, der an der Goethe-Universität politische
Philosophie lehrt.
Wie konnte sich ein
theologisches Paradigma, dem zufolge sich Gott besonders unter den
Allerschwächsten entfaltet, in ein verbrecherisches Denken verkehren? Und wie
hängt dies mit der Irritation über eine (angeblich jüdisch forcierte) sexuelle
Liberalisierung in der Weimarer Zeit zusammen? Wie haben sich in der
Nachkriegszeit doch Argumente für den Wert des Lebens mit Behinderung
durchgesetzt, so dass heute Menschen mit Behinderung als Subjekte respektiert
und nicht mehr als Objekte der Fürsorge oder der Diskriminierung
geringgeschätzt werden? Diesen Fragen geht Herzog nach, sie nimmt dabei drei
sich überlappende Zeitspannen in den Blick und zeigt, dass die komplexe
Beziehung zwischen Tatsachen und Interpretation bis heute eine zentrale Rolle
für den Umgang der gesellschaftlichen Mehrheit mit Behinderung spielt.
Dagmar Herzog ist Distinguished Professor of History
am Graduate Center der City University of New York. Sie hat
zahlreiche Bücher zur Geschichte der Religion, zur Sexual- und
Geschlechtergeschichte in der Moderne geschrieben. Für ihre Forschung wurde sie
2014 mit dem Distinguished Achievement Award der Holocaust Educational
Foundation ausgezeichnet.
Die Frankfurter
Adorno-Vorlesungen
Seit 2002 veranstaltet das
Institut für Sozialforschung in Zusammenarbeit mit dem Suhrkamp Verlag jährlich
Vorlesungen, die an drei Abenden an Theodor W. Adorno erinnern sollen. Dabei
geht es nicht um eine philologische Ausdeutung seines Werks, sondern darum,
seinen Einfluss auf die heutige Theoriebildung in den Humanwissenschaften zu
fördern und die lebendigen Spuren seines interdisziplinären Wirkens in den
fortgeschrittenen Strömungen von Philosophie sowie Literatur-, Kunst- und
Sozialwissenschaften sichtbar zu machen.
Die Termine:
Mittwoch, 23. Juni, 18:30 bis 20:30 Uhr
Liebe, Geld, Mord (1900–1950)
https://youtu.be/HVFXaU43yns
Donnerstag, 24. Juni, 18:30 bis
20:30 Uhr
Wie erkennt man ein Verbrechen?
(1940–1990)
https://youtu.be/HC2x8gmrAos
Freitag, 25. Juni, 18:30 bis
20:30 Uhr
Die lang erkämpfte
Menschwerdung (1980–2020)
https://youtu.be/qOMWWflNMmo
Ein Bild von Prof. Dr. Dagmar Herzog finden Sie zum Download unter: http://www.uni-frankfurt.de/102361576
Bildtext: Die Zeithistorikerin Prof. Dr. Dagmar Herzog hält in diesem Jahr
die Adorno-Vorlesungen. (Foto: privat)
Informationen:
Almut
Poppinga
Institut
für Sozialforschung
an
der Johann Wolfgang Goethe-Universität
Senckenberganlage
26
60325
Frankfurt am Main
E-Mail:
poppinga@em.uni-frankfurt.de
www.ifs.uni-frankfurt.de
Redaktion: Dr. Anke Sauter, Referentin für
Wissenschaftskommunikation, Abteilung PR & und Kommunikation, Telefon 069 798-13066, E-Mail sauter@pvw.uni-frankfurt.de