Über das Fach

Was ist Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft?

Die Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft – oft kurz AVL oder auch Komparatistik genannt – ist in Deutschland als Fach nach 1945 neu begründet worden. Dies geschah aus dem Impuls heraus, eine literaturwissenschaftliche Disziplin ins Leben zu rufen, die jenseits der national ausgerichteten philologischen Fächer die Literatur als kulturellen und sprachlich-künstlerischen Ausdruck über die Sprach-, Länder- und Epochengrenzen hinaus in den Blick nimmt.

Die AVL fragt grundsätzlich und theoriegeleitet: Was ist Literatur und warum ist sie wichtig? Was kann Literatur? In welchem Verhältnis steht sie zu anderen Künsten, aber auch zu anderen sprachlichen Ausdrucksformen und Diskursen wie der Alltagssprache, Werbung, Wissenschaft, Philosophie, Psychologie, Recht und der Geschichtsschreibung? Die AVL beschäftigt sich mit Bedeutung, und damit, wie diese in den unterschiedlichen literarischen Gattungen geschaffen wird. Sie fragt zum Beispiel nach der Funktion der Autorschaft für einen Text und nach einem möglichen Unterschied zwischen männlichem und weiblichem Schreiben. Sie will aber auch wissen: Was sagt uns Literatur über Identität? Wie lesen wir Literatur? Was ist Fiktion? Warum brauchen wir Fiktionen, um die Welt (überhaupt oder besser) zu verstehen? Wie übersetzen wir Literatur? Was passiert beim Übergang von einer in die andere Sprache mit dem Verstehen von Sprache und Welt? Wie verändert Literatur unser Lesen, unser Sprechen und unser Denken, unsere Beziehungen zu unseren Mitmenschen, unseren Bezug zur Welt?

Um diese und viele andere Fragen stellen und beantworten zu können, verknüpft die AVL ästhetische mit hermeneutischen Fragestellungen. Sie baut Brücken zwischen den Perspektiven, die sich aus der Philosophiegeschichte von Platon und Aristoteles zu Baumgarten, Kant und Nietzsche, Benjamin und Adorno, Foucault und Derrida ebenso ergeben wie aus der Psychoanalyse und literaturtheoretischen Ansätzen aus Frankreich (Strukturalismus und Poststrukturalismus), England (Cultural Studies) und den USA (New Criticism, Gender Studies, Postcolonial Studies, Ecocriticism...).

Die Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft befasst sich somit mit den vielfältigen Beziehungen zwischen den verschiedenen Sprachen und Kulturen, Medien und Literaturen der Welt. Sie weist Schnittstellen zu anderen Fächern auf wie etwa Philosophie, Kunstgeschichte, Theater-, Film- und Medienwissenschaft, Soziologie, Rechts- und Religionswissenschaften, Historische Ethnologie, Linguistik und Politikwissenschaft und Psychologie. Am Frankfurter Institut für Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft können Studierende von einer sehr engen Vernetzung und Kooperation dieser einzelnen Fächer profitieren.

Für wen ist ein Studium der Allgemeinen und Vergleichenden Literaturwissenschaft geeignet?

Für alle, die Lust am Lesen haben, die sich für die oben genannten Fragestellungen begeistern können, die bereit sind zu lernen, sich mit fremdartigen theoretischen und literarischen Texten auseinanderzusetzen und die Grenzen ihres Verstehens dadurch immer wieder zu erweitern. Eine wichtiger Eckstein des Faches besteht in der Konfrontation mit den Texten in ihrer jeweiligen Originalsprache – im Studium in Frankfurt ist dies besonders oft Englisch oder Französisch –, gegebenenfalls im Verhältnis zu Übersetzungen. Die Bereitschaft, ein Semester an einer ausländischen Universität zu verbringen, zum Beispiel im Rahmen des Erasmus-Programms an einem unserer Partnerinstitute, wird von den Dozent_innen ausgesprochen unterstützt.

Welche beruflichen Perspektiven bieten sich mir nach dem Studium?

Das Studium der Allgemeinen und Vergleichenden Literaturwissenschaft vermittelt Schlüsselkompetenzen, die in vielen beruflichen Bereichen zunehmend gefragt sind: Fremdsprachenkenntnisse, Kenntnisse diverser Kulturen, eine hohe Lesekompetenz (d.h. die Fähigkeit, auch schwer verständliche Texte kritisch zu durchdringen); die Fähigkeit, schnell und gezielt zu komplexen Themen und Fragen Wissensstände systematisch aufzuarbeiten und profunde wissenschaftliche Recherche zu betreiben sowie die Fähigkeit, Wissen und Forschungsergebnisse klar und reflektiert sowohl mündlich als auch schriftlich zu präsentieren und zur Diskussion zu stellen. So eröffnet ein Studium der AVL ein vielfältiges Feld möglicher Berufsperspektiven.

Unsere Absolventinnen und Absolventen finden nach dem Studium Anstellungen in privaten oder staatlichen Kultur- und Bildungsinstitutionen, im Kulturmanagement und in der Publizistik, in Verlagen und Übersetzungsbüros, bei Rundfunksendern, Theatern, Bibliotheken und Museen oder in der Öffentlichkeitsarbeit und im Marketing verschiedenster Unternehmen. Der rege Kulturbetrieb der Stadt Frankfurt bietet dafür zahlreiche Möglichkeiten, die auch bereits im Rahmen von Praktika und studentischen Nebentätigkeiten wahrgenommen werden können. Die Erfahrungen aus der Vergangenheit zeigen, dass die Absolventinnen und Absolventen der AVL sehr gut auf den Arbeitsmarkt vorbereitet sind.

Wer sind wir?

Das Institut für AVL in Frankfurt ist ein selbstständiges Institut. Auf Grund der geringen Größe können wir eine persönliche Betreuung der Studierenden gewährleisten sowie zahlreiche Initiativen anbieten, wie etwa die regelmäßig stattfindenden Ringvorlesungen zu zentralen Themen, Autor_innen und Fragen der AVL, aber auch Tutorien, Exkursionen, Workshops und Gastvorträge, die das Seminarangebot ergänzen. Die Lehre vollzieht sich vor allem in Seminarform zu unterschiedlichen Themen, Fragestellungen und literarischen Epochen und Gattungen. Eine zentrale Grundlage der Seminare ist die gemeinsame Diskussion der jeweils vor der Sitzung gelesenen Texte.

Die Forschungsschwerpunkte der Dozent_innen am Frankfurter Institut liegen derzeit in folgenden Bereichen:

  • Französische und deutsche Literaturtheorie (Hermeneutik, Dekonstruktion, Diskursanalyse...)
  • Ästhetik und Poetik von Aristoteles bis in die Gegenwart
  • Deutscher Idealismus und europäische Romantik
  • Kritische Theorie (Walter Benjamin, Siegfried Kracauer, Theodor W. Adorno...)
  • Psychoanalyse und Literatur: (Sigmund Freud, Jacques Lacan, Melanie Klein, Donald Winnicott, Winfried Bion...)
  • Europäische Literatur der frühen Neuzeit (Shakespeare, Dante, Cervantes)
  • Amerikanische Gegenwartsliteratur (Thomas Pynchon, Philip Roth, David Foster Wallace, Anne Carson...)
  • Französische Literatur vom 17. Jahrhundert bis in die Gegenwart
  • Europäischer Spätrealismus (Émile Zola, Henry James, Thomas Hardy, George Bernard Shaw, Arthur Schnitzler, Anton Tschechow…)
  • Übersetzung und Übersetzungstheorie
  • Antike-Rezeption
  • Gender Studies
  • Lyrik und Lyriktheorie
  • Holocaust-Literatur
  • Literatur und Recht
  • Liminalität (Literatur und Ethnologie)
  • Ecocriticism
  • Medientheorie

In unseren Seminaren und Veranstaltungen werden Sie im Laufe des Studiums mit Texten aus der Bibel, von Platon, Aristoteles, Sophokles und Homer, Ovid, Dante, Shakespeare, Goethe, Rousseau, Hölderlin, Annette von Droste-Hülshoff, Balzac, Virginia Woolf, Freud, Kafka, Proust, Borges, Achebe, David Foster Wallace, Herta Müller und vielen weiteren Autorinnen und Autoren der Weltliteratur begegnen.