Am 21.11.2023 kooperierte das
Institut für deutsche Literatur und ihre Didaktik erstmalig mit dem Frankfurter
Palmengarten im Kontext einer von zwei Studierenden organisierten Lesung mit
dem Titel „Zwischen Palmen und Schmetterlingen. Die Goethe-Universität liest im
Palmengarten“, die als Debüt eine neue Reihe eröffnete. Im Anschluss an eine
eindrucksvolle Führung durch das Schmetterlingshaus las der Berliner
Kunsthistoriker und Literat Boris Friedewald aus seinem 2015 erschienenen Buch Maria
Sibylla Merians Reise zu den Schmetterlingen, in welchem er sich der
Frankfurter Naturwissenschaftlerin, Künstlerin und Malerin Sibylla Merian
widmet. Friedewald erzählt in seinem Buch von Maria Sibylla Merians bemerkenswerter
und für eine Frau im 17. Jahrhundert mutigen Reise nach Südamerika. In Surinam
entdeckte sie außergewöhnliche
Blumen, Schmetterlinge, Raupen und andere Tiere, die sie zeichnete,
klassifizierte und ihre Ergebnisse schließlich in ihrem Werk Metamorphosis
insectorum Surinamensium (1705) veröffentlichte.
Die Universitätsbibliothek Frankfurt bewahrt aus dem Zeitraum zwischen
1647–1717 zahlreiche Schriften und seltene Drucke von ihr auf.
Auch mit dem Frankfurter
Palmengarten verbindet Maria Sibylla Merian eine ganz besondere Vergangenheit,
denn das hier anzutreffende „Blüten- und Schmetterlingshaus“ sollte einst nach
der großartigen Naturforscherin benannt werden. In diesem Sinne war die Zusammenkunft
im „Grünen Salon“ der Villa Leonhardi prädestiniert für die Lesung mit Boris Friedewald. Boris Friedewald ist Autor,
Dramaturg und Kunsthistoriker. Nach seinem Studium der Kunstgeschichte,
Theaterwissenschaft und Pädagogik arbeitete Friedewald als freiberuflicher
Dramaturg, unter anderem für das von Achim Freyer gegründete Freyer Ensemble.
Parallel dazu lehrte er in Berlin Kunst- und Theatergeschichte. Friedewald
publizierte kunsthistorische Werke im Umfeld des Bauhauses, der Fotografie und
Künstlerbiografien.
Die
Lesung wurde gerahmt von einer Führung der Grünen Schule durch das Blüten- und
Schmetterlingshaus. Hier konnten unsere Gäste die Schmetterlinge von der
„Kinderstube“ bis hin zum bunten Flugobjekt durch die Lüfte beobachten. Zu
sehen war neben den vielfältigen Pflanzen die Nahrung der Raupen und der
Schmetterlinge, bis hin zu den Lebensstadien des Schmetterlings – von dem Ei,
über die Raupe und den Cocon bis hin zum bunten Schmetterling.
© Simone Kiefer Photography https://www.simonekieferphotography.com
Unser Dank gilt dem
Förderungsprogramm LitKultur, der Grünen Schule und dem Palmengarten Frankfurt
am Main, die diese Veranstaltung ermöglichten.
Simon Prahl und Hannah Semrau,
13.12.23
Die Volkshochschule Frankfurt bietet ein Studium
Generale – Menschheitswissen in vier Etappen mit dem aktuellen
Schwerpunkt: Mittelalter und Frühe Neuzeit (700 - 1600 n. Chr.) an.
Christof Kleinfelder (30.03.2023) und Hannah Semrau (18.04.2023) aus der
Abteilung Ältere deutsche Literatur der Goethe-Universität
referierten und sprachen mit interessierten FrankfurterInnen über zwei
spannende Themen.
Ausgehend von der Annahme, dass Literatur als Spiegel
und Gedächtnis einer Gesellschaft fungiert, in welcher sie entsteht und in
welche sie das mittelalterliche Menschheitswissen auch wieder einbindet, haben
Christof Kleinfelder und Hannah Semrau mit einem religionsgeschichtlichen und mit
einem nationalgeschichtlichen Thema die wissensgeschichtliche Arbeit der
vormodernen Literatur nachgezeichnet.
Thema 1: Im Spannungsfeld von Kultur und Religion
holte Christof Kleinfelder vormoderne Raum- und auch Zeitentwürfe der
volkssprachlichen Literatur in den Blick, indem er Text- und Bildbeispiele aus
der Biblia pauperum, der Ebstorfer Weltkarte, dem Physiologus und Got
in vier elementen sich erscheinet vorstellte. V.a. anhand von
Ludwins Adam und Eva erläuterte er das typologische Denken des
Mittelalters mit dem Bezug von Eva und Maria sowie Adam und Jesus.
Thema 2: Hannah Semrau referierte über Karl den
Großen, eine der mächtigsten Herrscherfiguren des Mittelalters, deren Wirken
und deren Taten in einer Vielzahl von verschiedenen Bild- und Textzeugen, wie
etwa dem Chanson de Roland, dem Rolandslied des
Pfaffen Konrad und Strickers Karl, verarbeitet wurden. Spuren
seines Wirkens sind bereits in der Literatur des zwölften Jahrhunderts
greifbar. Die mittelalterlichen Handschriften vermitteln in Text und
Illustration aber ganz unterschiedliche Karlsbilder. Sie zeigen den großen
Herrscher als einen christlich Erweckten, als einen Märtyrer, aber auch als
einen Kämpfer und militärischen Strategen. Referiert und hinterfragt wurde, dass
und wie die vormoderne Literatur Karl den Großen als Exempel eines idealen
Herrschers konkretisiert, dessen Taten bis in die heutige Zeit nachwirken.
Wir betrachten mittelalterliche Texte im Studium üblicherweise durch einen Filter. – Der Text begegnet uns meist in der Form moderner gedruckter Editionen und Übersetzungen. Die prachtvollen Handschriften oder dicht geschriebenen Gebrauchstexte verlieren so jedoch eine ganz entscheidende Dimension ihrer historischen Zeugniskraft: ihre individuelle Medialität und Materialität. Das historische Textartefakt wird zugunsten von Verständlichkeit und einer breiteren Benutzbarkeit auf seinen schriftlichen Inhalt reduziert. Die materielle Gestalt geht verloren; die sprachliche Gestalt ist in der Regel Folge der Arbeit des Editors. Dabei transportieren Handschriften mehr als nur den schriftlichen Inhalt: Sie geben uns in ihrer materiellen Beschaffenheit beispielsweise Aufschluss über die handwerklich-technischen Aspekte der Anfertigung. Ihr Erscheinungsbild bezeugt unter anderem das Literaturverständnis einer Epoche, einer Region, einer Gruppe, den Status, den sie einem Text zubilligen, die Bedeutung, die der Autorpersönlichkeit zugemessen wird.
Das Seminar eröffnet die Möglichkeit, im Rahmen einer Editionswerkstatt den Modus der digitalen Textedition an Handschriftenfragmenten der Frankfurter Universitätsbibliothek zu erproben und sich den historischen Textartefakten ungefiltert zu nähern. Wir rücken so im Seminar die einzelne Handschrift bzw. deren fragmentarischen Rest in den Vordergrund. Die Studierenden lernen die Rolle des Texteditors am Beispiel kleinerer Fragmente kennen und werden selbst editorisch aktiv. Um die Möglichkeiten digitaler Texteditionen zu erfassen und die mittelalterliche Medialität im Modus des Digitalen kreativ sichtbar zu machen, werden wir in der Editionswerkstatt Handschriftenfragmente der Frankfurter UB gemeinsam transkribieren und edieren.
Die Editionswerkstatt erstreckt sich über zwei Semester: ein Blockseminar im Sommersemester 2022 und ein Seminar im Wintersemester 2022/23. Es ist nicht verpflichtend, an beiden Seminaren teilzunehmen. Das Seminar im Wintersemester 2022/23 findet ausschließlich während der ersten Hälfte der Vorlesungszeit statt (19.10.-30.11.2022). In diesem Zeitraum werden zusätzlich zu den wöchentlichen Sitzungen zwei Blocktermine (Sa, 12.11. und Sa, 26.11. jeweils von 10:00 bis 18:00 Uhr) gehalten. Die Editionswerkstatt richtet sich in erster Linie an Masterstudierende des Fachs Deutsche Literatur und fortgeschrittene Lehramtsstudierende.
Anmeldung über das Vorlesungsverzeichnis
Seminarleitung: Frau Fröhle (Kontakt: froehle@em.uni-frankfurt.de)
Modulzuordnungen:
Master: GER MA-1+4+5+6; MA 8 (Als forschungsorientiertes Projekt kann das Seminar auch im Rahmen von Modul MA-8 angerechnet werden (5CP)).
LA: alte PO: L 3 FW 5.1+3, 6.1 neue PO: L3 FW 6.1, 7.1
Mittelalterliches ist in
Frankfurt – historisch bedingt – zumeist verborgen. Was für die moderne Bankenstadt
gilt, scheint auf den ersten Blick auch für die etwa 100 Jahre junge
Goethe-Universität zu gelten. Dabei birgt die universitätseigene Bibliothek
beachtenswerte mittelalterliche Schätze wie die Frankfurter Dirigierrolle, die
von höfischen Stoffen – so etwa der unikal überliefernden, in Frankfurt zu
findenden Schwanritter-Handschrift – flankiert wird. Selbst ein Fetzen
von Gottfrieds Tristan, jener zeitübergreifend erfolgreichen
Liebesgeschichte, findet sich im Magazin. Die inzwischen bereits großteils
digitalisierten Handschriften boten den Ausgangspunkt, um eine Überführung einzelner,
bisher vorrangig zur wissenschaftlichen Verwendung gedachter Digitalisate in breitenwirksame
Formen vorzunehmen und diese hier im Rahmen einer kleinen digitalen Ausstellung
unter dem Titel „Verborgenes bergen: Schatzkammer UB JCS“ zu veröffentlichen.
Hier geht es zur Online-Ausstellung
Wer dichtet, muss sich an bestimmte Regeln halten. Was in der Postmoderne,
die immer noch von einer Genieästhetik der Goethezeit geprägt ist, befremdlich
klingen mag, ist im Hochmittelalter eine Selbstverständlichkeit. Dichtung ist
hier – zumindest dem erklärten Selbstverständnis nach – kein Ausdrucksmittel
persönlicher Individualität und Kreativität, sondern ein Handwerk, eine
erlernbare ars. Lehrwerke dieser ars, die sogenannten Poetiken des 12. und 13.
Jahrhunderts bildeten den Forschungsgegenstand des auf zwei Semester
ausgelegten Lehrprojekts (WiSe 19/20; SoSe 20), das den Blick auf die Produktionsbedingungen
mittelalterlicher ‚Literatur' schärfen sollte.
In der ersten Projektphase ging es zunächst darum, grundlegende Aspekte und
Techniken des poetischen Handwerks genauer zu beleuchten, etwa das Primat des
Wiedererzählens bekannter Stoffe, weit verbreitete Topoi in Prologen und
Exkursen sowie Figuren- und Gegenstandsbeschreibungen als geeignete Stellen,
um prestigeträchtig das eigene Können zu demonstrieren. Diese Elemente wurden
dabei stets in der Theorie und am konkreten Textgegenstand, dem artificium,
untersucht und hinsichtlich ihrer unterschiedlichen Gestaltungsmöglichkeiten
befragt. Die Studierenden erhielten mit dieser Perspektive auf die ‚technische'
Seite vormoderner Literatur eine äußerst anschlussfähige Grundlage zur
eigenständigen Erschließung weiterer Texte; nicht zuletzt auch moderner Werke,
die nicht selten Bruchstücke traditioneller Muster erkennen lassen.
In der zweiten Projektphase wurde das Erarbeitete dann ganz im Geiste der
durchaus didaktischen Systematisierungsbestrebungen der Poetiken sowie mit
Blick auf die digitale Wissenskultur für das frei verfügbare MediaeWiki
aufbereitet. Dazu war es zunächst nötig, sich mit den medialen Bedingungen
dieser Form auseinanderzusetzen und die vorher in akademisch-essayistischer
Form verfassten Beiträge entsprechend anzupassen. Entstanden sind dabei unter
anderem die Artikel zur Ekphrasis, also zur verlebendigen
Beschreibungstechnik literarischer Kunstgegenstände sowie zur Beschreibung schöner und hässlicher Figuren,
wie wir sie etwa im Eneasroman Heinrichs von Veldeke
vorfinden.
lesen und verstên -
Mittelhochdeutsche Texte als Hörfassung
Das Projekt zielte darauf ab, durch einen produktionsorientierten Ansatz am Beispiel der s.g. ‚Bilderburg' Runkelstein in Tirol ein Verständnis für zentrale Konzepte vormoderner Medialität zu erarbeiten. Dafür galt es im ersten Teil (Blockveranstaltung im WiSe 18/19 Frankfurt), sich mit den dort als Fresken bearbeiteten Stoffen vertraut zu machen und sie in anschließender Projektarbeit als Hörfassungen umzusetzen. Diese wurden dann im zweiten Teil vor Ort (Brixen/Südtirol) im Rahmen einer Exkursion (Juli 2019) präsentiert und in unmittelbarer Konfrontation mit den mittelalterlichen Bildwerken diskutiert, um Aufschluss über mögliche Rezeptionspraktiken zu gewinnen und so Phänomene semi-oraler Praktiken des Wiedererzählens greifbar zu machen.
Hier gelangen Sie zu den Hörfassungen:
Die Badestube auf Runkelstein (Reyhan Celik und Aurelia Fröhle)
Die Triaden auf Runkelstein (Florian Müller, Malin Kipke, Christof M. Kleinfelder
Musiker,
Ritter, Weltreisender, Schlachtenbummler, Nachwuchsdiplomat, Haudegen und
Schürzenjäger: Kaum ein mittelalterlicher Dichter schlüpft in seinem
literarischen Œuvre in so viele Rollen wie der 1445 verstorbene Südtiroler
Oswald von Wolkenstein. Das Oswald-Bootcamp bot die Gelegenheit, verschiedene
Facetten seines Werks und dessen Rezeption komprimiert in drei Tagen
kennenzulernen.
Ein
starkes Interesse von Studierenden der Älteren deutschen Literatur an der
Johann Wolfgang Goethe-Universität, sich mit ihrer lokalen Fachgeschichte zu
beschäftigen, hat zu einer Reihe von Lehrforschungsseminaren in den Jahren 2016
und 2017 geführt, deren Ergebnisse hier präsentiert werden.