​​​​​​​Pressemitteilungen ​​​​​​ ​

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Pressestelle Goethe-Universität

Theodor-W.-Adorno Platz 1
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Personalia/Preise

Jan 18 2013
15:43

Erste Tranche der mit insgesamt 50 Millionen Euro dotierten Matching Funds

Land überweist 12,68 Millionen Euro an Goethe-Universität Frankfurt

WIESBADEN / FRANKFURT. „Wir stehen weiterhin zu dem Wort, das der ehemalige Wissenschaftsminister Udo Corts und der frühere Finanzminister Karlheinz Weimar 2007 der Goethe-Universität gegeben hatten“, sagt Hessens Finanzminister Dr. Thomas Schäfer. Und die Ministerin für Wissenschaft und Kunst, Eva Kühne-Hörmann, hebt hervor: „Das Land Hessen setzt mit der Überweisung der ersten Rate der so genannten Matching Funds ein Zeichen für die Stärkung der Frankfurter Stiftungsuniversität und ihrer Autonomie.“

Es geht um 12,68 Millionen Euro, welche die Goethe-Universität jetzt vom Land erhielt. Der Betrag ist die erste Tranche von insgesamt 50 Millionen Euro, die der Goethe-Universität 2007 durch Corts unter bestimmten Bedingungen zugesagt wurden: In einer damals geschlossenen Finanzierungsvereinbarung zwischen Land und Universität war festgehalten worden, dass für jeden von der Goethe-Universität für ihr Stiftungskapital eingeworbenen Euro das Land Hessen jeweils einen Euro zahlt („Matching Funds“), und zwar bis zu einer Gesamthöhe von 50 Millionen Euro aus den Erlösen beim Verkauf der Hochschul-Liegenschaften des Campus Bockenheim.

Universitätspräsident Prof. Dr. Werner Müller-Esterl dankte der Landesregierung und den beiden Ministern dafür, dass das Land Wort gehalten habe: „Ich freue mich, dass die Goethe-Universität jetzt nach und nach mit der Auszahlung der Matching Funds rechnen kann. Das gibt uns in schwierigen Zeiten mehr Spielräume für die Verbesserung von Forschung und Lehre.“ Mit der Räumung immer größerer Teile des Campus Bockenheim würden in den nächsten Jahren weitere Millionenbeträge fällig. Dieses Geld diene dem weiteren Aufbau des Grundstockvermögens der Stiftungsuniversität, deren Gesamtvolumen inklusive Zusagen und unselbständigen Stiftungen inzwischen rund 160 Millionen Euro betrage. Besondere Anerkennung und Dank sprach Müller-Esterl in diesem Zusammenhang auch seinem Vorgänger Prof. Dr. Rudolf Steinberg aus: „Es ist seinem Geschick und seinem Beharrungsvermögen zu verdanken, dass es zu dieser für die Universität so günstigen Regelung gekommen ist.“

Während Steinbergs Amtszeit sind nach den Worten Müller-Esterls zudem durch hohe Einwerbungen von dritter Seite die Voraussetzungen geschaffen worden, dass es heute überhaupt zur Auszahlung der Matching Funds kommen kann: Neben den 33 Millionen Euro aus der 2007 eingerichteten Kassel-Stiftung, der mit 21 Millionen Euro ausgestatteten House of Finance-Stiftung und der 15 Millionen Euro schweren Adickes-Stiftung habe die Universität weit mehr als 50 Millionen Euro für ihren Stiftungsstock eingeworben.

Hintergrund
Im Zuge der Errichtung des Kulturcampus hat das Land das 16 Hektar große Gelände des Campus Bockenheim inzwischen an die städtische ABG veräußert. Diese Liegenschaften werden im Zuge der Standortneuordnung der Universität bis 2017 vollständig geräumt. Mit ihren Umzügen an die Standorte Westend und Riedberg wird die Goethe-Universität das Gelände schrittweise an die ABG übergeben. Die einzelnen Tranchen der Matching Funds werden abhängig vom Fortschritt bei der Übergabe ausgezahlt. Die jetzt überwiesenen 12,68 Millionen Euro stammen von der Erlösen für die Nordkante des Universitätsareals. Die Grundstücke waren der Universität seinerzeit von der Stadt Frankfurt für die universitäre Nutzung geschenkt worden. 1999 wurde zwischen dem Land Hessen und der Stadt Frankfurt der so genannte Kulturvertrag geschlossen. In diesem verzichtete die Stadt auf das ihr für den Fall der Aufgabe der universitären Nutzung zustehende Heimfallrecht und bestimmte, dass der Reinerlös aus einer eventuellen Veräußerung „für die Entwicklung der Universität“ genutzt werden müsse. Diese Bestimmung des Kulturvertrags war eine wesentliche Voraussetzung für die Verlagerung der Universität auf die neuen Campi Westend und Riedberg.

Forschung

Jan 17 2013
16:10

Forschungsstelle „NS-Pädagogik“ stellt Buch vor zur Nazi-Schülerzeitschrift „Hilf mit“. 24. Januar, 16.00 Uhr, Casino Westend

Nazi-Schülerzeitschrift indoktrinierte Generation

FRANKFURT. Jeweils über 5 Millionen Exemplare der illustrierten Zeitschrift „Hilf mit“ wurden Monat für Monat vom NS-Lehrerbund als Herausgeber an die Schülerschaft verteilt. So wurde eine ganze Generation sozialisiert und geprägt: Die HJ-Generation von Martin Walser, Günter Grass, Helmut Schmidt und Papst Benedikt XVI (Joseph Ratzinger), so die Ausgangsthese dieser Studie. In einem Forschungsprojekt der Goethe-Universität mit Unterstützung der DFG wurden nun für Bibliotheken sämtliche Ausgaben von Oktober 1933 bis September 1944 (ca. 3000 Seiten) für die wissenschaftliche Aufarbeitung reproduziert und analysiert.

Erste Ergebnisse dieser Analyse: Nicht plumpe Propaganda, sondern professionell gemachte Indoktrination lässt sich feststellen: 2/3 des Materials beschwören eine herrliche Idylle von gesunden deutschen Mädchen und Jungen, Mutter und Kind, Weihnachtsbaum und kleinen Igeln. Idylle und Spießer-Ideologie. Wohl dosiert und im geringen Umfang gab es zudem auch primitive Propaganda für NS-Führer und NS-Organisationen mit ihren Symbolen.
Mit pervertiertem reformpädagogischen Geschick werden die Jugendlichen zum „forschenden Lernen“ mit antisemitischen Inhalten aufgefordert.

Die Forschungsstelle „NS-Pädagogik“ im Fachbereich Erziehungswissenschaften der Goethe-Universität lädt ein zur Buchvorstellung und Diskussion am

Donnerstag, den 24. Januar 2013, 16.00 Uhr, Casino-Westend / Raum 1.802.

  • Begrüßung: Prof. Dr. Tanja Brühl (Vizepräsidentin der Goethe-Universität)
  • Zur Einführung: NS-Moral?: Prof. Dr. Werner Konitzer, (Fritz Bauer Institut)
  • Unterschiede und Gemeinsamkeiten von Rassismus und Antisemitismus: Prof. Dr. Micha Brumlik (Forschungsstelle „NS-Pädagogik“)
  • Zur Nazi-Schülerzeitschrift „Hilf mit!“: Deutsche Idylle, Rassismus und Antisemitismus: apl. Prof. Dr. Benjamin Ortmeyer (Forschungsstelle „NS-Pädagogik“)

Weitere Informationen: apl. Prof. Dr. Benjamin Ortmeyer, Forschungsstelle „NS-Pädagogik“, Fachbereich Erziehungswissenschaften - Institut für Allgemeine Erziehungswissenschaft, Tel. (069) 798-22091, BOrtmeyer@t-online.de

Veranstaltungen

Jan 15 2013
11:13

Projekt „New Migrant Socialities“ veranstaltet internationale Tagung mit Clubevent. 24.-26. Januar, Campus Westend

Clubs als Forschungsgegenstand

FRANKFURT. Vom 24. bis 26. Januar 2013 veranstaltet das durch den Europäischen Forschungsrat geförderte Projekt „New Migrant Socialities“ die internationale Tagung „New Post-Migrant Socialities: Rethinking Urban Leisure Publics in the Context of Diversity and Dominance“ auf dem Campus Westend der Goethe-Universität Frankfurt.

Die Abschlusskonferenz stellt die Projektergebnisse einem breiten internationalen Publikum vor und soll auch eine intensive Diskussion darüber anregen, wie ethnische und marginalisierte Minderheiten ihre öffentliche urbane Umgebung gestalten und daran teilhaben. In der Keynote am Donnerstagabend um 18 Uhr wird Les Back, Professor der Soziologie am Goldsmiths College der University of London, zum Thema „Moving Sounds, Controlled Borders: Asylum and the Cultural Politics of Music“ im Eisenhower Raum auf dem Campus Westend sprechen.

Zum Hintergrund: Das Projektteam um Prof. Kira Kosnick erforschte in den vergangenen vier Jahren das Freizeit- und Ausgehverhalten junger Erwachsener mit Migrationshintergrund in den ethnischen Clubszenen von Paris, London und Berlin und dabei insbesondere die Formen sozialer Beteiligung und kulturellen Experimentierens junger Menschen, die für das Leben in Metropolen charakteristisch sind. Das Projekt untersuchte, wie gerade junge Post-Migranten ihre sozialen Bindungen gestalten, wenn sie sich im Nachtleben ausgewählter europäischer Großstädte bewegen. Das Clubbing ist dabei von zentraler Bedeutung, ist es doch nicht nur eine der populärsten Freizeitaktivitäten junger Menschen unabhängig von ethnischem Hintergrund und Migrationsgeschichte quer durch Europa, sondern auch ein wichtiger Rahmen für das Erleben von urbaner Öffentlichkeit. An zweieinhalb Tagen werden 23 internationale Wissenschaftler unterschiedlicher Disziplinen zusammen mit wissenschaftlich interessierten Praktikern aus der Kultur- und Clubszene in sieben Panels über Migration, Rassismus und ethnische Vielfalt, Jugendkulturen und moderne Stadtentwicklung diskutieren.

Zum Abschluss der Konferenz findet ein vom Thema der Veranstaltung inspirierter Event im Frankfurter Club Orange Peel statt. Als Musiker und Künstler konnten DJ Ritu (London), DJ Ipek (Berlin), Janeck Altshuler (Wiesbaden), das Performance Duo Clara Jo & James Gregory Atkinson aka "Banjee Boi" (Frankfurt/Berlin) sowie die Frankfurter Lichtkünstler von „Lichtan Lichtaus“ gewonnen werden.

Die Tagung wird in englischer Sprache stattfinden, die Teilnahme ist kostenfrei. Um eine Anmeldung bis zum 16. Januar 2013 wird gebeten.

Informationen zum Programm und zur Anmeldung: www.migrant-socialities.eu/conferences/conference

Veranstaltungen

Jan 14 2013
16:52

Schülerinnen und Schüler lernen an den „Infotagen“ am 23. und 24. Januar 2013 die Goethe-Universität kennen

Uni-Luft schnuppern

FRANKFURT. Bald ist es wieder so weit: Mehr als 6.000 Schülerinnen und Schüler der gymnasialen Oberstufe insbesondere der Abiturklassen werden die Goethe-Universität Ende Januar zu den „Infotagen“ besuchen. Dabei erwartet sie ein vielfältiges Programm aus Infovorträgen, Campusführungen, Vorstellung von beliebten Berufsbildern und deren Zugangsmöglichkeiten und vieles mehr. Die beiden Veranstaltungsorte – der Campus Westend und der Campus Riedberg – zählen sicherlich zu den schönsten, modernsten und leistungsfähigsten Unistandorte Deutschlands.

Zusätzlich zu den allgemeinen Programmpunkten präsentieren sich die einzelnen Fächer und Institute am Nachmittag in ihren eigenen Räumlichkeiten durch Führungen und Experimente, Sprechstunden mit Studienberatern, Gesprächsrunden mit Studierenden oder einfach der Möglichkeit, reguläre Veranstaltungen aus dem Vorlesungsangebot des Faches zu besuchen. Dies gibt den Schülerinnen und Schülern die Möglichkeit, die Universität intensiver und auf eigene Faust zu erkunden und vielleicht auch schon den ersten Kontakt zu Studierenden oder Professoren des Wunschfaches aufzunehmen.

Die Angebote der Bundesagentur für Arbeit runden die beiden Tage ab mit zahlreichen Vorträgen zur Berufspraxis und übergreifenden Themen zu Entscheidungsfindung und Überbrückungsmöglichkeiten zwischen Abitur und Studium.

Eingebettet sind die beiden Veranstaltungstage der Goethe-Universität in die insgesamt viertägigen „infotage 2013“ der Hochschulen der Region Frankfurt vom 21. bis 24. Januar 2013. Neben der Goethe-Universität sind mit dabei die Fachhochschule Frankfurt, die Hochschule für Musik und Darstellende Kunst, die Philosophisch-Theologische Hochschule St. Georgen und die Hochschule für Gestaltung Offenbach.

Schülerinnen und Schüler und alle Interessierten sind herzlich eingeladen, die Goethe-Universität an den „Infotagen“ zu besuchen! Um eine Anmeldung wird gebeten.

Anmeldung und Programm: www.infotage.uni-frankfurt.de

Informationen: Marco Blasczyk, Zentrale Studienberatung, Goethe-Universität Frankfurt, Tel.: (069) 798-23835, blasczyk@em.uni-frankfurt.de

Veranstaltungen

Jan 14 2013
14:53

Kulturwissenschaftlerin Prof. Dr. Susanne Küchler spricht im Rahmen der Stiftungsgastprofessur „Wissenschaft und Gesellschaft“

„Wie Dinge Netzwerke vermitteln“

FRANKFURT. „Wie Dinge Netzwerke vermitteln“ hat Prof. Dr. Susanne Küchler ihren Vortrag betitelt, den sie am Donnerstag (17. Januar um 18.15 Uhr) in der öffentlichen Veranstaltungsreihe „Vom Eigensinn der Dinge“ im Hörsaalzentrum (HZ 5) auf dem Campus Westend hält. Der Kulturwissenschaftlerin, die Sozialanthropologie und Materielle Kultur am University College London (UCL) lehrt, geht es darum, die tief in den Strukturen der Wissenschaft verankerte Trennung von Materialwissen, Informationstechnologie und Gesellschaftswissenschaften zu überwinden.

Susanne Küchler ist eine der führenden Wissenschaftlerinnen der neueren „Material Culture Studies“. In diesem dynamischen Forschungsfeld werden die Bedeutung von Dingen und der Umgang mit ihnen im Alltag untersucht. Dazu gehören Fragen der Entwicklung neuer Materialien, des intelligenten Designs von Geräten und die Untersuchung alltäglicher Missverständnisse im Umgang mit neuen Geräten. Sie befasst sich insbesondere mit den vielfältigen Vernetzungen zwischen Menschen und Dingen.

Dazu Küchler: „Am Anfang des 21. Jahrhunderts ist es eine der zentralen gesellschaftlichen und wissenschaftlichen Aufgaben, die im 20. Jahrhundert dominierenden Vorstellungen immaterieller Strömung von Wissen zu revidieren und das Innovationspotenzial neuer Materialien voll auszuschöpfen. Die Dinge, deren Präsenz uns lange zu schaffen machte, können zu neuem Umgang mit Wissen in Forschung und Lehre anregen, wenn das Trennende zwischen den drei Bereichen Materialwissen, Informationstechnologie und Gesellschaftswissenschaften überwunden wird.“ Wie Küchler aufzeigt, kann die Interaktion zwischen Computern und Menschen sehr viel mehr von den uralten Routinen des Umgangs mit Dingen und von zumeist unbewussten Praktiken der Auseinandersetzung mit der stofflichen Umwelt profitieren, als es zurzeit der Fall ist. In ihrem Vortrag werden auch Dinge zur Sprache kommen, die sprichwörtlich ihren Eigensinn haben – die Dinge aus für uns fremden Welten, die die Lagerräume unserer Museen füllen.

Moderiert wird die Veranstaltung von Prof. Dr. Hans Peter Hahn, stellvertretender Sprecher des Graduiertenkollegs „Wert und Äquivalent“, das im Wintersemester im Rahmen der Deutsche Bank-Stiftungsgastprofessur „Wissenschaft und Gesellschaft“ diese Reihe organisiert. Die Veranstaltungsreihe wurde von Ethnologen und Archäologen des Graduiertenkollegs „Wert und Äquivalent“ gemeinsam konzipiert und organisiert; 26 Doktoranden aus verschiedenen Ländern werden in diesem Kolleg betreut. Die Reihe, in der im Februar (7.2.) noch ein weiterer Vortrag von Prof. Dr. Hans-Jörg Rheinberger über „epistemische Dinge“ geplant ist, geht den überraschenden Zusammenhängen nach, die sich aus dem „Eigensinn der Dinge“ ergeben. Die Vorträge zeigen, wie wenig die bislang vorgestellten Ordnungen der Dinge ausreichend sind, um die Welt des Materiellen zu verstehen. Der Eigensinn der Dinge wird dabei sowohl als Phänomen einzelner herausragender Objekte wie auch als Frage des Verstehens materieller Kultur insgesamt und damit nach der „conditio humana“ behandelt.

Informationen: Prof. Dr. Hans Peter Hahn, Institut für Ethnologie, Prof. Dr. Hans-Markus von Kaenel, Institut für Archäologische Wissenschaften, Campus Westend, 069-798 32293, value@em.uni-frankfurt.de, www.value-and-equivalence.de

Forschung

Jan 11 2013
15:25

Heisenberg-Stipendiat Thorsten Maier schlägt die Brücke vom Labor zur Klinik

Über anti-entzündliche Wirkstoffe den Krebs hemmen

FRANKFURT. Entzündungen treten im Körper nicht nur auf, wenn die weißen Blutkörperchen Krankheitserreger bekämpfen, sondern auch bei zahlreichen Erkrankungen der inneren Organe, die nicht durch Infektionen zustande gekommen sind. Betroffen sind die Atemwege, so beim Asthma bronchiale, sowie das Herz- und Gefäßsystem. Aber auch bei Tumoren, Multipler Sklerose oder Alzheimer lassen sich entzündliche Prozesse nachweisen. Könnte man diese spezifisch hemmen, ließen sich wirksame und nebenwirkungsärmere Therapien entwickeln. Das ist das Ziel des neuen Heisenberg-Stipendiaten Dr. Thorsten Jürgen Maier. Die begehrte Auszeichnung der Deutschen Forschungsgemeinschaft bereitet herausragende Nachwuchswissenschaftler auf eine Professur vor.

Als Biochemiker und angehender Mediziner hat Maier den Anwendungsbezug seiner Forschung immer im Blick. Mit seiner Forschung schlägt er die Brücke von der Untersuchung der molekularen Bausteine im Labor zu den größeren Zusammenhängen, bis er beim Krankheitsgeschehen im Patienten angelangt ist. Phantasie ist dabei wichtig; bei der Suche nach neuen Strukturen hilft es oft, wenn er sie sich erst einmal vorstellt. Aber das ist nur möglich, weil er die Zielstruktur, auf die er sich spezialisiert hat, mit schlafwandlerischer Sicherheit kennt. Sie heißt 5-Lipoxygenase (5-LO) und spielt bei Entzündungsreaktionen eine zentrale Rolle.

 „Bisher gibt es leider keine zugelassenen Wirkstoffe, mit denen man dieses Enzym in Patienten effektiv und nebenwirkungsarm hemmen kann, obwohl das ein bedeutender neuer Therapieansatz bei zahlreichen Erkrankungen sein könnte“, erklärt der 37jährige, „aber es war klar, dass es in der Natur wahrscheinlich einen körpereigenen  Hemmstoff geben muss, der  Entzündungen örtlich und zeitlich begrenzt “. In Zusammenarbeit mit dem Vascular Research Centre um Prof. Ingrid Fleming hat Maier einen solchen körpereigenen anti-entzündlichen Mechanismus mit seiner Arbeitsgruppe entschlüsselt. Eine pharmakologisch verwertbare Verbindung zur Hemmung der 5-LO hat er daraus bereits ableiten können. Sie hat sich bei der Sepsis, einer generalisierten und lebensbedrohlichen Entzündung, im Mausmodell, als hoch wirksam erwiesen und ist bereits zum Patent angemeldet. Nun will Maier den Wirkstoff noch durch chemische Modifikation verbessern und ihn auch in Tiermodellen für Tumore und Asthma bronchiale testen.

Ein zweiter Schwerpunkt seiner Arbeit ist die Entwicklung neuer Therapiekonzepte zur Behandlung der akuten myeloischen Leukämie. Kürzlich entdeckte seine Gruppe, dass die 5-LO auch bei der ausufernden Vermehrung unreifer weißer Blutkörperchen eine bedeutende Rolle spielt. Hier arbeitet Maier eng mit Privatdozent Dr. Martin Ruthardt in der Universitätsklinik Frankfurt zusammen, um den Einfluss des Enzyms in leukämischen Blutstammzellen näher zu erforschen und dann Wirkstoffe zu entwickeln, die die 5-LO in Leukämie-Patienten hemmen. Eine solche relativ nebenwirkungsarme Therapie könnte eingesetzt werden, um den häufigen und oft tödlichen Rückfällen vorzubeugen.

Download: Ein Bild von Thorsten Maier finden Sie hier.

Informationen: Dr. Thorsten Jürgen Maier, Institut für Pharmazeutische Chemie, Campus Riedberg, Tel: (069) 798-29341; Maier@pharmchem.uni-frankfurt.de.

Veranstaltungen

Jan 11 2013
15:19

Frankfurter Bürger-Universität fragt nach der Aufgabe von Wissenschaft und Forschung in Zeiten der Krise

Wissenschaft als Krisenhelfer?

FRANKFURT. Die Hauptreihe der Frankfurter Bürger-Universität Demokratie im Würgegriff der Finanzmärkte? hat sich zum kritischen Diskussionsforum über die Folgen der weltweiten Finanzkrise entwickelt. Experten und zahlreiche Bürger – bis zu 500 pro Veranstaltung – nutzen die Möglichkeit zum offenen Gespräch mit namhaften Experten. Die Goethe-Universität möchte dabei aber nicht nur Veranstalter dieser erfolgreichen Reihe sein, sondern nun auch auf ihre eigene Forschung einen kritischen Blick werfen.

Konkret wird es am 14. Januar 2013. „Wissenschaft als Krisenhelfer – Muss Forschung Politik und Öffentlichkeit mehr Orientierung geben?“, so lautet der Titel der ersten Veranstaltung der Bürgeruniversität im neuen Jahr.  Schon länger halten Politik und Medien beispielsweise den Wirtschaftswissenschaftlern vor, in der Finanzkrise entweder wenig präsent gewesen oder mit widersprüchlichen Meinungen hervorgetreten zu sein. Wie gehen Wissenschaftler mit diesem Vorwurf um? Und welchen Anteil haben die Ökonomen selbst an der Entstehung der Krise? Brauchen wir neue Formen einer interdisziplinären Kooperation zwischen den Wissenschaften, um künftig bessere Lösungsansätze zu erhalten? Diskutiert werden soll bei dieser Gelegenheit auch die grundsätzliche Frage, wie viel Orientierung Universitäten und Forschungseinrichtungen Politik und Gesellschaft überhaupt geben können und müssen. Dabei ist die Frage interessant, ob und inwieweit die Öffentlichkeit überhaupt noch auf die Hilfe der Wissenschaften wartet und hofft.

Zwei renommierte Wissenschaftler aus Ökonomie und Soziologie stellen sich am 14. Januar diesen Fragen und versuchen diese zusammen mit dem ehemaligen Finanzminister des Landes Hessen, Karlheinz Weimar, zu beantworten: Prof. Andreas Hackethal, Wirtschaftswissenschaftler, Bankenexperte, Dekan des Fachbereichs Wirtschaftswissenschaften der Goethe-Universität und u.a. Sachverständiger beim Bundesministerium für Finanzen sowie der Soziologe und Bildungsforscher Prof. Tilman Allert.

Wissenschaft als Krisenhelfer – Muss Forschung Politik und Öffentlichkeit mehr Orientierung geben?

  • Prof. Tilman Allert (Soziologe)
  • Prof. Andreas Hackethal, (Wirtschaftswissenschaftler)
  • Karlheinz Weimar (Finanzminister des Landes Hessen a.D.)
  • sowie den Frankfurter Bürgerinnen und Bürgern

Moderation: Sascha Zoske, Redakteur der Frankfurter Allgemeine Zeitung.

Sonstige

Jan 8 2013
12:35

Neues Frankfurter Inter-Zentren-Programm zu neuen afrikanisch-asiatischen Interaktionen

AFRASO - Afrikas Asiatische Optionen

FRANKFURT. Das interdisziplinäre Frankfurter Verbundprojekt „AFRASO – Afrikas Asiatische Optionen“ untersucht voraussichtlich ab 1. Februar 2013 die neuen Beziehungen zwischen beiden Kontinenten in vergleichender und transregionaler Perspektive. Mit einer Förderung durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) in Höhe von ca. 3,9 Millionen Euro organisieren die beiden an der Goethe-Universität in Frankfurt am Main angesiedelten Regionalforschungszentren ZIAF (Zentrum für Interdisziplinäre Afrikaforschung) und IZO (Interdisziplinäres Zentrum für Ostasienstudien) ein zunächst auf vier Jahre angelegtes Forschungsprogramm, an dem rund 40 Wissenschaftler der Goethe-Universität beteiligt sind. Die fachliche Vielfalt von 11 Disziplinen aus 6 Fachbereichen macht den besonderen Reiz des Projektes aus, das von den beiden derzeitigen Zentrumsdirektoren , Prof. Dr. Frank Schulze-Engler (ZIAF) und Prof. Dr. Arndt Graf (IZO), gemeinsam geleitet wird.

In vier thematischen Schwerpunkten wird im Verbundprojekt AFRASO zum Beispiel den folgenden spannenden Fragen nachgegangen: Welche Migrationserfahrungen machen Afrikaner/Asiaten im jeweiligen fremden Kontext? Wie hat sich der Handel zwischen den Kontinenten verändert und welche neuen Netzwerke sind dadurch entstanden? Welche Diskurse entwickeln sich über die Aktivitäten von Asiaten in Afrika und von Afrikanern in Asien, und wie prägen diese Diskurse die Kommunikation im Cyberspace?  Welchen Einfluss auf die Beziehungen von Staaten und Menschen haben Programme der kulturellen Zusammenarbeit, insbesondere in den Bereichen Kunst, Bildung und Spracherwerb? Welche Imaginationen des Indischen Ozeans als neuer transregionaler Großregion finden sich in der aktuellen Filmproduktion und Literatur Afrikas und Asiens?

Zum Hintergrund: Im vergangenen Jahrzehnt ist das zunehmend starke Engagement Chinas in Afrika in das Blickfeld von Öffentlichkeit und Wissenschaft geraten. Mittlerweile wird jedoch klar, dass die neuen chinesisch-afrikanischen Beziehungen in bestimmten Bereichen zwar besonders ausgeprägt, aber nicht einzigartig sind. Auch andere wirtschaftlich dynamische Länder Asiens, wie etwa Japan, Indien, Malaysia oder Südkorea, sind zunehmend in verschiedenen Ländern Afrikas aktiv. Umgekehrt machen sich auch Afrikaner auf den Weg nach Asien: Eine große Zahl afrikanischer Händler, Unternehmer und Studenten hat sich bereits in Asien niedergelassen und verändert damit auch die dortigen Gesellschaften. Die neuen wirtschaftlichen, kulturellen und politischen Kontakte eröffnen Afrika Möglichkeiten, die kolonial geprägten Muster in seinen internationalen Beziehungen zu verändern und aus einer Vielzahl neuer Handlungsoptionen auszuwählen – jenseits von Europa und den USA.

Durch die Kooperation von ZIAF, IZO und anderen regional arbeitenden Wissenschaftlern der Goethe-Universität bietet sich eine in Deutschland einmalige Möglichkeit, auf der Grundlage umfangreicher empirischer Fallstudien gewonnene neue Erkenntnisse zur aktuellen Dynamik afrikanisch-asiatischer Interaktionen zu bündeln – und dadurch einen wichtigen Beitrag zur aktuellen Debatte um die Relevanz und Kritik von Regionalstudien in Deutschland zu leisten.

Der Öffentlichkeit werden die Resultate des Forschungsprogramms in Publikationen, Einzelveranstaltungen und Vortragsreihen näher gebracht. Die kommende Projekt-Homepage www.afraso.com / www.afraso.org stellt nicht nur Programm und Projekte vor, sondern wird mit einem eigenen E-Learning-Modul auch Bildungsangebote für Lehrer und Schüler bereitstellen. Drei internationale Großkonferenzen in Malaysia (2014), Südafrika (2015) und Frankfurt (2016) präsentieren die Forschungsarbeit von AFRASO einem internationalen Expertenkreis. Langfristig soll durch das Programm ein in Europa einmaliges Kompetenzzentrum zu afrikanisch-asiatischen Interaktionen etabliert werden, dessen Wissen auch für Entscheidungsträger in Politik, Wirtschaft und Entwicklungszusammenarbeit von hohem Interesse sein wird.

Weitere Informationen: Dr. Stefan Schmid, Geschäftsführer Zentrum für interdisziplinäre Afrikaforschung (ZIAF), Goethe-Universität, Grüneburgplatz 1, 60323 Frankfurt am Main, Tel. (069) 79832097, www.ziaf.de

Personalia/Preise

Jan 8 2013
12:33

Auszeichnung für Forschung zu Krebs und Immunkrankheiten

Ivan Dikic erhält Ernst Jung-Preis für Medizin 2013

FRANKFURT. Prof. Ivan Dikic erhält den mit 150.000 Euro dotierten Ernst Jung-Preis für Medizin 2013. Die Stiftung zeichnet damit seine grundlegenden Arbeiten zur Regulation der Signalübertragung in der Zelle mithilfe des Proteins Ubiquitin aus. Diese hätten völlig neue Erkenntnisse zur Entstehung von Immunkrankheiten und bestimmten Krebserkrankungen geliefert und eröffneten neue therapeutische Optionen, so die Begründung der Stiftung.

Universitätspräsident Prof. Werner Müller-Esterl gratulierte dem Kollegen, der im Dezember 2012 erst mit dem Leibniz-Preis ausgezeichnet worden war: „Dies ist eine weitere Bestätigung dafür, dass die Bedeutung von Ivan Dikics wissenschaftlicher Arbeit inzwischen weit über die Fachkreise hinaus gewürdigt wird.“

Ubiquitin ist ein ubiquitäres, d. h. in allen Zellen  vorkommendes Protein. Es wurde bekannt als “Todeskuss für Proteine”, weil es nicht mehr gebrauchte Eiweißmoleküle für den Abbau in der Zelle markiert. Inzwischen weiß man, dass Ubiquitin auch an vielen anderen Signalmechanismen der Zelle mitwirkt. Mit seinen Pionierarbeiten hat Ivan Dikic gezeigt, wie der Ubiquitin-Code entschlüsselt wird.

Mit der Verleihung des Preises fördert die von dem Hamburger Kaufmann Ernst Jung gegründete Stiftung seit 1976 medizinische Forschung. Sie konzentriert sich dabei auf Bereiche, in denen Erkenntnisse aus der Grundlagenforschung neue Ansätze für klinisch wirksame Therapien eröffnen.

„Mir war es immer wichtig, naturwissenschaftliche Forschung und Medizin miteinander zu verbinden, um die Entstehung von Krankheiten auf der molekularen Ebene zu verstehen. Ich bin fest davon überzeugt, dass es ohne interdisziplinäre Ansätze keinen Fortschritt in der Medizin geben kann. Mein Dank gilt allen Mentoren, Kollegen und Mitarbeiten, die mich auf diesem Weg begleitet haben“, sagte Dikic. Er teilt sich den Preis mit Prof. Angelika Amon aus Cambridge, USA, die für ihre grundlegenden Untersuchungen zur Aufteilung von Chromosomen in sich teilender Zellen ausgezeichnet wird.

Informationen: Prof. Ivan Dikic, Institut für Biochemie II, Campus Niederrad, Tel: (069) 6301-5652, ivan.dikic@biochem2.de.

Forschung

Jan 8 2013
12:22

Forscher der Goethe-Universität finden Erklärung dafür, warum sich Synapsen unterschiedlich entwickeln

Organisation des Gehirns wie im täglichen Leben: Reiche werden immer reicher

FRANKFURT. Forscher am Frankfurt Institute for Advanced Studies (FIAS) an der Goethe-Universität haben die Erklärung für eine zentrales Organisationsprinzip unseres Gehirns gefunden, wie es ähnlich auch im täglichen Leben vorkommt: Reiche werden immer noch reicher. Ein neues theoretisches Modell zeigt, wie sich im Gehirn die Verbindungen der Nervenzellen entwickeln, die sogenannten Synapsen. Seit einigen Jahren weiß man, dass es sehr viele Synapsen mit geringer Stärke gibt, aber auch einige wenige ganz starke Synapsen, von denen man annimmt, dass dort Erinnerungen ein Leben lang gespeichert werden können. Wie diese Unterschiede zustande kommen war bisher aber unklar. Nach dem neu entwickelten Modell von Wissenschaftlern um den Kognitionsforscher Prof. Jochen Triesch am FIAS, das jetzt in der online-Fachzeitschrift „PLOS Computational Biology“ veröffentlicht wurde, beruht dieses Gesetz darauf, dass durch einen fundamentalen Lernmechanismus des Gehirns starke Synapsen eine höhere Wahrscheinlichkeit haben, noch stärker zu werden als schwache. Die Forscher nennen dies das „Rich get richer-Prinzip“ – Reiche werden immer noch reicher.

Alles was uns als Menschen ausmacht – wie Persönlichkeit, Erinnerungen, Pläne – ist im Gehirn in den Synapsen gespeichert, vielen Milliarden Verbindungen zwischen den einzelnen Nervenzellen. Wenn wir etwas Neues lernen, dann dadurch, dass einige Synapsen ihre Stärke verändern, andere neu hinzu kommen oder andere ganz verschwinden. Die zugrundeliegenden Lernmechanismen führen in dem am FIAS entwickelten Modell dazu, dass einige Synapsen sehr stark werden, aber die meisten schwach bleiben, wie es auch im Gehirn der Fall ist.

Interessanterweise tauchen derartige Gesetzmäßigkeiten auch in vielen anderen komplexen Systemen auf, etwa in der Wirtschaft oder in der Geografie. Sie beschreiben dort zum Beispiel die statistische Verteilung der Größen von Firmen oder Städten. Das FIAS, eine Stiftung der Goethe-Universität Frankfurt, beschäftigt sich disziplinübergreifend mit theoretischen Modellen zur Erklärung derartig komplexer Systeme in der belebten und unbelebten Natur. Nur mit Hilfe theoretischer Modelle war es beispielsweise möglich, die in zahlreichen Experimenten gewonnenen Einzelergebnisse über die Stärke der Synapsen zu verstehen und zu erklären.

Das FIAS gilt als Leuchturm der Forschung in Hessen. Gründer des FIAS waren der Hirnforscher Prof. Wolf Singer und der theoretische Physiker Prof. Walter Greiner. Heute arbeiten am FIAS rund 100 Wissenschaftler unter anderem an Fragestellungen aus der Kernphysik, der Hirnforschung, des Immunsystems, der Krebstherapie und an energiesparenden, superschnellen Computern, die als Werkzeug notwendig sind, um Modelle für derart komplexe Vorgänge in der Natur zu berechnen.

Link zur Studie: www.ploscompbiol.org/article/info%3Adoi%2F10.1371%2Fjournal.pcbi.1002848

Weitere Informationen: Prof. Dr. Jochen Triesch, Johanna Quandt Research Professor, Ruth-Moufang-Str. 1, 60438 Frankfurt am Main, Tel. (069) 798-47531, triesch@fias.uni-frankfurt.de

Forschung

Jan 4 2013
12:22

Frankfurter Psychologen suchen Betroffene für Teilnahme an einer Studie.

Erfolgversprechende Therapie bei chronischen Alpträumen

FRANKFURT. Etwa fünf Prozent aller Menschen leiden über Jahre hinweg regelmäßig unter chronischen Alpträumen. Diese weit verbreitete Schlafstörung wirkt sich nicht nur negativ auf den Schlaf und das Ausmaß der Erholung aus, sondern kann auch zu einer deutlichen Belastung in anderen Lebensbereichen führen. „Nur wenige Betroffene wissen, dass chronische Alpträume psychotherapeutisch schnell und effektiv behandelt werden können“, sagt Dr. Regina Steil von der Verhaltenstherapie-Ambulanz der Goethe-Universität.

In einer Pilotstudie konnten die Frankfurter Psychologen bereits zeigen, dass die Häufigkeit von Alpträumen nach einer gezielten Therapie innerhalb von vier Wochen deutlich reduziert werden konnte und dieser Erfolg auch in den darauffolgenden drei Monaten stabil blieb. Ebenfalls verringerte sich das Ausmaß von Angst, Depression, Stress und Anspannung nachweisbar. In der Verhaltenstherapie-Ambulanz läuft nun auch eine groß angelegte Behandlungsstudie, in der die Wirksamkeit von zwei Behandlungskonzepten miteinander verglichen werden soll. Die Behandlungen umfassen nur wenige therapeutische Sitzungen. Für diese Vergleichsstudie suchen die Wissenschaftler betroffene Personen, die Interesse haben, teilzunehmen.

Mit Alpträumen werden belastende Träume bezeichnet, aus denen die Betroffenen erwachen und an die sie sich sehr detailliert und lebhaft erinnern. Inhalte dieser Träume sind häufig die Bedrohung des eigenen Lebens, der persönlichen Sicherheit oder der Selbstachtung. Nach dem Aufwachen erleben die Betroffenen oft Furcht oder Angst, die häufig auch mit körperlichen Reaktionen wie Herzrasen einhergehen. Neben der Beeinträchtigung des Schlafs lösen Alpträume oft auch depressive Verstimmungen und ein erhöhtes Stressempfinden aus. Betroffene haben aus diesem Grund häufig starke Angst vor dem Einschlafen.

Informationen: Dipl.-Psych. Charlotte Weßlau, Abteilung Klinische Psychologie und Psychotherapie, Fachbereich Psychologie und Sportwissenschaften, Campus Bockenheim, Tel.: (069) 798 – 25107 (Anrufbeantworter - Interessenten werden zeitnah zurückgerufen), alptraumstudiefrankfurt@gmail.com

Veranstaltungen

Jan 3 2013
13:15

Ein Blick in die „virtuelle Vitrine“ zum 125-jährigen Jubiläum.

„Rothschild‘sche Bibliothek: Angebote für alle zur „ernsthaften Bildung und wissenschaftlichen Belehrung"

FRANKFURT. Vor 125 Jahren, am 3. Januar 1888, wurde die Rothschild‘sche Bibliothek in Frankfurt eröffnet. Integriert in die Universitätsbibliothek bilden ihre Bestände heute die historische Quellenliteratur zahlreicher geisteswissenschaftlicher Disziplinen, insbesondere der Sprach- und Literaturwissenschaften, der Germanistik sowie der Theaterwissenschaften. „Die Fülle und Vielfältigkeit des Bestandes macht ihren enormen Wert als Ressourcen für die Forschung der Gegenwart aus“, so Rachel Heuberger, Leiterin der Hebraica- und Judaica-Sammlung in der Universitätsbibliothek der Goethe-Universität.

Pünktlich zum Jubiläum hat die Universitätsbibliothek eine virtuelle Vitrine eingerichtet, in die man unter www.ub.uni-frankfurt.de/judaica/vjv_01.html einen Blick werfen kann. Dort sind Illustrationen und Presse-Ausschnitte über die Bibliothek sowie Porträts und Informationen über die Mitglieder der Familie Rothschild zu sehen.

Die "Freiherrlich Carl von Rothschild'sche öffentliche Bibliothek", wie sie ursprünglich hieß, wurde 1887 von Freifräulein Hannah Louise von Rothschild (1850-1892) zum Andenken an ihren am 16. Oktober 1886 verstorbenen Vater, Mayer Carl von Rothschild,  gegründet.  Er war einer der einflussreichsten Bankiers in Deutschland, Mitglied der Frankfurter Handelskammer, Mitbegründer der Frankfurter Bank und vertrat Frankfurt als Abgeordneter im Norddeutschen Reichstag. Nach dem Tod des Vaters errichtete die zweitjüngste Tochter Hannah Louise (1850-1892), die unverheiratet blieb, mit der von ihrem Vater angelegten und ihrer eigenen Büchersammlung als Grundstock eine Bibliothek. Eine weitere von ihr geschaffene Stiftung, die bis auf den heutigen Tag Bestand hat, ist die im Jahre 1890 gegründete „Heilanstalt Carolinum“, der Nucleus der modernen universitären Zahnklinik, die heute Carolinum Zahnärztliches Universität-Institut gGmbH heißt.

Leitidee der neuen Bibliothek war die „Free Public Library“ aus England – ein in Deutschland bis dahin noch unbekannten Vorbild, das allen Bevölkerungsschichten mit kostenlosen Angeboten zur „ernsthaften Bildung und wissenschaftlicher Belehrung" dienen und auch dem akademisch nicht gebildeten Publikum die Literatur aller Völker zugänglich machen sollte. Für die Berufstätigen war die Bibliothek in der Bethmannstraße 1und später im Rothschild‘sche Familienhaus Untermainkai 15 an allen sechs Wochentagen bis 20 Uhr und auch sonntags am Vormittag geöffnet. Sie erfreute sich reger Nutzung: Handwerker und Kaufleute stellten mit 40 Prozent die größte Gruppe der Nutzer dar, auffallend ist auch die große Anzahl weiblicher Nutzer mit rund 25 Prozent. Zu diesen zählten insbesondere Lehrerinnen sowie Frauen aus Bekleidungsberufen, aber auch eine Malerin, eine Opernsängerin und eine Geschäftsführerin.

Bei der Eröffnung umfasste die Bibliothek etwa 3.500 Titel zur Kunst- und Literaturwissenschaft  in den europäischen Sprachen sowie Jugendschriften und Schulbücher. Hannah Louise Rothschild übernahm auch alle folgenden Kosten und kümmerte sich in enger Zusammenarbeit mit dem Bibliothekar Christian Wilhelm Berghoeffer darum, die Bibliothek um zeitgenössische deutsche, französische und englische Literatur sowie Bücher zu Handelswissenschaften, Theologie und Bibliothekswissenschaft auszubauen. Bis zum Ende des Jahres 1892 war der Bestand bereits auf mehr als 13.000 Titel angewachsen.

„Damit stellte die Bibliothek der Allgemeinheit die Literatur für die damals noch jungen und in der Stadt wenig gepflegten Disziplinen Kunst- und Musikwissenschaft, neuere Philologie, Volkskunde und vergleichende Sprachwissenschaft zur Verfügung“, erläutert Heuberger.  „Und zudem bestand von Anfang an der Auftrag, alles zusammenzutragen, was in Büchern, Zeitschriften und Zeitungen über die Familie Rothschild veröffentlicht oder von Familienangehörigen verfasst wurde, eine Aufgabe, die heutzutage die größte Bedeutung erlangt hat.“ Eine Presseschau zur Familie Rothschild, vor 125 Jahren in Angriff genommen, ist mittlerweile digitalisiert und steht online zur Verfügung: http://sammlungen.ub.uni-frankfurt.de/rothschild. Die Sammlung enthält Artikel der nationalen und internationalen Presse aus den Jahren 1886 bis1916, die sich auf die Familie Rothschild und das Bankhaus beziehen. Es handelt sich um rund 20.000 Artikel, in 31 Bänden chronologisch zusammengefasst, die als historische Ressource ein Unikat darstellen. Weitere Bestände zur Familie Rothschild, darunter Bücher, Aufsätze, Bildnisse, Karikaturen sowie Entwürfe zu Denkmälern sind ebenfalls bereits online verfügbar. 

Für die Rothschild’sche Bibliothek begann 1928 die dunkle Phase ihrer Geschichte: Nach der Entwertung des Stiftungsvermögens durch die Inflation wurde die Bibliothek von der Stadt Frankfurt übernommen und der Stadtbibliothek angegliedert. Die Leitung wurde Joachim Kirchner übertragen, der überzeugte Nationalsozialist wurde im April 1933 vom Oberbürgermeister zum Beauftragten der Säuberung der städtischen Schüler-, Lehrer- und Volksbüchereien ernannt. Die Rothschild‘sche Bibliothek wurde die erste Frankfurter Bibliothek, in der „undeutsches Schrifttum“ nur noch bei Nachweis eines wissenschaftlichen Zwecks ausgeliehen wurde. Auf Betreiben von Kirchner wurde die Rothschild‘sche Bibliothek bereits am 30. Dezember 1933 in Bibliothek für neuere Sprachen und Musik (Freiherrlich Carl von Rothschild‘sche Bibliothek) umbenannt, der Klammerzusatz im November 1935 gestrichen. Alle Erinnerungen an die Stifterfamilie wurden getilgt.

Die reichen Schätze der Bibliothek überstanden den Zweiten Weltkrieg, weil sie in Mitwitz in Oberfranken ausgelagert waren. Als 1945 die Stadt- und Universitätsbibliothek Frankfurt neu strukturiert wurde, wurden auch die Bestände der Rothschild‘sche Bibliothek eingegliedert, was zum endgültigen Verlust der Selbstständigkeit und zum Verschwinden des Namens in der Frankfurter Bibliothekslandschaft führte. „Die Einbindung der Rothschild-Literatur in die Europeana, die Europäische Digitale Bibliothek, und der schnelle Internet-Zugriff auf diese Ressourcen sollen dazu beitragen, die bedeutende Rolle dieser Frankfurter Stiftung für die geisteswissenschaftlichen Fachbereiche der Universität bis heute wieder ins Gedächtnis zu rufen“, hofft Heuberger.

Informationen: Dr. Rachel Heuberger, Maike Strobel, Hebraica- und Judaica-Sammlung, Universitätsbibliothek; Campus Bockenheim, Tel.(069) 798-39665 oder 798-39120; r.heuberger@ub.uni-frankfurt.de; m.strobel@ub.uni-frankfurt.de

Veranstaltungen

Jan 3 2013
13:10

Frankfurter Poetikdozentur: Michael Lentz startet seine Vorlesungsreihe am 8. Januar. Im Sommersemester folgt Juli Zeh.

„Literatur als Energie, Intensität und Memoria“

FRANKFURT. Michael Lentz übernimmt in diesem Semester die renommierte Frankfurter Poetikdozentur. Damit hat die Stiftungsgastdozentur für Poetik der Goethe-Universität einen profilierten und außergewöhnlichen zeitgenössischen Poetikdozenten gewonnen, der sich als literarischer Autor, als Musiker und Literaturwissenschaftler einen Namen gemacht hat. Seine fünfteilige öffentliche Vorlesungsreihe „Atmen Ordnung Abgrund“ startet am 8. Januar (Dienstag) um 18.15 Uhr im mittlerweile etablierten „Poetik-Hörsaal“ (HZ 2) auf dem Campus Westend der Goethe-Universität.

Für die einzelnen Vorträge „Inventio“, „Dispositio“, „Elocutio“, „Memoria“ und „Actio“ steht die klassische Rhetorik als „Technik und Denkstil“ – so Lentz – Pate. Im Interview der aktuellen Ausgabe der Universitätszeitung UniReport erläutert er: „Als Ordnungsprinzip schreibt sie nicht (mehr) vor, bildet aber nach wie vor das Substrat sprachlicher Bewegungen. Rhetorische Kenntnisse, die Sprachbewegungen explizit machen, können produktiv umschlagen in Text.“ Wie sich dieses Umschlagen der Rhetorik in Text vollzieht und wie das Schreiben und Lesen Energie freisetzt,wird Lentz zwischen dem Auftakt „Inventio“ und dem Abschluss „Actio“ entwickeln.

Die Vorlesungen gehören zum Bürger-Uni-Programm und sind öffentlich, sie  finden bis zum 5. Februar an fünf aufeinanderfolgenden Dienstagabenden jeweils um 18.15 im „Poetik-Hörsaal“ (HZ 2)statt. Zur abschließenden Lesung am 6. Februar (Mittwoch) lädt das Literaturhaus Frankfurt ein. Auch in diesem Semester wird Wolfgang Schopf, Literaturwissenschaftler an der Goethe-Universität, eine begleitende Ausstellung im „Fenster zur Stadt“ in der MARGARETE (Braubachstraße 18-22) kuratieren.

Lentz‘ literarisches Schaffen vertraut auf eine spezifische Intensität der Literatur, die ihre Legitimation auch in Zeiten wachsender Medienkonkurrenz nachdrücklich zu behaupten weiß: „Um die Literatur mache ich mir keine Sorgen. Die Medienkonkurrenz muss sich gegen die Literatur beweisen.“ Seine Texte verschreiben sich auf besondere Weise der Memoria, suchen den erinnernden Dialog auf vielfältigen Streifzügen durch andere literarische Texte. So gelangt er von Ror Wolf, Ernst Jandl und Oskar Pastior zu Herta Müller, Friederike Mayröcker oder Helga M. Novak, wandert durch Texte von Rainer Maria Rilke, Thomas Mann oder Gottfried Benn und landet immer wieder bei Samuel Beckett.

Der 1964 geborene Autor ist Ingeborg Bachmann- und Walter Hasenclever-Preisträger, er lehrt seit 2006 auch als Professor für literarisches Schreiben am Deutschen Literaturinstitut der Universität Leipzig. Nach seinem Debut „Zur Kenntnisnahme. gedichte und prosa“ (1985) ist Lentz, neben einer zwei Bände umfassenden Dissertation über Lautpoesie (2000), mit dem Prosa-Band „Muttersterben“ (2002), den Romanen „Liebeserklärung“ (2003) und „Pazifik Exil“ (2007), dem Theaterstück „Warum wir also hier sind“ (2009) sowie Gedichtbänden wie „Aller Ding“ (2003) und „Offene Unruh“ (2010) bekannt geworden. Dass seine besondere Aufmerksamkeit den Regeln und Ordnungssystemen der Literatur gilt, dokumentiert nicht zuletzt der 2011 erschienene Essay-Band „Textleben“.

Ausblick

Für das Sommersemester 2013 konnte Juli Zeh als Poetikdozentin für die Stiftungsgastdozentur gewonnen werden. Unter dem Titel „Treideln“ wird sie ein Konzept der „Anti-Poetik“ entwerfen und somit einen spannenden neuen Akzent setzen. 2012 erschienen ihr Roman „Nullzeit.“ und das Sachbuch „Diktatur der Demokratie - Warum ohne Recht kein Staat zu machen ist.“ Ihr Werk wurde bisher in 35 Sprachen übersetzt. Juli Zeh wurde für ihr literarisches Werk vielfach ausgezeichnet, u. a. mit dem Deutschen Bücherpreis, dem Rauriser Literaturpreis, dem Hölderlin-Förderpreis, dem Ernst-Toller-Preis und dem Solothurner Literaturpreis.

Die Frankfurter Stiftungsgastdozentur für Poetik freut sich, dass Lentz und Zeh die traditionsreiche Reihe der Frankfurter Poetikdozenturen fortsetzen. Der ersten Dozentin Ingeborg Bachmann 1959 folgten mittlerweile über 65 namenhafte Autoren und Autorinnen, darunter Hans Magnus Enzensberger, Ernst Jandl, Christa Wolf, Marlene Streeruwitz, Uwe Timm, Thomas Meinecke und im vergangenen Sommersemester Alexander Kluge.

1959 wurden die Frankfurter Poetikvorlesungen vom Verlag S. Fischer in Form einer Stiftungsgastdozentur eingerichtet. Von 1963 an trugen und prägten der Suhrkamp Verlag sowie die Vereinigung von Freunden und Förderern der Goethe-Universität die renommierte Institution. Seit 2011 steht hinter der Stiftungsgastdozentur für Poetik ein Konsortium, das neben der Goethe-Universität aus den Verlagen S. Fischer, Schöffling & Co und Suhrkamp, den Freunden und Förderern der Universität, dem Kulturamt der Stadt Frankfurt sowie dem Literaturhaus Frankfurt besteht.

Interview mit Lentz im aktuellen UniReport: http://www.unireport.info/44376478/unireport_6-12.pdf

Weitere Informationen: Prof. Dr. Susanne-Komfort-Hein / Anne-Marie Bernhard M.A. / Florian Fischer M.A., Stiftungsgastdozentur für Poetik, Institut für deutsche Literatur und ihre Didaktik, Tel.: (069) 798- 32855/7, poetik@lingua.uni-frankfurt.de, www.poetikvorlesung.uni-frankfurt.de

Forschung

Dez 31 2012
21:12

Michael Stolleis spricht in „Forschung Frankfurt“ über seine jetzt abgeschlossene „Geschichte des öffentlichen Rechts in Deutschland“

Ein Mann und 400 Jahre Rechtsgeschichte

FRANKFURT. Es ist ein imposantes Werk und gilt bereits als Klassiker – sein Verfasser verwendete gut 25 Jahre darauf. Mit dem nun erschienenen vierten Band hat Michael Stolleis seine vier Jahrhunderte umfassende, insgesamt 2000-seitige „Geschichte des öffentlichen Rechts in Deutschland“ abgeschlossen „Eine Geschichte des Denkens über Verfassung und Verwaltung seit der frühen Neuzeit war noch nicht geschrieben“, erinnert sich der emeritierte Professor der Goethe-Universität in der aktuellen Ausgabe des Wissenschaftsmagazin „Forschung Frankfurt“ (3/2012) an die Geschichte hinter der Geschichte. In dem Interview wirft der langjährige Direktor des Max-Planck-Instituts für europäische Rechtsgeschichte auch einen Blick nach vorn: Da der klassische Staat nicht mehr die zentrale Rolle einnehme, sei es fraglich, ob das mit ihm eng verbundene öffentliche Recht in der bisherigen Form weiterbestehe.

„Ich wollte nicht die übliche Gipfelwanderung machen, also einen berühmten Autor nach dem anderen referieren, sondern das Geflecht zwischen Realgeschichte und Wissenschaftsgeschichte aufsuchen“, so Michael Stolleis zur Methodik seiner Rechtsgeschichte, deren erster Band die Jahre 1600 bis 1800 behandelt. „Am Ende des 16. Jahrhunderts, in einer Verfassungskrise, beginnt man darüber nachzudenken, vor allem auf protestantischer Seite: Was sind die Grundlagen unserer Reichsverfassung?“ Der zweite Band geht bis zum Ausbruch des ersten Weltkrieges. In dieser Zeitspanne war die gescheiterte Revolution von 1848/1849 „für die Nation und speziell für das Bürgertum die Zäsur schlechthin“.

Historiker werden zuweilen als „rückwärtsgewandte Propheten“ bezeichnet, welche die Ereignisse im Nachhinein mit einer Vorgeschichte ausstatten und dann sagen: „Das musste ja so kommen!“ Stolleis dagegen betont, man solle „vielmehr die Autoren, die Werke und die Umstände, unter denen geschrieben worden ist, möglichst so nehmen, wie sie waren.“ Aus heutiger Perspektive werden die Weimarer Republik und ihre Verfassung oftmals als Einbahnstraße gedeutet, die notwendig zum Nationalsozialismus führen musste. „Die Weimarer Verfassung war zwar nicht perfekt konstruiert“, so Stolleis in dem Interview, „sie war aber auch nicht so fehlerhaft, wie man sie dann später gedeutet hat.“

In der Zeit des Nationalsozialismus, die nach der Weimarer Republik Thema des dritten Bandes ist, sieht Stolleis auch eine Selbstzerstörung des Faches durch seine eigenen Vertreter. Gleichwohl sei es nicht so einfach zu sagen, „was denn NS-Staatsrechtslehre im Kern war“. Fest stehe aber, wie Stolleis dann im vierten Band zeigt, dass viele alte NS-Fachleute in der Bundesrepublik wieder Schlüsselpositionen besetzt hätten. Trotz der so genannten „Stunde Null“ nach Ende des Kriegs habe es „Kontinuitäten der Personen und vieler Institutionen“ gegeben. Stolleis: „Man könnte allenfalls in der Wissenschaftsgeschichte der DDR insofern von einer Stunde Null sprechen, als nahezu das gesamte wissenschaftliche Personal entlassen oder pensioniert wurde, teils in den Westen ging oder verstummte.“

Der vierte und aktuelle Band, in dem Stolleis vor allem die Rolle des Grundgesetzes heraushebt, endet eigentlich mit dem Jahr 1990. Aber der Rechtshistoriker behandelt ebenso Entwicklungen, die bis in die jüngste Gegenwart reichen. Auf die Rechtswissenschaft bezogen plädiert Stolleis auch in dem Interview für eine „Pluralisierung des methodischen Zugriffs“, wie er etwa im interdisziplinären Frankfurter Exzellenzcluster „Die Herausbildung normativer Ordnungen“ praktiziert werde. Die Entstehung normativer Ordnungen könne nicht allein von Juristen erklärt werden. „Sie sind nicht die Beherrscher des Feldes Normativität und sie tun generell gut daran, sich zu vergewissern, was auf den anderen Feldern geschieht.“

Stolleis sieht die zentrale Rolle des klassischen Staates, und mit ihm das öffentliche Recht, zum einen durch die Europäisierung herausgefordert. Es sei evident, dass Deutschland Hoheitsrechte abgegeben habe und wohl weitere abgeben müsse. Die zweite Herausforderung liege in der Globalisierung, „welche die Grenzen transparent werden lässt oder aufhebt“. Auf sich gestellt verliere der klassische Nationalstaat seine Handlungsfähigkeit. „Außerdem entsteht in der globalen Welt massenhaft neues Recht ohne Staat. Es gibt Schiedsgerichte, die keinen Staat mehr brauchen und es gibt Weltkonzerne, die ihre Normen durchdrücken bis zum letzten Benutzer.“

Die Kritik sieht in „dem Stolleis“, wie das Werk schon genannt wird, „einen großen und unwiederholbaren Wurf“. Würde der Autor von einem Lebenswerk sprechen? „Ja, rückblickend ist das wohl so. Man hat das selbst nicht in der Hand, vor allem die Zeitplanung“, sagt Michael Stolleis, der die vier Bände „in Nebenstunden und den Ferien“ geschrieben hat. So hat die „Geschichte des öffentlichen Rechts in Deutschland“ auch ihre eigene Geschichte: Ursprünglich sollte sie in einem Band und einem freien Forschungsjahr abgehandelt werden. Und das ist mittlerweile gut 25 Jahre her.

Näheres lesen Sie in dem Interview in „Forschung Frankfurt“ mit Bernd Frye, dazu auch eine Rezension des aktuellen Stolleis-Bandes von Anna Katharina Mangold.

Informationen: Prof. Michael Stolleis, Max-Planck-Instituts für europäische Rechtsgeschichte, Tel.: (069) 789-78151, stolleis@rg.mpg.de, www.rg.mpg.de/de/personen/michael.stolleis/

„Forschung Frankfurt“ kostenlos bestellen: ott@pvw.uni-frankfurt.de

 PDF im Internet: http://www.forschung-frankfurt.uni-frankfurt.de/34831594/aktuelle_Ausgabe

Forschung

Dez 19 2012
15:19

Chronische Erkrankungen, Multimedikation und Hausärztemangel sind die Herausforderungen der Zukunft

Allgemeinmedizin - quo vadis?

FRANKFURT. „Das deutsche Gesundheitssystem ist in einer Situation, die man durchaus als organisierte Verantwortungslosigkeit bezeichnen kann. Patienten, insbesondere diejenigen mit einer oder mehreren chronischen Erkrankungen, haben in der Regel niemanden, der sie kontinuierlich begleitet und konkrete Verantwortung übernehmen kann“, urteilt Prof. Ferdinand Gerlach, Vorsitzender der Gesundheitsweisen und Direktor des Instituts für Allgemeinmedizin an der Goethe-Universität. In der aktuellen Ausgabe des Forschungsmagazins „Forschung Frankfurt“ kritisiert Gerlach falsche Anreizsysteme und die Kluft zwischen Klinikern und niedergelassenen Ärzten.

Als Hochschullehrer setzt sich Gerlach besonders dafür ein, die Aus- und Weiterbildung in der Allgemeinmedizin für den ärztlichen Nachwuchs attraktiv zu gestalten: „Wir versuchen, die Vielfalt und Breite des Fachs unter Alltagsbedingungen erlebbar zu machen. Die Studierenden werden in der Regel eins zu eins betreut. Dadurch können wir deutlich mehr Interesse für das Fach wecken“. Denn der Hausärztemangel macht sich in ländlichen Gegenden bereits bemerkbar. „Sowohl junge Frauen als auch junge Männer wollen nicht mehr 24 Stunden am Tag und sieben Tage die Woche einsatzbereit sein, wie das die alten Landärzte waren“, weiß Gerlach. „Um den Ansprüchen der jetzt kommenden Generation besser gerecht zu werden, müssen wir unter anderem größere Praxiseinheiten favorisieren, in denen es auch möglich ist, als Angestellter und in Teilzeit zu arbeiten.“   

Chronische Erkrankungen und Multimedikation

Mehr als die Hälfte der 65jährigen in Deutschland leiden an mehreren chronischen Erkrankungen. Viele bekommen deshalb fünf und mehr Medikamente verschrieben. Zusätzlich nehmen sie frei verkäufliche Präparate aus der Apotheke ein. Das bringt viele Probleme mit sich, wie Dr. Christiane Muth und Prof. Marjan van den Akker am Beispiel zweier Studien aus Deutschland und den Niederlanden belegen. Unter Multimedikation verschlechtert sich die Therapietreue: Patienten verändern die Dosis oder lassen Präparate ganz weg.

Weitere Komplikationen ergeben sich durch unerwünschte Arzneimittelwirkungen und Wechselwirkungen zwischen den Medikamenten: Unangemessene Verordnungen sind die Ursache für drei bis sieben Prozent aller Klinikaufnahmen und etwa 60 Prozent der vermeidbaren Krankenhausaufenthalte. Um diese künftig zu vermeiden, setzt die Frankfurter Studie von Christiane Muth auf Computersysteme, die den Arzt vor Verschreibungsfehlern bewahren.

Eine besondere Rolle spielt auch die Kommunikation zwischen Arzt und Patient. „Bei der Besprechung der Therapie sind Ärzte oft zu dominant, während Patienten sich häufig zu passiv verhalten“, weiß Muth. Sowohl im deutschen als auch im niederländischen Forschungsprojekt werden deshalb Medizinische Fachangestellte geschult. Sie entlasten den Arzt und Patienten berichten ihnen eher, wenn sie Veränderungen am ärztlichen Einnahmeplan vorgenommen haben.

Gerinnungshemmer richtig dosieren

Viele Menschen benötigen im Alter Gerinnungshemmer, aber Ärzte verschreiben sie nicht gern, weil mit dem Alter auch das Risiko für Komplikationen steigt. Die Dosierung von Gerinnungshemmern muss nämlich genau überwacht werden, um Thrombosen und Embolien einerseits und schwere Blutungen andererseits zu vermeiden. Die Versorgung dieser Patientengruppe hat seit März 2012 die „PICANT-Studie“ des Instituts für Allgemeinmedizin zum Ziel. Geplant ist die Teilnahme von circa 50 hessischen Hausarzt-Praxen und 700 erwachsenen Patienten.

Auch in dieser Studie spielen speziell geschulte Medizinische Fachangestellte eine zentrale Rolle: Sie befragen Patienten über ihre Medikamententreue und Symptome, die auf mögliche Komplikationen hinweisen. So kann die Dosis optimal angepasst werden. Bei entsprechender Eignung werden auch die Patienten zum Selbstmanagement ihrer Therapie mit Gerinnungshemmern motiviert. „Das bedeutet, dass die Dosisanpassung vom Patienten – unterstützt durch ein strukturiertes Schulungsprogramm – selbst durchgeführt wird. Das Auftreten von schweren gerinnungsassozierten Komplikationen wie Thromboembolien und Blutungen kann durch Selbstmanagement um die Hälfte reduziert werden“, erklärt Studienleiterin Prof. Andrea Siebenhofer-Kroitzsch.

Informationen: Prof. Ferdinand Gerlach, Institut für Allgemeinmedizin, Universitätsklinik, Tel: (069) 6301-5687; gerlach@allgemeinmedizin.uni-frankfurt.de.; Dr. Christiane Muth, Tel: (069) 6301-4149, muth@allgemeinmedizin.uni-frankfurt.de.; Prof. Andrea Siebenhofer-Kroitzsch, Tel: (069) 6301-7296; siebenhofer@allgemeinmedizin.uni-frankfurt.de.

„Forschung Frankfurt“ kostenlos bestellen: ott@pvw.uni-frankfurt.de

Im Internet: www.forschung-frankfurt.uni-frankfurt.de/34831594/aktuelle_Ausgabe

Veranstaltungen

Dez 19 2012
15:16

Innovative Lehr-Projekte der Goethe-Universität überzeugen Jury

Doppelerfolg beim Hessischen Lehrpreis

FRANKFURT. Zwei von insgesamt sechs Preisen des Hessischen Hochschulpreises für Exzellenz in der Lehre gehen 2012 an die Goethe-Universität:  Die Preisgelder in einer Gesamthöhe von 55.000 Euro verteilen sich auf die Studiengruppe „Erinnerungskultur, Gedächtnispolitik, Bildgebrauch“ mit Studiengalerie 1.357 unter Leitung von Prof. Dr. Bernhard Jussen, Dr. Henning Engelke sowie Dr. Martin Engler aus dem Fachbereich Philosophie und Geschichtswissenschaften (40.000 Euro). Das studentische Organisationskomitee der Night of Science – Wissenschaft ganz anders unter Leitung von Juliette Halli und Thomas Halbritter der Fachbereiche Geowissenschaften/Geographie; Informatik und Mathematik; Physik; Biochemie, Chemie und Pharmazie; Biowissenschaften; Psychologie und Sportwissenschaften kann sich über 15.000 Euro Preisgeld freuen. Das Projekt der Studiengruppe  belegte im Wettbewerb den 3. Platz, die Night of Science erhielt einen Sonderpreis der Jury.

93 Anträge, unter denen die Jury auszuwählen hatte, unterstrichen die große Attraktivität des Preises für Hochschulen, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, Lehrende sowie Studierende: „Die Vorschläge dokumentieren einmal mehr, welch hohen Stellenwert die Lehre an hessischen Hochschulen einnimmt“, sagte Staatsministerin Eva Kühne-Hörmann bei der Preisverleihung am 18.12. in Wiesbaden. Der Preis zeichnet zukunftsweisende Lehrkonzepte in verschiedenen Kategorien aus.

Der an der Goethe-Universität für die Lehre zuständige Vizepräsident Prof. Manfred Schubert-Zsilavecz sagte, die Preise belegten „die hohe Innovationskraft der Goethe-Universität im Bereich der Lehre“. Beide ausgezeichneten Projekte hätten „Vorbildcharakter“ für eine zukunftsweisende Lehre und zeugten „von hohem Engagement der Studierenden und Lehrenden an der Goethe-Universität“.

Hintergründe zum Projekt Erinnerungskultur, Gedächtnispolitik, Bildgebrauch:

Als Reaktion auf die Praxisferne der Geisteswissenschaften und die neuen Bedürfnisse von Masterstudiengängen, in denen Studierende und Forschende unterschiedlicher Spezialisierungen und Fachrichtungen zusammenkommen, wurde das neue Lehrformat der Studiengruppe entwickelt, um das systematische, längerfristige Bearbeiten und Weiterentwickeln eines Themas praxisnah zu realisieren. Die Studiengruppe „Erinnerungskultur, Gedächtnispolitik, Bildgebrauch“ mit der Studiengalerie 1.357 ist Pilotprojekt für dieses neue Studienformat und existiert seit Anfang 2010 in Frankfurt. Studierende, Doktorandinnen und Doktoranden sowie Lehrende aus verschiedenen geisteswissenschaftlichen Disziplinen und außeruniversitären Institutionen erarbeiten semesterübergreifend Ausstellungen. Für die im denkmalgeschützten I.G.-Farben-Haus auf dem Campus Westend eingerichtete Studiengalerie konnte das Städel Museum als Partner gewonnen werden.

Hintergründe zum Projekt Night of Science:

Bereits 2006 haben die naturwissenschaftlichen Fachschaften der Goethe-Universität gemeinsam die „Night of Science – Wissenschaft ganz anders“ ins Leben gerufen. Ziel ist, die oft eher stiefmütterlich behandelten Naturwissenschaften sowohl interessierten Schülerinnen und Schülern, Studierenden anderer Fachrichtungen als auch der breiten Öffentlichkeit näherzubringen. Mit tatkräftiger Unterstützung der Lehrenden werden bis in die frühen Morgenstunden in über 50 Vorträgen neue wissenschaftliche Erkenntnisse vorgestellt, alltägliche Phänomene erklärt und spektakuläre Experimente gezeigt. Es gelingt, die oft abstrakt wahrgenommene Forschung alltagsnah zu vermitteln. Alle Vorträge werden so gestaltet, dass sich jeder auch ohne Vorkenntnisse in die jeweilige Thematik einfinden kann. Der Besuch von sonst nicht zugänglichen Laboratorien und Anlagen wie Teilchenbeschleunigern ist möglich.

Veranstaltungen

Dez 18 2012
12:12

Tagung an der Goethe-Universität beschäftigt sich mit sozial- und kulturwissenschaftliche Zugängen im Dialog. 25.-26. Januar 2013, Sportcampus

Sport im Film

FRANKFURT. Vom 25.-26. Januar 2013 findet am Institut für Sportwissenschaften die erste wissenschaftliche Tagung zum Sportfilm im deutschsprachigen Raum statt. Gegenstand der Tagung sind Sportspielfilme und Sportdokumentationen, die aus unterschiedlichen sozial- und kulturwissenschaftlichen Perspektiven analysiert werden. Ziel der Tagung ist es, das wissenschaftliche Erkenntnispotenzial von Sportspielfilmen und Sportdokumentationen auszuloten und insbesondere die Verflechtung des Sports mit je spezifischen gesellschaftlichen Strömungen und kulturellen Besonderheiten aufzuzeigen.

Die Teilnahme an der Tagung ist kostenfrei. Um eine Anmeldung bis zum 15. Januar 2013 unter gugutzer@sport.uni-frankfurt.de wird gebeten. Weitere Informationen finden Sie unter www.sport-im-film.uni-frankfurt.de.

Kontakt: Prof. Dr. Robert Gugutzer, Goethe-Universität Frankfurt a.M., Institut für Sportwissenschaften, Abt. Sozialwissenschaften des Sports, Ginnheimer Landstraße 39, 60487 Frankfurt a.M. Tel.: 069/798-245 29, gugutzer@sport.uni-frankfurt.de, http://sportsoziologie.uni-frankfurt.de

Personalia/Preise

Dez 18 2012
12:11

Mit Altfried M. Lütkenhaus und Bertram Cezanne erhält das Kontrollorgan des universitätseigenen Unternehmens zwei neue erfahrene Mitglieder

Aufsichtsrat von INNOVECTIS gestärkt

FRANKFURT. Dr. Bertram Cezanne, Senior Director Medicinal Chemistry bei Merck Serono, und  Dr. Altfried M. Lütkenhaus, Mitglied des Vorstandes der Frankfurter Sparkasse, sind in den Aufsichtsrat von INNOVECTIS berufen worden. „Die beiden neuen Mitglieder sind durch ihre umfassenden Erfahrungen und die Expertise, die sie aus ihren Bereichen mitbringen, eine wichtige und geeignete Ergänzung des INNOVECTIS-Aufsichtsrates“, betont Prof. Manfred Schubert-Zsilavecz, Vizepräsident der Goethe-Universität und Aufsichtsratsvorsitzender der Innovectis.

Der Chemiker Dr. Bertram Cezanne ist Senior Director Medicinal Chemistry bei Merck Serono; er beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit kleinmolekularen Wirkstoffkandidaten im Bereich Onkologie und Rheumatologie und verfügt über große Erfahrungen in der Kooperation mit universitären und unternehmerischen Organisationen.

Der Jurist Dr. Altfried M. Lütkenhaus ist seit 2009 Mitglied des Vorstandes mit der Ressortverantwortung für das Geschäft mit mittelständischen Firmenkunden,  institutionellen Adressen, Körperschaften und Unternehmen der öffentlichen Hand, gewerblichen Immobilieninvestitionen und für das Treasury der Frankfurter Sparkasse.

Die universitätseigene INNOVECTIS GmbH, die in diesem Jahr ihr 10jähriges Bestehen feiert, ist zuständig für den erfolgreichen Transfer von akademischen Knowhow in die wirtschaftliche Praxis. INNOVECTIS unterstützt Erfinder bei der Einwerbung und Durchführung von Projekten.

Kontakt: INNOVECTIS GmbH, Doris Büdel, Altenhöferallee 3, 60438 Frankfurt am Main, Tel. (069) 25 61 632 – 17, info@innovectis.de, www.innovectis.de  

Forschung

Dez 18 2012
12:08

Einblicke in die Frankfurter Edda-Sammlung: Konjunktur des Meeresriesen Aegir bei Parfum, Zigaretten und Grammophonnadeln – Revival von Thor und Loki in Marvel-Comics

Wie nordische Götter und Helden bis heute fortleben

FRANKFURT. Edda – diesen Namen tragen zwei isländische Werke aus dem 13. Jahrhundert. Gemeinsam überliefern sie den größten erhaltenen Schatz an nordischer Mythologie und Heldensage. Gern für »germanisch« gehalten sind diese Stoffe seit dem 18. Jahrhundert weit über Island hinaus bekannt. Das spiegelt sich auch in den mehr als 1200 Objekten der Edda-Sammlung im Institut für Skandinavistik an der Goethe-Universität. Prof. Dr. Julia Zernack und Dr. Katja Schulz zeigen in ihrem Beitrag des soeben erschienenen Wissenschaftsmagazins „Forschung Frankfurt“, wie die Mythen buchstäblich in jeden Winkel der Kultur vordringen können.

„Diesem Nachleben der eddischen Stoffe in Literatur, bildender Kunst, Religion, Musik und Alltagskultur gilt das Interesse der Frankfurter Edda-Forschung ebenso wie den mittelalterlichen Zeugnissen selbst“, betont Zernack, die ein seit 2007 von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördertes Projekt zur Edda-Rezeption leitet. Der Bestand der Frankfurter Edda-Sammlung ist außerordentlich heterogen. Für sich genommen sind manche ihrer Objekte wertlos – Reklame- und Verpackungsmüll vergangener Zeiten. Doch als Sammlung beleuchten sie sich gegenseitig, dokumentieren die Rezeptionsgeschichte nordischer Mythologie und Heldensage durch die Jahrhunderte. „Diese Objekte bieten uns eine einzigartige Möglichkeit, das Auftreten der Mythen und ihre Funktion in verschiedensten Diskursen zu untersuchen“, so Katja Schulz, die seit Beginn in dem Projekt mitarbeitet. „So können wir exemplarisch rekonstruieren, wie die zuerst im nordischen Mittelalter überlieferten Mythen bis in unsere Zeit fortleben, sich durch die verschiedenen Medien bewegen und dabei immer wieder neu- und umgedeutet werden.“

Die Objekte machen anschaulich, was der Philosoph Hans Blumenberg 1971 als ein allgemeines Merkmal des Mythos beschrieben hat: Den Mythos gibt es nur im Zustand der Rezeption. Jede Zeit aktualisiert aus dem ihr zur Verfügung stehenden Mytheninventar die Aspekte, die ihren spezifischen Interessen dienen. Sehr anschaulich illustrieren die beiden Autorinnen dies in ihrem „Forschung Frankfurt“-Beitrag am Beispiel des altnordischen Meeresriesen Aegir: Im nordischen Mittelalter ist der Riese, der den Göttern freundlich gesonnen scheint, eine Personifikation des Meeres. Als Ende des 19. Jahrhunderts die nordischen Mythen in bewusster Abgrenzung als nationale Alternative zu den klassisch-antiken Göttern herangezogen wurden, wurde aus Aegir eine Art nordischer Poseidon, wie dieser ausgestattet mit Bart und Dreizack. Forciert wurde diese Mythenbildung im Deutschen Reich besonders von Wilhelm II.

Dazu Zernack: „In seinem seit 1894 häufig aufgeführten und oft verspotteten ‚Sang an Aegir‘ beschwor Wilhelm II. ein verklärtes, in eine unbestimmte ‚germanische‘ Vergangenheit projiziertes Heldentum. Damit appellierte er nicht nur an die Germanen- und Wikingerschwärmerei seiner Zeitgenossen, die ihren Wagner ebenso kannten wie Felix Dahns historische Romane, sondern zugleich an die verbreitete Begeisterung für die Marine.“ National propagiert und gleichzeitig in zahllosen Karikaturen ins Lächerliche gezogen, erlangte die Figur Aegir eine bis dahin ungeahnte Bekanntheit und erreichte jeden Winkel der Kultur: Aegir-Parfums und Aegir-Zigaretten verströmten ihren Duft; in einem Berliner Weinrestaurant wurden Aegir-Tropfen angeboten, die Klänge von Kaiser Wilhelms patriotischer Ballade ertönten vom goldfarben verzierten Notensatz für Klavier, gemischten Chor und Orchester bei ungezählten offiziellen Anlässen und vielleicht auch von einer Grammophon-Einspielung, die mit „Starktonnadeln“ der Marke „Aegir“ zum Klingen gebracht wurden.

Ungewöhnlich für eine – zumal philologisch verankerte – Universitätssammlung sind die zahlreichen Objekte der Alltagskultur, die durch Untersuchungen zu nordischen Mythen in Werbung und Propaganda und durch eine Studie über die Aktualisierung eddischer Stoffe im Kontext religiöser Neubildungen (wie dem neugermanischen Heidentum an der Wende des 19. zum 20. Jahrhundert) hinzukamen. Zu den Alltagsobjekten gehören beispielsweise Reklamesammelbilder aus der Zeit um 1900, die nordische Götter und eddische Mythen präsentieren, Bierdosen der dänischen Marke „Odin“, Werbung für die Hitler-Jugend-Uniform „Baldur“ oder für die 1854 gegründete, noch heute existierende deutsche „Iduna“-Versicherung, Rasierklingen der US-amerikanischen Marke „Thor“, Runenorakel und zahlreiche Postkarten, auf denen die Götter Odin, Thor und Heimdall herhalten müssen, um die ideologischen Interessen diverser politischer Vereinigungen zu vertreten. Eines der bekanntesten Edda-Zitate ist unter Adler und Hakenkreuz auf der Beileidskarte zu lesen, mit der die NSDAP den Angehörigen von Gefallenen kondolierte: „Niemals stirbt der Toten Tatenruhm.“

Seit Mitte des 20. Jahrhunderts leben die nordischen Mythen auch in Filmen oder Comics weiter. So fungiert Thors missgünstiger Stiefbruder Loki beispielsweise in den Marvel-Comics über Jahrzehnte hinweg als dessen wichtigster Gegenspieler und Hauptschurke. Zuletzt ist er in dieser Rolle in den Verfilmungen „Thor“ (2011) und „The Avengers“ (2012) zu sehen – bis heute mit seinem markanten Hörnerhelm, der an eine Inkarnation des Teufels denken lässt. Auch in der Heavy-Metal-Szene haben die nordischen Mythen Konjunktur, dies belegen die Cover der einschlägigen CDs, die im Zusammenhang mit einer musikwissenschaftlichen Studie über nordische Mythen im Heavy Metal in die Edda-Sammlung kamen.

Wie steht es um die Zukunft der Frankfurter Sammlung? „Soll dieses Potenzial der Edda-Sammlung der Forschung nicht verloren gehen, gilt es, die Sammlung zu institutionalisieren und ihr Auseinanderfallen zu verhindern, das mit dem Auslaufen der gegenwärtig geförderten Projekte im kommenden Jahr droht“, so Zernack. Die beiden Skandinavistinnen wollen ein Anschlussprojekt beantragen, in dem Informationen über den Bestand der Sammlung ebenso wie die von der Frankfurter Edda-Forschung erhobenen Daten in einem multimedialen Forschungsportal online veröffentlicht werden sollen.

Informationen: Prof. Dr. Julia Zernack, Dr. Katja Schulz, Institut für Skandinavistik, Campus Westend, Tel. (069) 798-33104. Zernack@em.uni-frankfurt.de; k.schulz@em.uni-frankfurt.de

„Forschung Frankfurt“ kostenlos bestellen: ott@pvw.uni-frankfurt.de

Im Internet: http://www.forschung-frankfurt.uni-frankfurt.de/34831594/aktuelle_Ausgabe

Forschung

Dez 14 2012
15:01

Frankfurter Comic-Forscher betrachtet moderne Manga als eine Form der globalisierten Populär- und Jugendkultur

Grimms Manga als Märchen-Verwirrbuch: Wenn Rotkäppchen den geliebten Wolf heiratet

FRANKFURT. Als 1887 „Der Wolf und die sieben Geißlein“ in Tokio in einer mit Farbholzschnitten illustrierten Übersetzung erschien, konnte noch niemand ahnen, dass die Brüder Grimm heute zu den mit Abstand bekanntesten deutschen Literaten im Land der aufgehenden Sonne gehören. Inzwischen haben die Stoffe der Grimm’schen Märchen längst auch Eingang in den japanischen Comic gefunden. „Das hängt nicht zuletzt mit dem Wesen des modernen Manga als einer Form der globalisierten Populär- und Jugendkultur zusammen“, wie der Frankfurter Comic-Spezialist Dr. Bernd Dolle-Weinkauff in seinem Beitrag des soeben erschienenen Wissenschaftsmagazins „Forschung Frankfurt“ (3/2012) darlegt. Er beschäftigt sich seit 1983 mit dieser Literaturgattung und zählt zu den international anerkanntesten Comic-Forschern.

Schneewittchen, das sich beinahe in einen niedlichen Feenzwerg verliebt, der narzisstische Hänsel, der Klein-Gretel wegen der betörenden Hexe Hildegard im Wald stehen lässt, der Bishônen-Jüngling Rapunzel, der die sportliche Jungfer Eva schwängert – diese Geschichten und einige andere mehr entstammen dem Universum der japanischen Comics des 21. Jahrhunderts und haben ihre Wurzeln in der Grimm’schen Märchenwelt. Die Manga haben mittlerweile begeisterte Leser und Nachahmer selbst im Heimatland von Jacob und Wilhelm Grimm gefunden. Dazu der Literaturwissenschaftler Dolle-Weinkauff vom Institut für Jugendbuchforschung der Goethe-Universität: „Was in Deutschland und den anderen westlichen Ländern gegenwärtig als Comic japanischer Herkunft entgegentritt, spiegelt häufig amerikanische und europäische Einflüsse wider, die das Resultat der Rezeption in diesen Ländern seit Beginn der 1950er Jahre sind.“ So gehen etwa die heute als so typisch japanisch geltenden tellergroßen Augen und kindlichen Proportionen auf Disney-Filme und Disney-Comics zurück, die vor über einem halben Jahrhundert in Japan ihren Siegeszug feierten.

Die häufig fantastischen Szenarien der Bildgeschichten greifen nicht nur auf die Grimms zurück, sondern auch auf Erzählungen, Mythen und Sagen aus unterschiedlichsten Kulturen: „Die Manga in der Gegenwart stellen eine üppige Ansammlung von Versatzstücken und Elementen der kulturellen und literarischen Überlieferung im Weltmaßstab dar, die mit eigenkulturellen japanischen Elementen amalgamiert wurde“, so Dolle-Weinkauff. Dies gilt im Übrigen auch für die artverwandten Zeichentrickfilme – „Anime“ genannt –, wie etwa die vielfach prämierten Werke Hayao Miyazakis, von denen die Frankfurter Japanologin Prof. Lisette Gebhardt deshalb sagt, dass sie „eine üppige west-östliche Ausstattung“ aufweisen.

Die für Kinder von erotischen und gewalttätigen Passagen gereinigten Märchen waren für die Manga untauglich: „Denn die Manga setzen sich gerne – in augenzwinkernder Übereinkunft mit ihrer Leserschaft – über allzu enge moralische und pädagogische Einwände hinweg“, wie der Frankfurter Comic-Spezialist erläutert. 1998 veröffentlichte Misao Kiryu den Erzählband „Grimms Märchen sind eigentlich grausam“ und bot damit eine neue und sehr viel drastischere Lesart als die bislang gewohnten an; auch vor dem Einsatz von Horror-Motiven machte er nicht halt. „Seitdem lässt sich beobachten, wie im Manga verstärkt Erzählungen aus den Kinder- und Hausmärchen aufgegriffen und recht freizügig umgestaltet werden“, hat Dolle-Weinkauff festgestellt.

Die „Grimms Manga“ von Kei Ishiyama, die der Verlag Tokyopop seit 2007 produziert, verfahren nach dem Prinzip des „Märchen-Verwirrbuchs“. Diese Bezeichnung brachte der Frankfurter Politologie-Professor und Hobby-Märchenautor Prof. Iring Fetscher auf, der den Prototyp dieser Märchen-Lesart bereits 1972 mit dem Band „Wer hat Dornröschen wachgeküßt?“ mit großem Erfolg vorstellte. „Kei Ishiyama deutet die Vorlagen mehr oder minder radikal um, verdreht Figuren, Motive und Handlungen parodistisch und führt die Erzählungen zu ganz neuen Pointen“, analysiert der Literaturwissenschaftler. So wird aus dem „Gestiefelten Kater“ ein selbst wandlungsfähiger Katzen-Dämon, „Der Froschkönig“ wie auch „Rapunzel“ erfahren eine höchst folgenreiche Geschlechtsumwandlung und das neue „Rotkäppchen“ heiratet wahrscheinlich ihren geliebten Wolf.

Kei Ishiyamas Grimm-Parodien haben mittlerweile Nachfolger in der deutschen Manga-Szene gefunden: „So hat David Füleki 2012 mit dem bezeichnenden Titel „Blutrotkäppchen“ das Grimm’sche Vorbild in Form einer Slasher-Komödie inszeniert, die in einem wilden ‚Märchen-Monster-Massaker‘ endet. Bereits 2011 veröffentlichte Tokyopop einen ‚Grimms Manga‘-Sonderband, an dem sich einige der namhaftesten Eleven des Manga-Stils aus dem deutschsprachigen Raum mit jeweils eigenen Märchen-Neuerzählungen beteiligten.“

Auch die genre-typischen Erzählformen und Darstellungsweisen der Manga nahm Dolle-Weinkauff unter die Lupe: „Die Geschichten zeichnen sich durch höchst rasante Bildfolgen mit dynamischen Layouts aus, die mit gefühlig-ruhigen Passagen wechseln. Die vermenschlichten Tiere werden dabei gründlich nach dem Niedlichkeitsprinzip (japanisch ‚kawai‘) verformt, und die weiblichen Hauptfiguren erhalten ein Design von zartestem Körperbau und Physiognomien mit den bekannten treuherzigen, tellergroßen Augen.“ Erstaunlich auch, was aus den im deutschen Märchen meist etwas bieder geratenen männlichen Protagonisten wird: „Sie sind durchgängig geformt nach dem Modell des Bishônen, des – beinahe unnahbar – schönen Jünglings, der in der luziden Gestalt des Märchenprinzen seine höchste Vollendung erreicht.“

Informationen: Dr. Bernd Dolle-Weinkauff, Institut für Jugendbuchforschung, Campus Westend, Tel. (069) 798-33001, dolle-weinkauff@rz.uni-frankfurt.de

„Forschung Frankfurt“ kostenlos bestellen: ott@pvw.uni-frankfurt.de

Im Internet: http://www.forschung-frankfurt.uni-frankfurt.de/34831594/aktuelle_Ausgabe