Geschichte der Wissenschaftlichen Gesellschaft

Die "Wissenschaftliche Gesellschaft an der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt" ist aus der am 27. Juli 1906 von Professoren der dortigen neu errichteten deutschen Universität gegründeten "Straßburger Wissenschaftlichen Gesellschaft" hervorgegangen, die sich wiederum auf elsässische Vorbilder bis zur Humanistenvereinigung Jakob Wimpfelings (um 1500) berief.

Obschon nach der Rechtslage als privater Verein, finanziert durch Erbschaften u.a. des Verlegers Karl Trübner, gegründet, fiel der Gesellschaft bald faktisch die Rolle einer Akademie der Wissenschaften des Reichslandes zu, obschon eine formelle Erhebung in diesen Rang an finanziellen Fragen und dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs scheiterte. Sie zählte schon früh hochrenommierte Gelehrte zu ihren Mitgliedern, darunter den dritten Vorsitzenden, den deutsch-jüdischen Gelehrten Harry Bresslau, einen der bedeutendsten deutschen Mediävisten, die Theologen Albert Erhard, Michael Faulhaber, den Juristen Paul Laband, die Mediziner Friedrich von Recklinghausen und Otto Wilhelm Madelung, den Physiker Emil Kohn, den Kunsthistoriker Georg Dehio, die Historiker Friedrich Meinecke und Walter Goetz, den Arabisten Theodor Nöldeke, den Papyrologen Otto Gradenwitz und den Altertumswissenschaftler Eduard Schwartz, Herausgeber der epochalen Ausgabe der alten Konzilien, neben papyrologischen Publikationen das Glanzstück der Gesellschaft.

Ende 1918 musste sie nach Heidelberg verlegt werden. Ihr Vorsitzender Bresslau wurde als "pangermaniste militant" von den Franzosen ausgewiesen. Da die jetzt vielfach stellungslosen Straßburger Mitglieder in alle Winde zerstreut waren, war es für die Gesellschaft, die 1920 ihre speziellen Bezüge zu Elsass-Lothringen, freilich ohne Änderung des Namens, aus der Satzung entfernte, schwer, zu normaler Aktivität zurückzukehren. Ihre Mitgliederzahl wurde durch den Beschluss, alle ehemaligen Straßburger Dozenten aufzunehmen, stark aufgebläht, darunter befanden sich freilich weiterhin Gelehrte von internationalem Rang. Durch die Inflation geschädigt und nach dem Tode Bresslaus im Oktober  1926 unter der neuen Leitung von Schwartz erwog die Gesellschaft ihre Übersiedlung nach Frankfurt, um, wie bei den Akademien üblich, Anschluss an die  junge Universität zu finden. Die Heidelberger Universität war bereits durch die dortige Akademie besetzt. Dieser Transfer wurde rechtskräftig am 15. November 1931 vollzogen. In Frankfurt hatte sich bereits 1921 das "Wissenschaftliche Institut der Elsass-Lothringer im Reich" mit der Universität liiert, das trotz seiner wissenschaftlichen Ausrichtung auch politisch aktiv und von Frankreich des Revanchismus bezichtigt wurde. Insgesamt wirkte es sich für die Gesellschaft positiv aus, dass sie als etwas elitärer Verband von Universitätsprofessoren im Windschatten des auf einer viel breiteren Mitgliederbasis beruhenden Instituts blieb und nicht in politische Auseinandersetzungen hineingezogen wurde. Die starke Anbindung an die Universität stieß freilich auch auf Kritik, nicht zuletzt des prominenten Althistorikers Matthias Gelzer, der eine selbständige Stellung wie die der Akademien empfahl.

In Frankfurt wurde ein neuer Mitgliederbestand aus den dortigen Ordinarien aufgebaut. Mit dem Mediziner Albrecht Bethe wurde 1931 zum ersten Male ein Vorsitzender gewählt, der nicht Geisteswissenschaftler war. Nach 1933 geriet die Gesellschaft in eine prekäre Lage. Vorsitzender und Vorstand mussten zurücktreten, seit 1937 wurde sie vom NS-Rektor, dem Neuhistoriker Walter Platzhoff, geleitet. Dessen ungeachtet kann sie mit Stolz darauf zurückblicken, dass sie sich durch Verzögerung in der Änderung der Statuten und durch Inaktivität dem Regime vielfach entzog und ihre vielen jüdischen Mitglieder nie offiziell ausschloss. Eine Rückführung nach Straßburg scheiterte nach 1941 an den dortigen Plänen der Errichtung einer Akademie. Als Positivum aus dieser Zeit bleibt die Übernahme der von der Stadt Frankfurt finanzierten "Frankfurter Wissenschaftliche Beiträge" durch die Gesellschaft. Nachfolger: "Schriften der Wissenschaftlichen Gesellschaft" und "Sitzungsberichte der Wissenschaftlichen Gesellschaft" (Steiner Verlag).

Seit Ende 1945 konstituierte sich die Gesellschaft neu. Der Straßburger Bezug wurde aus verständlichen Gründen getilgt und 1947 der noch heute gültige neue Name eingeführt. Unter den neuen Vorsitzenden, dem Germanisten Julius Schwietering (ab 1947) und dem Physiker Boris Rajewsky (seit 1955), nahm die Gesellschaft, gestützt auf renommierte Frankfurter Gelehrte, eine gedeihliche Entwicklung. Der bereits in der NS-Zeit als sehr geschickter Organisator bekannte Rajewsky, ein gebürtiger Ukrainer, unternahm 1961 mit Unterstützung des Frankfurter Oberbürgermeisters Bockelmann, des hessischen Ministerpräsidenten Zinn und des Rektors der Universität den Versuch, die Gesellschaft in den Rang einer Akademie der Wissenschaften für Hessen zu erheben, was Anfang 1964 daran scheiterte, dass der Frankfurter Magistrat die dafür notwendigen finanziellen Mittel nicht genehmigte. Dennoch hat die Gesellschaft, soweit es ihre beschränkten Finanzen zulassen, in den letzten vierzig Jahren durch eifrige Vortrags - und Publikationstätigkeit ihrer Mitglieder, darunter in zunehmendem Maße auch nicht in Frankfurt ansässiger Gelehrter, ihr hohes Ansehen bewahrt, zumal sie, dem Ideal ihrer Anfänge treu, sich nie in geisteswissenschaftliche und naturwissenschaftliche Klassen aufgespalten hat und daher das heute um so notwendigere Gespräch zwischen den Wissenschaften pflegt.

Die Vorträge werden in den Sitzungsberichten der Wissenschaftlichen Gesellschaft publiziert.