03.06.2021 - In memoriam Prof. Dr. Dr. Wolf-Eckart Failing (13. Mai 1944 – 24. Mai 2021)

Der Fachbereich gedenkt in Dankbarkeit

Veröffentlicht am: Donnerstag, 03. Juni 2021, 09:00 Uhr (2021-06-03)

Am 24. Mai 2021 verstarb unser Kollege, Professor im Ruhestand Wolf-Eckart Failing im Alter von 77 Jahren. In der Nachfolge von Dieter Stoodt vertrat er am Fachbereich Evangelische Theologie an der Goethe-Universität in Frankfurt am Main die Professur für Praktische Theologie und Religionspädagogik von 1994 bis 2001. Professor Failing war in der relativ kurzen Zeit seines Wirkens an der Goethe-Universität ein außerordentlich engagierter Forscher und Lehrer. Auch im Bereich der Hochschulpolitik hat er außergewöhnlichen Einsatz bewiesen.

Er brachte für die akademische Arbeit in Frankfurt am Main aus seiner Vorbildung und seiner Tätigkeit an der Ev. Fachhochschule Darmstadt eine breite Palette an Kompetenzen und Erfahrungen mit. Aufgrund einer tragischen gesundheitlichen Beeinträchtigung musste er 2001 vorzeitig vom akademischen Amt Abschied nehmen.

Failing studierte Evangelische Theologie an den Universitäten in Frankfurt am Main, Heidelberg, Tübingen und am Ökumenischen Institut in Bossey (Schweiz), einer Ausbildungseinrichtung des Ökumenischen Rats der Kirchen, später zudem Sozialpädagogik an der TH Darmstadt. Er legte das 1. Theologische Examen bei der Pfälzischen Landeskirche ab. Die Heidelberger Fakultät promovierte ihn 1970 aufgrund einer Dissertation zu Fragen des modernen Pfarramts („Kooperation als Leitmodell“) zum Dr. theol. Im Jahre 1986 promovierte ihn zudem die TH Darmstadt aufgrund einer Studie zur Geschichte der Sozialpädagogik zum Dr. phil.

Seit Beginn seiner Tätigkeit in Frankfurt am Main entwickelte er zusammen mit anderen Kollegen im Fach das Konzept einer „Praktischen Theologie als Wahrnehmungswissenschaft“. Ihr Ziel war es, eine spezifische theologische Sprache für Phänomene unserer heutigen Lebenswelt praxisbezogen zu entwickeln. Die maßgeblich von ihm ab Sommersemester 1994 mit initiierte und geleitete Praktisch-theologische Sozietät fand weit über die Grenzen Frankfurts hinaus Resonanz. Hier entstanden bahnbrechende Veröffentlichungen im Fach wie das 1998 publizierte Werk „Gelebte Religion wahrnehmen. Lebenswelt – Alltagskultur – Religionspraxis“. Zu seinen Arbeitsschwerpunkten in Forschung und Lehre zählten die phänomenologische Grundlegung und Orientierung der Praktischen Theologie. Ein zweiter und im Laufe der Jahre sehr gründlich ausgebauter Forschungsschwerpunkt bezog sich auf theoretische und unterrichtspraktische Fragen einer alltagsorientierten Religionspäd-agogik. Dabei reicht die Spannweite über Fragen der religiösen Sozialisation, der Elementarerziehung, der schulischen Religionsdidaktik, des Konfirmandenunterrichts bis hin zur Altenarbeit.

Weiterhin gab er zur Entwicklung der sich nach der friedlichen Revolution in Deutschland neu formierenden Disziplin der „Gemeindepädagogik“ wichtige Impulse. Die Gründung des „Arbeitskreis Gemeindepädagogik e.V.“ sowie die Vorbereitung und Durchführung entsprechender wissenschaftlicher Symposien gehen maßgeblich auf seine Initiative zurück.

Als origineller und kompetenter Forscher erwies sich Failing schließlich im Bereich der Sozialpädagogik, Sozialarbeit und insbesondere der Sozialgerontologie. In diesem Zusammenhang erwähnenswert sind auch mehrere Beiträge zur Aufarbeitung der Geschichte der religiösen Sozialisten.

Failing brachte neben den wissenschaftlichen Qualifikationen in Theologie und Sozialpädagogik eine breite Palette an interessanten Praxiserfahrungen in den verschiedensten Stationen mit. Nach Beginn der zweiten Ausbildungsphase im Predigerseminar Landau wurde er aufgrund besonderer Eignung von der Kirchenleitung zum Pfarrverweser der Kirchengemeinde Frankenthal bestellt (1968-1970). Von 1970 bis 1974 war er als Verlagslektor im Diesterweg-Verlag mit Zuständigkeit für Religionspädagogik und allgemeine Pädagogik tätig, wobei zu seinen Arbeitsschwerpunkten insbesondere die Erstellung und Erprobung von Schulbüchern, Materialien und Modellen für den Religionsunterricht zählte. Im Rahmen dieser Tätigkeit hat er u.a. das zu seiner Zeit bahnbrechende Schulbuch für den Religionsunterricht der Sekundarstufe 1 „Anpassung oder Wagnis“ herausgebracht. Außerdem war er von 1970 bis 1975 Redakteur der Zeitschrift „Der Evangelische Erzieher“, die bereits damals den Untertitel „Zeitschrift für Pädagogik und Theologie“ trug. In Zusammenarbeit mit den Herausgebern der Zeitschrift (Oberkirchenrat Dr. Karl Dienst, Professor Dr. Henning Schröer, Professor Dr. Klaus Wegenast und Professor Dr. Dietrich Zilleßen) verantwortete er in dieser Zeit u.a. ein Themenheft zur Notwendigkeit einer komparativen, ländervergleichenden Religionspädagogik.

Kennzeichnend für Failings Arbeit in Forschung und Lehre war stets der kritisch-konstruktive Brückenschlag zwischen akademisch-theoretischer Forschung und kirchenleitendem wie kirchenreformierenden Handeln. Es ging ihm dabei darum, in Auseinandersetzung mit Befunden moderner Kirchensoziologie über verändertes kirchliches Teilnahmeverhalten zu erneuerten Perspektiven für die Kirchenreform im Protestantismus zu gelangen. Das motivierte ihn früh schon zu innovativen Experimenten im Bereich professioneller Praxis: Als einer der ersten erprobte und evaluierte er Formen des Teampfarramts. Sein kirchliches Engagement fand seinen Niederschlag ferner in seiner Mitarbeit in den Beratungen der Perspek-tivkommission der EKHN. Der Abschlussbericht „Person und Institution“ 1992 trägt auch seine Handschrift.

Mit vielen Arbeiten hat Failing die entsprechenden Fachdiskussionen maßgeblich mitbestimmt. Er erwies sich als Kenner der Theoriediskussion in der Praktischen Theologie und Religionspädagogik, vermochte Einzelprobleme immer wieder innovatorisch auf den theologischen Gesamtzusammenhang zu beziehen. Ein herausragender Grundzug vieler Veröffentlichungen besteht im erkennbaren Interesse am Theorie-Praxis-Bezug, dabei in der Kombination solider Fachkenntnisse (einschließlich Beschäftigung mit Fragen der Theoriegeschichte) mit innovatorischen Impulsen zur Neugestaltung von praktischen Vollzügen. Sein bildungspolitisches Engagement führte auch zu Aktivitäten außerhalb der Universität. Zu nennen ist hier die maßgebliche Funktion von Herrn Failing bei der Gründung der Comenius-Schule (Freie ev. Schulgemeinde e.V. Darmstadt) in den Jahren 1982 bis 1986.

Der Fachbereich Evangelische Theologie der Goethe-Universität gedenkt seiner in Dankbarkeit.

Für den Fachbereich Evangelische Theologie
Hans-Günter Heimbrock & David Käbisch (Dekan)

Frankfurt, den 3. Juni 2021