LOEWE-Forschungsprojekt Religiöse Positionierung (RelPos)

Teilprojekt 1.3 „Konstellationen religiöser Positionierung in der Dynamik europäisch-asiatischer Kulturkontakte im 17./18. Jahrhundert“

Weltweit werden angesichts gewaltförmiger Konflikte, in denen religiöse Pluralität und Differenz eine hochbrisante Rolle spielen, kontroverse Debatten über das zwiespältige, weil gleichermaßen sinnstiftende wie zerstörerische Potential von Religionen in einer globalisierten Welt geführt. Vor diesem Hintergrund untersucht das LOEWE-Schwerpunktprojekt "Religiöse Positionierung" (RelPos) mit Hilfe eines innovativen Theorieansatzes die Funktion religiöser Positionierungen in historischen wie gegenwärtigen jüdischen, christlichen und islamischen Kontexten hinsichtlich des Umgangs mit religiöser Vielfalt und Differenz.

Die Professur für Religionswissenschaft beteiligt sich an diesem Forschungsvorhaben mit dem Teilprojekt 1.3 „Konstellationen religiöser Positionierung in der Dynamik europäisch-asiatischer Kulturkontakte im 17./18. Jahrhundert“.

 
 

Prozesse und Akte von Positionierung lassen sich mit Antony Giddens als eine 'Kontinuität sozialer Praktiken' verstehen, welche in konkreten Raum/ Zeit-Achsen die spezifische Identität der betreffenden Person konstituieren. Giddens fokussiert vor allem die Interaktion von Akteuren, deren Handlungen jeweils als durch implizites Wissen angeleitete, körperlich verankerte Routinen aufgefaßt werden. Identitätsmuster und Rollenverhalten sind diesbezüglich von erheblicher Bedeutung. Wenn aber solche Routinen unterbrochen werden entstehen noch einmal ganz andere Dynamiken und Prozesse, die wir mit dem Begriff des Transfers zu erfassen suchen.

An der Professur analysieren Dr. Karsten Schmidt und Ulrike Kollodzeiski M.A. anhand von zwei Einzelfallstudien historische Reiseberichte, die durch ihre Akteure auf je besondere Weise religiös motiviert sind.


 Forschungsvorhaben

Dissertationsprojekt Ulrike Kollodzeiski (beendet 2020)

Beendet 2020:

Ulrike Kollodzeiski, Die Ordnung der Religionen: Die Vermittlung von Okzident und Orient im Reisebericht ‚Viaggi‘ von Pietro Della Valle (1586–1652). Würzburg: Ergon, 2020.

Veröffentlichungen zur persischen Risāla von Pietro Della Valle:

Catherina Wenzel, “Pietro della Valle’s Risāla on ‘Some Matters Related to Christianity’. A Critical Edition.” Midéo 35 (2020), Les interactions entre šīʿites imāmites et chrétiens, 217-44 (http:// journals.openedition.org/mideo/5526) (edition princepts des persischen Textes)


Catherina Wenzel, “Pietro della Valle, a Treatise on Some Matters Related to Christianity,” in Christian-Muslim Relations, Primary Sources 600 – 1914, David Thomas (ed.), vol. 2, Bloomsbury, 2023, 50-3 (kurz englische Übersetzung)

Catherina Wenzel, Katholisch-schiitische Positionierungen im safawidischen Iran. Die persische Risāla von Pietro Della Valle Il Pellegrino, (Religiöse Positionierungen in Judentum, Christentum und Islam, hg. von Christian Wiese und Nina Fischer), Berlin (DeGruyter), 2024 (forthcoming, deutsche Übersetzung mit Kommentar)


Post-Doc Projekt Dr. Karsten Schmidt

Es geht um den Jesuiten-Missionar Ippolito Desideri (1684-1733), der zwischen 1713 bis 1727 durch Indien (Goa und muslimisches Mogulreich), Kashmir und Ladakh bis Tibet reiste, wo er sich von 1715 bis 1721 aufhielt. Er gewann Schutz und die Förderung durch den mongolischen Statthalters Lha bzang Khan, studierte in den Klöstern Ramoche und Sera (Lhasa) und lehrte nach eignen Angaben dort das Christentum. Während andere Missionare, die vor ihm im Tibet tätig waren, den Buddhismus zumeist aus der Vermittlung von Persisch sprachigen muslimischen Gewährspersonen erhielten, gelang es Desideri, seine Studien so zu vertiefen, dass er mit Mönchen und Lamas in einen direkten Dialog treten konnte. Neben einem Reisebericht verfasste er insgesamt 5 christlich apologetische Werke auf Tibetisch.

Wer hat Angst vor dem Nichts? Die europäische Buddhismusrezeption als Positionierung zum Nihilismus (Band 5 von Religiöse Positionierungen in Judentum, Christentum und Islam, DeGruyter, Veröffentlichung vorraussichtlich 2024):

Die europäische Wahrnehmung des Buddhismus hat extreme Wandlungen vollzogen. Das liegt nicht nur an der intensivierten Begegnung und gesteigertem Wissen, sondern wesentlich an den sich verändernden Verstehensbedingungen im Zuge geistesgeschichtlicher Umbrüche in der Moderne, in deren Zentrum der Diskurs um Nihilismus steht. Während christliche Missionare und Intellektuelle ab dem 16. Jahrhundert im Buddhismus eine gottlose Verehrung des Nichts erkannten, bieten heute viele Gemeinden buddhistisch basierte Formen von Meditation an und Theologen oder Religionsphilosophen betonen die Gemeinsamkeiten in der Mystik. Der postulierte Nihilismus war eine Reaktion auf den Glaubwürdigkeitsverlust christlicher und klassisch-metaphysischer Denkweisen und verlangte nach alternativen Ansätzen. In der Philosophie und Theologie wich der Transzendenzbezug einer zunehmenden Betonung der Immanenz, der Substanzbegriff einem Denken in Relationen und die Hoffnung auf begriffliche Erfassung der Wirklichkeit einer Öffnung für ihre Unverfügbarkeit. Im Zuge dessen ergaben sich neue Anknüpfungsmöglichkeiten an buddhistisches Denken, die exemplarisch nachvollzogen und kritisch beurteilt werden sollen.

Weitere Informationen auf der RelPos-Homepage.


Mit diesen beiden Arbeiten werden zwei herausragende Einzelbeispiele fokussiert, die im Zentrum des katholischen Christentums ihren Ausgang nehmen. An ihren Zielorten befinden sich Pilger und Missionar religiös in der Minderheit. Sie müssen sich mit der jeweiligen Mehrheitsreligion vor Ort auseinandersetzen, mit dem sich gerade etablierenden schiitischen Islam in Persien bzw. mit der Gelug-Schule (Ganden-Tradition) des Vajrayana-Buddhismus in Tibet. Ferner gilt, dass sowohl auf den weiten lang andauernden Reisen und in beiden Zielgesellschaften eine größere Pluralität an Religionen und ethnischen Gruppen zu finden sind, als in ihrer Heimat. Außerdem ergeben sich Gemeinsamkeiten daraus, dass beide Indien (Mogulreich) von Goa aus erkundet haben. Diese regionalen Überschneidungen, sowie die Beziehungen beider Akteure zur Congregatio de Propaganda Fide (gegründet von Papst Gregor XV. 1622), erlauben u.a. vergleichende Analysen.

Das Projekt hat eine historische bzw. ethnohistorische und eine methodische Perspektive, die vor allem wissenssoziologisch und hermeneutisch ausgerichtet ist.