Dissertationsprojekte
Herr, Julius: Komplexes
legendarisches Erzählen. Narrativierung von Heiligkeit im Sente Servas, Heiligen
Georg und Barlaam und Josaphat.
In meiner
Dissertation gehe ich den narrativen Verfahren von amplifizierten Langlegenden
des 13. Jahrhunderts nach und frage, wie ihre ausgeschmückte, expansive
Erzählweise zu einer plausiblen Vermittlung von Heiligkeit beiträgt. Im
Mittelpunkt der Arbeit stehen Heinrichs von Veldeke Sente Servas, Reinbots
von Durne Heiliger Georg und Rudolfs von Ems Barlaam
und Josaphat. Als Vergleichsfolie werden zudem die reduktiven
Erzählstrategien kürzerer Legendenfassungen in den Blick genommen. Unter
besonderer Berücksichtigung von amplifizierenden Wiederholungsstrukturen –
verstanden als paradigmatisch repetitive Entfaltung spezifischer Thematiken
über die gesamte epische Breite der Texte hinweg – unterziehe ich die Texte
einem close reading und versuche aufzuzeigen, dass gerade
durch die nur vermeintlich einsinnige Wiederholung des Immergleichen
vielfältige und vielsinnige Facetten von Heiligkeit erzählerisch verhandelt
werden. (Bildnachweis: Barlaam auf dem Weg
zum König, Los Angeles, The J. Paul Getty-Museum, Ms. Ludwig XV 9, fol. 38v.)
Habermehl,
Jan: Geodaisia deutsch. Messlehren des 16. Jahrhunderts
(das Projekt ist abgeschlossen)
Meine Arbeit beschäftigt sich mit dem äußerst disparaten Textkorpus frühneuzeitlicher deutschsprachiger Drucke und Handschriften geodätischen Inhalts. Diese, ich nenne sie ‚Messlehren', werden erstmalig aus einer textwissenschaftlichen und medienhistorischen Perspektive untersucht, um zum einen eine derzeit bestehende germanistische Forschungslücke zu schließen und zum anderen einen Beitrag zur Geschichte des Buchs als Text-Bild-Objekt zu leisten, das sich in diesem Fall in sehr unterschiedlichen fach- bzw. wissens- und gebrauchsliterarischen Traditionslinien, didaktischen, rechtlichen, sozialen oder politischen Gebrauchssituationen sowie komplexen Verstehens- und Rezeptionszusammenhängen verorten lässt. Aus diesem Grund ist das Korpus besonders geeignet, bisherige Überlegungen zu den Spezifika fachthematischer Schriftkommunikation zu überdenken.
Die Dissertation entstand im Rahmen des von Christina Lechtermann geleiteten DFG-Projekts Geometria Deutsch. Druckwerke der praktischen Geometrie bis gegen Ende des 16. Jahrhunderts.
Gerber, Jennifer: „Mir ist so digk vor gesait“ Studien zur erzählerischen
Gestaltung des Meleranz von dem Pleier
Für vormoderne Texte gehen wir in der Regel von einer
anthropomorphen Erzählerfigur aus. Die Stimme dieser Figur hat entschiedenen
Einfluss auf das Erzählen. So beeinflussen bspw. Erzählerkommentare mitunter
das Verständnis des Textes, Rückblicke und Vorausdeutungen tragen zur Ökonomie
des Erzählens bei, schaffen jedoch auch Momente der Prägnanz, indem auf
bestimmte Details der Erzählung fokussiert wird usw. Im Meleranz –
Pleiers (vermutlich) letzten Artusroman – wird eine solche exponierte
Erzählerstimme jedoch nicht genutzt. Zwar stellt sich im Prolog der Pleier als
Erzähler des Textes vor, jedoch nimmt er im Verlauf der Erzählung eine nahezu
deskriptive Haltung ein. Es stellt sich damit die Frage, welche Verfahren und
Strategie im Erzählen angewendet werden, um trotz des nur subtil auftretenden
Erzählers die Narration zu vollziehen.
Chalupa-Albrecht,
Anna: Moment des Materials. Materialitätsbehauptungen legendarischer und
höfischer Texte (das Projekt ist abgeschlossen)
Die Arbeit
untersucht vormoderne Inszenierungen von Materialität. Gefragt wird etwa nach
der erzählerischen Inszenierung einer materialen ‚Wirkmacht', also dem
Bedingungsgefüge eines material ausgelösten ‚Weiter'- oder ‚Wiederwirkens'
in den Wunderserien des Passionals, welches die eigene
textuelle Materialität – so die These – auf Basis einer der
Verehrungspraxis entliehenen Reflexionsfigur, nämlich des Reliquiars entwirft.
Weiters sollen Diffusionen solcher legendarischen Inszenierungen – eines artifiziell verbürgten ‚Wirkens' – in den höfischen
Erzählstoffen in den Blick genommen und der dort beobachtbare Geltungsanspruch
immersiver Lektüre als Ergebnis materieller Verfasstheit fokussiert werden. In
einem dritten Teil stehen die Vertextungsmuster und Formungen
texttragender Artefakte zur Disposition.
Wick, Maximilian: Kosmogenetisch
erzählen: Poetische Mikrokosmen in philosophischer und höfischer Epik des
Hochmittelalters (das Projekt ist abgeschlossen)
Den methodischen Ausgangspunkt der Studie bildet die
Annahme einer diskursiven Gemengelage, einer Textlandschaft aus verstreuten und
zumeist nur auf indirekten Wegen miteinander verbundenen Einheiten. Sie widmet
sich poetischen Positionierungen zu kosmologischen Problemfeldern in
lateinischen und deutschsprachigen Epen des Hochmittelalters; u.a. der Cosmographia, dem Architrenius, dem Laborintus, Flore und Blanscheflur,
dem Wigalois sowie
der Crône. In
exemplarischen Analysen wird ein gemeinsames Diskursnetz plausibilisiert, das
sich im Bereich jeweils kosmologisch fundierter anthropologischer,
epistemologischer sowie poetologischer Fragehorizonte vor allem in
Verschiebungen, Überlagerungen und Synkretismen konkretisiert und einem
einsträngigen Fortschrittsnarrativ entgegensteht.
Masterarbeiten
Kleinfelder, Christof Markus: De mynnen rede und ihre textuelle Umgebung im Codex 426 (rot)
/ 195 (schwarz) (früher B 25) der Stiftsbibliothek Göttweig (das Projekt ist
abgeschlossen).
Die Arbeit befasst sich mit der De
mynnen rede, einer Leben-Jesu-Darstellung aus dem 14. Jahrhundert, die in
knapper Form von der Schöpfung, dem Sündenfall, dem Streit der vier Töchter
Gottes vor dessen Thron, der Geburt und Kindheit Jesu sowie dessen öffentlichen
Wirken berichtet, bei gleichzeitiger Auslassung von Passion und Auferstehung.
Die Arbeit ist in zwei Teile aufgeteilt: Im ersten Teil (I. Edition) wird
zunächst die bisherige Forschung zum Text referiert. Im Anschluss daran liegt
der Fokus auf der Überlieferung der De mynnen rede und ihrem Textzeugen,
bevor dieser erste Teil mit dem Abdruck einer neuen Lesefassung abgeschlossen
wird.
Der zweite Teil (II. Untersuchung) bietet eine Analyse der De mynnen
rede. Hierbei richtet sich der Blick vor allem auf den Aufbau und die
Gliederung der Dichtung, die darin enthaltenen lateinischen Zitaten bzw.
Phrasen und das allegorische Motiv des Streites der vier Töchter Gottes. Zudem
richtet sich der Blick auf den Erzählmodus der De mynnen rede und wie
dieser von anderen Formen des Erzählens abzugrenzen ist. Dabei wird auch eine
Abgrenzung der De mynnen rede von der ähnlich klingenden, neuzeitlichen
Gattung ‚Minnerede' vollzogen. Den Abschluss bilden schließlich Überlegungen
zum textuellen Umfeld der Dichtung innerhalb des Codex. (Bildnachweis: Göttweig, Stiftsbibliothek, Codex 426 (rot) / 195 (schwarz) (früher B 25),
fol. 105v)
Kipke, Malin: Die Apokalypse des Pseudo-Methodius in der Melker Handschrift cod. 1560 (das Projekt ist abgeschlossen).
Als direkte Reaktion auf die islamische Expansion im siebten Jahrhundert in Syrien entstanden, verbreitete sich die Apokalypse des Pseudo-Methodius innerhalb weniger Jahrzehnte in zahlreichen Übersetzungen und war ab dem achten Jahrhundert auch im deutschsprachigen Raum weit bekannt. Die erste überlieferte Übersetzung ins Deutsche erfolgte jedoch erst Mitte des 15. Jahrhunderts in zwei zeitnah entstandenen, von einander unabhängigen Handschriften aus Melk und Brüssel. Die Apokalypse des Pseudo-Methodius verknüpfte christliche Vorstellungen aus Bibel und Apokryphen mit tatsächlichen Ereignissen der islamischen Expansion, um diese im eschatologischen Sinne auszulegen. Im Rahmen der Arbeit wird erstmalig eine Edition der Melker Handschrift vorgenommen, welche durch einen übersetzungskritischen Fußnotenapparat unterstützt wird, der weitere Lesarten der Brüsseler Handschrift sowie zweier lateinischer Editionen anbietet. In einem anschließenden Stellenkommentar werden soziohistorische Bezüge zur Kulturgeschichte erläutert und Parallelstellen zu anderen Texten ausgewiesen. (Bildnachweis: Stiftbibliothek Melk, cod. 1560, 223r)
Celik, Reyhan: Die handschriftlichen deutschen Sultansbriefe. Überlieferung - Transkription - Strategien der Wahrheitsinszenierung (das Projekt ist abgeschlossen).
Die Vielfalt an europäischen Texten des Mittelalters über die Osmanen wird unter dem Gattungsbegriff der Turcica zusammengefasst. Zu diesen gehören die fiktiven Sultansbriefe, die ebenfalls von der sogenannten Türkenfrage geprägt waren und in denen die westliche Vorstellung von den Osmanen, die sogenannte Imago Turci, verarbeitet wurde. Die Arbeit untersucht die Überlieferungsverbünde der handschriftlichen Sultansbriefe und bietet exemplarisch Transkriptionen der vier deutschsprachigen als ‚Lesetexte'. Im Rahmen einer literaturwissenschaftlichen Analyse werden zudem die Strategien der Wahrheitsinszenierung in den Briefen untersucht. Denn unabhängig davon, ob Zeitgenossen die Briefe für ‚echte' Schreiben und glaubhaft hielten oder sie als unterhaltende literarische Fiktionen rezipierten, suggerieren die Texte einen Wahrheitsgehalt. Die Verfasser verwendeten Mittel der Wahrheitsinszenierung bzw. Fälschungsstrategien, um die Briefe als authentisch darzustellen. Diese werden in der vorliegenden Arbeit benannt und erläutert.
Seidt, Johanna: Der Frankfurter Arzt Georg Kloß als Handschriftensammler und Philologe in
der Entstehungsphase der Germanistik (das Projekt ist abgeschlossen).
Die Arbeit präsentiert den weitgehend
unbekannten Büchersammler Georg Kloß (1787-1854) als einen Akteur in der
Entstehungsphase der Germanistik. Anhand von Autographen, die sich in der
Frankfurter UB befinden, wird gezeigt, dass Kloß in engem Austausch mit anderen
Handschriftensammlern und mit den bekannten frühen Germanisten gestanden hat.
Dabei hat er nicht nur Handschriften verliehen um die Textgrundlage für
zeitgenössischen Editionen zu verbessern, sondern auch selber mindestens eine
eigene Edition mittelalterlicher Texte erarbeitet.
Müller, Florian: Ausfahrt in die
Heldendichtung: Überlieferungskontext und Aufführungsfiktion des 'Herzog Ernst
G' (das Projekt ist abgeschlossen).
In der Reihe der Herzog Ernst-Fassungen
nimmt die Fassung G eine Sonderposition ein. Anstelle des Todes der indischen
Prinzessin setzt Herzog Ernst G deren Rettung mit anschließender
Rückführung nach Indien, Heirat des Protagonisten und Übernahme der Herrschaft
über den Orient. Eng geknüpft an die inhaltlichen Änderungen sind eine formale
Überarbeitung der Verserzählung von Herzog Ernst zum strophischen Heldenlied im
Kontext des Dresdener Heldenbuches sowie die Beigabe eines fingierten
performativen Kontextes. Diese spezifische Überlieferungssituation, zusammen
mit den Abweichungen von späteren Druckfassungen, wirft Fragen auf zum
Verhältnis von Textgestaltung und Überlieferungskontext, Schriftlichkeit und
Mündlichkeit, dem performativen Anspruch ans Erzählen und der Konstitution von
Genre in der Sammelhandschrift.