Frangissa

Das Apollon-Heiligtum von Frangissa

Das Apollonheiligtum von Frangissa in der Umgebung von Tamassos kann aufgrund der reichen Skulpturfunde als eines der bedeutendsten bislang auf Zypern entdeckten Heiligtümer gelten. Es wurde bereits 1885 in einer Notgrabung durch den deutschen Forscher Max Ohnefalsch-Richter flüchtig untersucht. Die genaue Lokalisierung geriet in der Folge jedoch in Vergessenheit und wurde von verschiedenen Archäologen bislang vergeblich gesucht.

Kürzlich war es durch Archivstudien gelungen, den Ort des Heiligtums auf ein Tal südlich von Pera Orinis einzuschränken. Im Rahmen eines vom zyprischen Antikendienst (Department of Antiquities), bewilligten und großzügig unterstützen Feldforschungsprojektes der Universität Frankfurt unter Leitung von Dr. Matthias Recke, das in Kooperation mit dem Archäologischen Institut der Universität Kiel unter PD Dr. Philipp Kobusch als Field Director durchgeführt wird, konnten im September und Oktober 2020 erste Untersuchungen vor Ort unternommen werden. Diese Arbeiten wurden großzügig finanziell gefördert durch die AMRICHA-Stiftung Leipzig, die das Projektteam auch personell unterstützt.

 

Durch eine intensive Begehung dieses Tals gelang es nun tatsächlich, den genauen Platz des Heiligtums mit Sicherheit zu lokalisieren. Bei dem Survey zeichnete sich eine hohe Konzentration von Scherben, aber auch von Fragmenten antiker Skulpturen und Terrakotten in einem relativ eng umgrenzten Areal ab. Eine in Kooperation mit der University of Cyprus durchgeführte geophysikalische Untersuchung mit GPR unter der Leitung von A. Sarris bestätigte diese Untersuchungen. So sind tiefgreifende Strukturen im Boden ausschließlich in dem Teil des Tals zu finden, der auch in der Oberflächenbegehung auffällig war.

Eine vorläufige Auswertung der Funde ergab, dass das Areal seit der Eisenzeit in Gebrauch war und über die gesamte Archaik, die Klassik und den Hellenismus genutzt wurde. Die zahlenmäßig geringeren Funde aus der römischen und byzantinischen Epoche sind in ihrer Erhaltung deutlich abgenutzt und stammen wohl von einer weiter flussabwärts gelegenen und seit längerem bekannten Siedlung dieser Zeit. Die Funde der früheren Epochen jedoch, die der Nutzung des Apollon-Heiligtums zugeschrieben werden können, sind relativ frisch erhalten.

Sie stammen wahrscheinlich aus dem Grabungsschutt der Ausgrabungen von 1885 und waren damals übersehen worden. Insbesondere die zahlreichen Fragmente von Kalksteinfiguren und großformatigen Terrakotten belegen, dass es sich hier um Hinterlassenschaften eines antiken Heiligtums handelt, da entsprechende Funde in Siedlungen und Nekropolen untypisch sind. Tatsächlich entspricht das Typenspektrum der figürlichen Funde exakt dem Material, das 1885 ausgegraben worden ist und sich heute in Museen in Kanada, den USA, Großbritannien, Irland und möglicherweise sogar in Russland befindet. (Nur ein kleiner Teil der Funde von 1885 ist auf Zypern geblieben und befindet sich heute im Cyprus Museum in Nicosia, darunter der bekannte „Koloss von Tamassos“).

Charakteristische Funde sind kleine Wagengespanne, Reiter und Kriegerfiguren aus Terrakotta sowie großformatige Hohlterrakotten von bis zu Lebensgröße, die die Stifter darstellen. Von einer solchen stammt beispielsweise das Fragment eines Schuhs, das während der neuerlichen Kampagne entdeckt wurde und enge Entsprechungen unter den lebensgroßen Figuren der Ausgrabung von 1885 hat. Auch unter den Kalksteinstatuen dominieren neben einzelnen Fragmenten von Pferden (oder Reitern auf Pferden) gewandete Stifterfiguren.  

Eine Bestätigung, hier den lange gesuchten Platz des bedeutenden Apollon-Heiligtums gefunden zu haben, ergab sich neben den aussagekräftigen Skulpturenfunden auch durch die Beobachtung eines 13 m langen Suchgrabens, der auf die Aktivitäten von 1885 zurückzuführen ist und der auch in den Grabungsberichten erwähnt wird. Der genau 2 englische Fuß breite Graben hatte den Zweck, das angrenzende Areal zu erforschen, um die genaue Ausdehnung des Heiligtums zu bestimmen. Tatsächlich sind hier Reste von antikem zweischaligem Mauerwerk zu sehen, die zur Architektur des Heiligtums gehört haben müssen. Eine genaue Untersuchung des Areals im Rahmen einer archäologischen Ausgrabung ist für das Frühjahr 2021 geplant.